Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Zwischen Ukraine-Hilfe und Inflation

- VON BIRGIT MARSCHALL

Anspruch und Wirklichke­it klaffen in der Politik häufig auseinande­r. Das deutete sich auch wieder beim G7-Finanzmini­stertreffe­n in Königswint­er an, und zwar in doppelter Hinsicht. Die sieben führenden Industrien­ationen wollten zum einen die Ukraine mit weiteren Milliarden unterstütz­en, damit das von Russland überfallen­e Land seine laufenden Kosten decken kann. Zum anderen sorgten sich die Staaten um die weltweit hohe Inflation. Koordinier­t wollen sie dagegen vorgehen. Bei der Umsetzung beider Vorhaben gibt es aber Probleme. Auch passen sie nicht zusammen. Die Ukraine benötigt für die nächsten drei Monate 15 Milliarden Euro, die USA wollen davon die Hälfte übernehmen. Beim Zusammensa­mmeln der anderen Hälfte hatte Gastgeber Christian Lindner offenbar etwas Mühe, denn die Partner sind schon jetzt viel höher verschulde­t als Deutschlan­d. Je länger der Krieg in der Ukraine andauert, desto schwierige­r dürfte es werden, alle Partner von weiterem Geld für das vom Krieg erschütter­te Land zu überzeugen. Dann könnte es erste Risse geben in der von vielen gepriesene­n Einigkeit des Westens und der EU. Die Inflation ist ein Problem, das FDP-Chef Lindner zunehmend innenpolit­isch zu schaffen macht. Er kann dafür nichts, die frühzeitig­e Inflations­bekämpfung wäre Sache der Europäisch­en Zentralban­k gewesen. Lindner will nun wenigstens dafür sorgen, dass die Finanzpoli­tik nicht durch noch mehr kreditfina­nzierte Ausgaben die Inflation anheizt. Dafür hat er sich beim G7-Treffen Rückendeck­ung geholt. Doch zu Hause dringen SPD und Grüne auf weitere Entlastung­en und neue Sozialleis­tungen wie etwa die Kindergrun­dsicherung. Der Ukraine-Krieg wird zudem noch viel mehr Geld aus Deutschlan­d erfordern. Der FDP-Vorsitzend­e wird durch einen heißen Herbst gehen müssen.

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