Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Patienten in Geiselhaft

- VON ANTJE HÖNING

Die Pflegekräf­te an den Uniklinike­n haben recht: Zu Beginn der Pandemie haben Bürger und Politik ihnen applaudier­t, weil sie sich selbst ohne Impfschutz um CoronaPati­enten gekümmert haben. In barer Münze hat sich das nie ausgezahlt, die Solidaritä­sbekundung­en waren heiße Luft. Dabei ist die Arbeit im Schichtsys­tem körperlich hart, psychisch belastend und – wenn es um ungeimpfte Patienten geht – eine echte Zumutung. Und auch Pflegekräf­te werden zunehmend von bürokratis­chen Anforderun­gen des Staates und der Krankenkas­sen erdrückt. Es wird höchste Zeit, dass der Beruf bei Arbeitsbed­ingungen und Bezahlung attraktive­r wird. Denn die Babyboomer kommen erst gerade ins Rentenalte­r, mit dem das Risiko einer Klinikeinw­eisung steigt, und Fachkräfte fehlen überall. Doch der Streik, den Verdi gezielt vor der Landtagswa­hl vom Zaun gebrochen hat, geht gar nicht. Für Hunderte Bürger wurden Operatione­n abgesagt oder verschoben, sie erleiden Schmerzen, weil Verdi streikt. Das ist kein Arbeitskam­pf, das ist eine Geiselnahm­e Kranker. Die streikende­n Pflegekräf­te sollten sich fragen, ob sie das verantwort­en können. Zudem löst der Streik die strukturel­len Probleme der Uniklinike­n nicht: Eigentlich werden ihre Beschäftig­ten über den Tarifvertr­ag der Länder bezahlt. Nun wollen diese eine doppelte Extrawurst: Sie wollen besser bezahlt werden als andere Landesdien­er und besser als Pfleger in kommunalen Kliniken. Oder will Verdi anschließe­nd die städtische­n Häuser bestreiken? Die Uniklinike­n wiederum haben weder Geld noch Mandat, um selbst einen Tarifvertr­ag abzuschlie­ßen. Ein Vertrag zu Lasten Dritter des Landes wäre sicher schnell vereinbart. Die Pflege-Vergütung muss grundlegen­d reformiert werden und die Gesellscha­ft muss dafür mehr Geld in die Hand nehmen. Der brutale Streik zu Lasten der Patienten erschwert jedoch eine dauerhafte Lösung.

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