Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Lindner sammelt Geld für die Ukraine

Die sieben größten Industrien­ationen stützen das Land mit einer zweistelli­gen Milliarden­summe. Deutschlan­d gibt eine Milliarde Euro dazu. Auf dem Petersberg vereinbare­n die G7-Staaten die koordinier­tere Bekämpfung der Inflation.

- VON BIRGIT MARSCHALL

Christian Lindner ist früh auf den Beinen an diesem Donnerstag­morgen. Nun steht er neben dem Bundesbank­präsidente­n auf dem roten Teppich vor dem Eingang des Steigenber­ger Grandhotel­s auf dem Petersberg bei Bonn. In dunklen Limousinen fahren die Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs der sieben größten Industrien­ationen (G7-Staaten) vor. Auch Christine Lagarde, Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), kommt und tauscht Wangenküss­chen mit Lindner und Joachim Nagel.

Dann schüttelt der Minister einem kleineren Unbekannte­n die Hand. Als danach ein paar Sekunden Zeit bleiben, eilt Lindner hinüber zu den wartenden Journalist­en: „Eine wichtige Info für Sie: Das eben war Emmanuel Moulin, Staatssekr­etär aus Frankreich. Er vertritt Minister Bruno Le Maire.“Denn ob Lindners Freund Le Maire der neuen Pariser Regierung weiter angehört, ist an diesem Morgen ungewiss.

Der Minister himself als oberster Pressespre­cher – es sind seine Festspiele, und er möchte, dass alles korrekt rüberkommt an diesen zwei Tagen. Lindner genießt sichtlich die Gastgeberr­olle, er stammt aus Nordrhein-Westfalen, ist hier politisch groß geworden. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hatte er den Petersberg für das G7-Treffen ausgesucht, aus der ganzen Welt sind mehr als 100 Journalist­en angereist. Aus Lindners Sicht fast schade ist nur, dass diese öffentlich­keitswirks­ame Konferenz nicht vor, sondern erst wenige Tage nach der Landtagswa­hl

in Nordrhein-Westfalen stattfinde­t, bei der seine FDP nicht einmal sechs Prozent einfuhr.

Doch die Welt dreht sich ja weiter – und sie hat, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg, mit einer Fülle von Krisen gleichzeit­ig zu kämpfen. Neben der Kriegsfina­nzierung beschäftig­en die G7-Minister auch die weltweite Inflation und drohende Hungersnöt­e in den ärmsten Ländern. Hauptgläub­iger China solle ihnen Schulden erlassen, fordern die G7-Minister.

Doch im Zentrum steht auch auf dem Petersberg der Ukraine-Krieg. US-Finanzmini­sterin Janet Yellen hatte die Partner im Vorfeld aufgeforde­rt, der Ukraine 15 Milliarden Euro für die nächsten drei Monate zu geben, damit sie ihre laufenden Kosten bezahlen kann. Die USA wollen die Hälfte beisteuern, die übrigen sechs G7-Länder müssen die andere Hälfte unter sich aufteilen. Am Morgen will Lindner die konkrete deutsche Summe noch nicht nennen, schließlic­h tagt an diesem Tag auch der Haushaltsa­usschuss des Bundestags, der letzte Hand anlegt an den Bundeshaus­halt 2022. Am Ende ist es eine Milliarde Euro, die Deutschlan­d beisteuert.

Allerdings wird es dabei ja nicht bleiben. Spätestens im Herbst wird die Ukraine erneut Liquidität­shilfe benötigen, denn der Krieg wird sich hinziehen. Danach wird es um den Wiederaufb­au gehen, die EU und die USA sprechen bereits von einem Marshall-Plan wie in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg.

Dass Lindner und die FDP bei der NRW-Wahl so schlecht abgeschnit­ten haben, dürfte auch damit zu erklären sein, dass Lindner die versproche­ne Rückkehr zu soliden Finanzen bisher nur ankündigt, aber noch nicht einlösen kann.

Der FDP-Chef will in den Haushaltsv­erhandlung­en der Ampel jetzt Härte zeigen – und dabei hilft ihm auch diese G7-Tagung. Denn die hohe Inflation besorgt alle Finanzmini­ster, in den USA ist sie mindestens so hoch wie in Europa. Die US-Notenbank Fed steuert mit Zinssteige­rungen schon kräftig dagegen, auf den ersten Zinsschrit­t der EZB wartet die Welt noch. Die Finanzpoli­tik dürfe jetzt nichts mehr tun, das die Inflation anheizen könnte, sagt Lindner. Die Zeit des kreditfina­nzierten Geldausgeb­ens sei vorbei. Da seien sich die G7-Staaten einig.

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FOTO: GAMBARINI/DPA Finanzmini­ster Christian Lindner mit seinen Amtskolleg­en und den Notenbankc­hefs der sieben größten Industrien­ationen (G7-Staaten) auf der Terrasse des Steigenber­ger Grandhotel­s auf dem Petersberg bei Bonn.

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