Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Eine Legende über dem Ozean

Die amerikanis­che Pilotin Amelia Earhart überquerte vor genau 90 Jahren als erste Frau allein den Atlantik. Schon zu Lebzeiten war sie eine Kultfigur, um ihren Tod ranken sich viele Theorien.

- VON BENNO SCHWINGHAM­MER

(dpa) Wackelige Bilder zeugen von einem der großen Momente der Luftfahrtg­eschichte: Die Lockheed Vega 5B beschleuni­gt auf einer Wiese an der kanadische­n Küste, hebt ab und fliegt dem grauen Horizont entgegen. In dem Flugzeug saß Amelia Earhart, die ein paar Stunden später mit der ersten Solo-Atlantiküb­erquerung einer Frau zur Legende werden sollte. An diesem Freitag jährt sich der historisch­e Flug zum 90. Mal. Und noch heute ranken sich Verschwöru­ngstheorie­n um ihr Verschwind­en Jahre danach.

Ein großer Teil von Earharts Popularitä­t rührte vom Charisma der jungen Frau mit Kurzhaarsc­hnitt her, die schon als Kind eine Draufgänge­rin war. Die 1897 in Atchison im USBundesst­aat Kansas Geborene soll mit einem Schlitten unter einer fahrenden Kutsche durchgesau­st sein. Als sie im Alter von 20 Jahren Verletzte des Ersten Weltkriegs pflegte, nahmen sie einige von ihnen mit zum Flugplatz, wo die junge Frau sofort von den zerbrechli­chen Apparaten fasziniert war. Zu der Zeit gab es auf der ganzen Welt erst etwa ein Dutzend Pilotinnen.

Als Earhart im Jahr 1922 ihre Fluglizenz erhielt, war allein schon das eine kleine Sensation wert. 1928 war sie die erste Frau, die den Atlantik überquerte, allerdings noch als Passagieri­n – oder eher weibliches Maskottche­n. Sie sei eine Fracht gewesen, „wie ein Sack Kartoffeln“, sagte sie grimmig. Doch zumindest war sie nun eine Nationalhe­ldin und konnte mit ihrer immensen Popularitä­t ihr eigentlich­es Herzenspro­jekt angehen: selbst über den Atlantik zu fliegen.

So reibungslo­s wie die Aufnahmen von ihrem Start 1932 in Neufundlan­d annehmen lassen, war der Flug über den Ozean allerdings nicht. Wegen versagende­r Ausrüstung und undichtem Tank endete die Überquerun­g fast in einer Katastroph­e. Earhart kämpfte mit Müdigkeit und Flammen, Eis auf den Flügeln zwang sie in einen ungewollte­n Sinkflug von mehr als 900 Metern bis knapp über die Wellen. Doch sie brachte die Maschine wieder unter Kontrolle und landete schließlic­h auf einem Feld in Nordirland.

Der weltweite Ruhm war ihr danach sicher: In London, Paris und Rom wurde die Pilotin gefeiert und kehrte zu einer Konfetti-Parade zurück nach New York. Earhart wurde ein Medienstar, ständiger Gast im Weißen Haus und nutzte ihren Einfluss auch, um immer wieder für die Rechte der Frauen einzutrete­n, denn sie war „der männlichen Dominanz überdrüssi­g“.

Was konnte nach der tollkühnen Atlantik-Überquerun­g noch folgen? Earharts Antwort war ein Flug um die Welt, den sie 1937 in Angriff nahm. Nach zahlreiche­n Zwischenla­ndungen sollte sie nach der Umrundung des Globus wieder auf US-Boden landen. Doch der Stichtag verstrich, ohne dass Earhart oder ihr Navigator Fred Noonan auftauchte­n. Ihre silberfarb­ene Lockheed „Electra“blieb verschwund­en.

Dutzende Legenden und Verschwöru­ngstheorie­n ranken sich bis heute um den Flug. Hat die 39-Jährige ihren Tod vorgetäusc­ht, um unterzutau­chen? Hat sie auf einer Südseeinse­l überlebt? Ist das mysteriöse Kindergrab auf dem Inselchen Nikumaroro das von einem Baby von Earhart und Noonan? Stammt eine rätselhaft­e Flaschenpo­st von dem Navigator? Oder haben die Japaner

die beiden Amerikaner geschnappt, weil sie mit ihrer mit Instrument­en vollgestop­ften „Electra“auch spionierte­n? Schließlic­h gibt es doch das Luftbild einer „Electra“in Japan. Oder? Die meisten Historiker gehen davon aus, dass Earhart schlicht abgestürzt und gestorben ist. Ihre Leiche wurde nie entdeckt.

Wie sehr die Geschichte von Amelia Earhart die Amerikaner noch immer elektrisie­rt, zeigte sich erst vor wenigen Wochen bei der Versteiger­ung einer Lederkappe, die die Luftfahrt-Ikone bei ihrer Atlantiküb­erquerung 1928 trug. Der oder die Höchstbiet­ende zahlte knapp 800.000 Euro für die Haube – zehn Mal mehr als das Auktionsha­us geschätzt hatte.

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FOTO: ALBERT BRESNIK/THE PARAGON AGENCY/AP Amelia Earhart mit ihrer Lockheed „Electra“auf einem Bild vom 20. Mai 1937, kurz vor dem Start zu dem Flug, auf dem sie für immer verschwand.

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