Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Der Karneval muss sich neu erfinden
Karneval ist wie Karstadt – lustig geht anders. Etliche Vereine sehen sich vor dem Aus. Ob wie beim Kaufhauskonzern die Insolvenz droht, entscheidet sich in diesen Tagen. Am Aschermittwoch wird Bilanz gezogen. Das krisengeschüttelte Brauchtum – erst die Pandemie, dann der Krieg, jetzt die Inflation – findet mit seinen Veranstaltungen nicht überall zurück zu alter Narrenherrlichkeit. Gelacht wird, oft genug aber im halb leeren Saal. Ausverkauft ist Ausnahme. Und wie im Kulturbetrieb kommen Besucher vor allem zu den großen Events mit eigenem Format. Im Karneval heißt das: Singen und Springen geht besser als Sitzen und Schauen. Das klassische Angebot mit Büttenrede und Tanzkorps findet nur noch schwer ein jüngeres Publikum.
Überlebt hat der traditionelle Karneval die CoronaKrise, weil das Land mit Millionen geholfen hat. Sicher macht es wenig Sinn, das Brauchtum auf Dauer an den Tropf zu hängen. Und dennoch besteht die berechtigte Sorge, die karnevalistische Infrastruktur könne verloren gehen. Wenn Vereine ausgerechnet in der ersten Session nach der zweijährigen Zwangspause aufgeben müssen, ist mit dem Geld auch die Basis für den Fortbestand des organisierten Frohsinns futsch.
Bei manch einem der ehrenamtlichen Spaßmacher ist der Frust groß: Sie wollten anderen eine Freude machen und haben jetzt reichlich Ärger am Hals. Was Karneval wie Karstadt brauchen, ist neben finanzieller Hilfe (gern aus dem Heimatministerium) ein Bekenntnis der Kundschaft: Da simmer dabei. Wer auch in Zukunft narrensicher feiern will, darf jetzt kein Spaßverderber sein. Und noch eine Parallele zur Wirtschaft gibt es: Wie der Kaufhauskonzern muss sich der Karneval fragen, ob seine Konzepte und Angebote noch passen – und sich womöglich neu erfinden. Es gilt, ein Bedürfnis zu befriedigen, das alle Rheinländer verspüren: Die Sehnsucht nach dem Spaß an der Freud.