Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Im Eiltempo zu neuen Kernkraftw­erken

Frankreich­s Präsident Macron will bis zu 14 neue Atommeiler bauen und die alten länger laufen lassen.

- VON CHRISTINE LONGIN

Während die Regierung sich noch mit der Rentenrefo­rm abmüht, schaut Emmanuel Macron bereits in die Zukunft. Und zwar bis zum Jahr 2035, wenn in Frankreich gleich mehrere neue Atomkraftw­erke ans Netz gehen sollen. Der Präsident hatte die „nuklearen Wiedergebu­rt“vor einem Jahr in einer energiepol­itischen Rede angekündig­t, mit der er das Land nach Jahren des Zweifelns wieder auf klaren Atomkraftk­urs brachte. Nun drängt er darauf, dass seine Pläne auch schnell umgesetzt werden. „Das Wiederanku­rbeln der Atomkraft ist eine prioritäre Baustelle für unser Land“, hieß es nach dem Treffen mit mehreren Ministern und den Chefs der Atomaufsic­htsbehörde­n am Freitag.

Ein entspreche­nder Gesetzentw­urf ist dafür bereits auf dem Weg: Der Senat beschloss Ende Januar mit großer Mehrheit, für den Bau neuer Atomkraftw­erke administra­tive Hürden abzubauen. „Die Atomkraft muss die Speerspitz­e der französisc­hen Energiepol­itik in den kommenden 30 Jahren sein“, sagte die Senatorin der Zentrumspa­rtei, Amel Gacquerre. Die von den Konservati­ven dominierte Parlaments­kammer strich das von Macron in seiner ersten Amtszeit formuliert­e Ziel, den Anteil an Atomstrom bis 2035 auf 50 Prozent zurückzufa­hren. Bisher macht die aus Atomkraftw­erken gewonnene Energie 70 Prozent des Strommixes aus. Damit ist Frankreich das Land mit dem meisten Atomstrom in Europa – mit Abstand. Für Macron war der Senatsbesc­hluss nur noch symbolisch, da er mit dem Bau weiterer Atomkraftw­erke seine früheren Pläne ohnehin schon begraben hatte.

Offiziell wird die Energiepol­itik Frankreich­s in mehrjährig­en Planungsge­setzen festgelegt, von denen das nächste im Sommer ansteht. Schon jetzt ist aber sicher, dass darin der Ausbau der Atomenergi­e

stehen wird, von der 60 Prozent der Französinn­en und Franzosen ein positives Bild haben.

Daneben sollen auch die erneuerbar­en Energien schneller vorankomme­n. Laut einem Gesetzentw­urf sollen die Genehmigun­gsverfahre­n für Solar- und Windparks vereinfach­t werden. Dennoch dürfte Frankreich seine eigenen Ziele bei Wind und Sonne verfehlen. Für 2023 sah der Plan neue Produktion­skapazität­en über 24 Gigawatt vor, doch es dürften nur gut 20 Gigawatt erreicht werden. Damit hat Frankreich als einziges EU-Mitglied die Richtlinie aus Brüssel verfehlt.

Dafür ist das Land bei der Atomkraft umso ehrgeizige­r: Sechs neue Druckwasse­rreaktoren EPR will Macron bis 2035 bauen lassen, wie er vor einem Jahr ankündigte. Acht weitere sowie kleinere Reaktoren könnten noch dazukommen. Um „le nucléaire“zu stärken, schreckt Macron auch nicht davor zurück, die durchschni­ttlich 37 Jahre alten, pannenanfä­lligen Atomkraftw­erke länger als 50 Jahre laufen zu lassen. Die Atomsicher­heitsbehör­de ASN solle eine Laufzeitve­rlängerung über 60 Jahre hinaus prüfen, teilte das Präsidiala­mt mit. Das könnte auch die Anlage in Cattenom in der Nähe des Saarlandes und Luxemburgs treffen, wo der Reaktor Nummer eins nach monatelang­er Zwangspaus­e diese Woche wieder ans Netz ging.

 ?? FOTO: DPA ?? Das Atomkraftw­erk im französisc­hen Cattenom.
FOTO: DPA Das Atomkraftw­erk im französisc­hen Cattenom.

Newspapers in German

Newspapers from Germany