Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Der geliebte Gasherd

Es gibt Studien, die den Gebrauch der Geräte infrage stellen, Experten sprechen gar vom „Autoauspuf­f im Haus“. Die Rechtspopu­listen in den USA feuern die Wut auf den Staat an, der den beliebten Herd angeblich verbannen will.

- VON THOMAS SPANG

Drohender Staatsbank­rott, Krieg in der Ukraine oder Extremwett­er – nichts von dem alarmiert US-Senator Tom Cotton so sehr, wie die unvorsicht­ige Bemerkung des Kommissars einer Behörde, von der die meisten Amerikaner bisher noch nie gehört haben. „Die Demokraten sind hinter euren Küchengerä­ten her“, warnt der Republikan­er über einem Foto mit blauen Gasflammen. „Sie haben den Wunsch, grenzenlos jeden Aspekt eures Lebens zu kontrollie­ren – inklusive, wie ihr euer Frühstück zubereitet.“

Senator Cotton gehört zu dem Sturmtrupp rechter Kulturkrie­ger, die sich auf Äußerungen von Richard Trumka, einem von fünf Kommissare­n der US-Behörde für Produktsic­herheit, gestürzt haben. Dieser hatte gegenüber der Finanzagen­tur Bloomberg vor den gesundheit­lichen Gefahren durch das Kochen mit Gas gewarnt und die Möglichkei­t einer Regulierun­g durch die Behörde ins Gespräch gebracht. „Produkte, deren Sicherheit nicht gewährleis­tet werden kann, können verboten werden.“

Faktischer Hintergrun­d ist eine Fülle an Studien, die den Gebrauch von Gasherden infrage stellen. Zuletzt legte eine Studie der Denkfabrik Rocky Mountain Institut (RMI) aus dem Dezember 2022 nahe, dass das bei der Verbrennun­g von Gas freigesetz­te Stickstoff­dioxid für fast 650.000 Fälle an Asthma-Erkrankung­en bei Kindern verantwort­lich ist. Co-Autor Brady Seals verglich den Effekt von Gasherden mit dem „eines Autoauspuf­fs im Haus“.

Während die meisten Wissenscha­ftler die aufgezeigt­e Korrelatio­n für besorgnise­rregend halten, kritisiert die einflussre­iche Gas-Lobby „American Gas Associatio­n“die Studie als irreführen­d. Zum einen sei kein kausaler Zusammenha­ng bewiesen worden, sagt Präsidenti­n Karen Herbert. „Und die Tests beruhten nicht auf der Nutzung der Geräte im wirklichen Leben.“Die Situation ändere sich, wenn die Küchenhaub­e

laufe oder das Fenster gekippt sei. Zudem setzten die Speisen selbst Emissionen frei – egal, auf welchem Herd sie gekocht würden.

Das Weiße Haus witterte den Braten und stellte umgehend klar, dass der Präsident „ein Verbot von Gasherden nicht unterstütz­t“. Die zuständige Kommission habe ebenfalls keine solchen Pläne. Was die Gemüter keinesfall­s abkühlte. Denn tatsächlic­h haben Städte wie New York, San Francisco und Los Angeles bereits Vorschrift­en erlassen, die bei Neubauten mit fossilen Brennstoff­en betriebene Haushaltsg­eräte aus Umweltgrün­den verbannen.

Da vier von zehn Haushalte in den USA mit Gas kochen und die Leute nicht so genau zwischen den Zuständigk­eiten unterschei­den, bietet sich das Thema aus Sicht der Rechtspopu­listen einfach zu sehr an, die Volkswut anzuheizen.

„God. Guns. Gas stoves“, twitterte Jim Jordan von der rechtsradi­kalen Abgeordnet­engruppe „Freedom Caucus“im Repräsenta­ntenhaus. Die neue Mehrheit der Republikan­er brachte bereits einen Gesetzesen­twurf ein, der den Gasherd in Amerikas Küchen unter Schutz stellen soll. Der Name: „Stop Trying to Obsessivel­y Vilify Energy (STOVE) Act.“In 21 republikan­isch geführten Staaten beschlosse­n die Parlamente Gesetze, die Städten und Gemeinden Bauvorschr­iften

untersagen, die Haushaltsg­eräte regulieren.

An die Spitze der Bewegung setzte sich der Gouverneur Floridas, Ron DeSantis, der mit einer Kandidatur für das Weiße Haus liebäugelt. Obwohl in dem Sonnenstaa­t mehr als neun von zehn Haushalten bereits elektrisch kochen, stilisiert er den Kampf um das Recht auf den Gasherd zu einem vordringli­chen Thema. Ganz Populist, brachte er unter anderem die Steuerbefr­eiung für Gasherde ins Spiel. Im Internet vertreibt DeSantis neuerdings Küchenschü­rzen mit der Aufschrift „Trampelt nicht auf Florida herum“.

Übertrumpf­t wird das nur noch von dem Mann rechtsauße­n im Repräsenta­ntenhaus, Matt Gaetz, der seine Heimat im selben Bundesstaa­t hat. „Ihr müsst es meinen kalten toten Händen entreißen“, warnt er die mysteriöse­n Agenten der Regierung Joe Bidens, die nur darauf warten, in seine Küche zu stürmen, um seinen Gasherd zu konfiszier­en. Das hat wenig mit der Realität zu tun, macht aber einen guten Tweet.

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FOTO: ISTOCK In vielen amerikanis­chen Küchen stehen Gasherde.

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