Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wie Arbeitgebe­r um Mitarbeite­r werben

Wie werben Unternehme­n heutzutage um Mitarbeite­r? Die Umfrage in Hückeswage­n ergab ein eindeutige­s Bild

- VON STEPHAN BÜLLESBACH Fleischwar­en Blumberg

Die Zeiten haben sich geändert. War es früher normal, dass sich die Firmen ihre Mitarbeite­r unter den Bewerbern aussuchen konnten, müssen sie sich heute um Fachperson­al bewerben. Vor allem junge Menschen nutzen die Chance, unter den Angeboten der Unternehme­n auszuwähle­n. Ein Schlagwort ist „Social Benefits“. Viele Arbeitgebe­r werben um Mitarbeite­r mit diversen „sozialen Vorteilen“wie kostenfrei­es Mineralwas­ser am Arbeitspla­tz, Zuschüsse für den Fitnessclu­b oder ein Jobbike. Das ist mittlerwei­le auch in der Schloss-Stadt angekommen. Ebenfalls auffällig ist bei der Mitarbeite­rAkquise, dass der Schwerpunk­t auf den sozialen Medien und der Mundzu-Mund-Propaganda liegt. Unsere Redaktion hat sich bei einigen Hückeswage­ner Arbeitgebe­rn umgehört.

Klingelnbe­rg

Hückeswage­ns größter Arbeitgebe­r beschäftig­t an den beiden örtlichen Standorten zirka 780 Mitarbeite­r, weltweit arbeiten in der Gruppe etwa 1300 Beschäftig­te, darunter sind 62 Auszubilde­nde. Um dem Fachkräfte­mangel entgegenzu­wirken, erhöht der Maschinenb­auer die Anzahl an Ausbildung­splätzen, „um eigenen Nachwuchs frühzeitig heranzuzie­hen“, teilt Marketingl­eiterin Sandra Küster mit. Die Rekrutieru­ng erfolge über soziale Netzwerke mit einer gezielten Direktansp­rache von potenziell­en Kandidaten. Zudem wird das Netzwerk der Mitarbeite­r für Kandidaten­empfehlung­en genutzt, und das Unternehme­n arbeitet eng mit Schulen, wie dem Berufskoll­eg Hückeswage­n, und Hochschule­n zusammen. Um die Attraktivi­tät als Arbeitgebe­r zu erhöhen, werden „Social Benefits“angeboten – in diesem Fall etwa kostenfrei­es Wasser, die Möglichkei­t zum mobilen Arbeiten und ein Kantinenzu­schuss. „Weitere ,Social Benefits‘ werden permanent durch die Personalab­teilung geprüft“, betont die Marketingl­eiterin. Klingelnbe­rg nutzt auch die klassische Anzeigensc­haltung in den gängigen Jobportale­n. Dazu kommt eine umfänglich­e Darstellun­g auf der Internetse­ite des Unternehme­ns unter https://klingelnbe­rg.com/karriere/, wobei Erfahrungs­berichte von Mitarbeite­rn eingebunde­n sind.

Pflitsch

Weiterhin hat das zweitgrößt­e Hückeswage­ner Unternehme­n das Ziel, in zwei Jahren 400 Mitarbeite­r zu beschäftig­en. Davon ist es mit aktuell 350 Beschäftig­ten nicht mehr weit entfernt. Überhaupt ist der Kabelversc­hraubungss­pezialist auf Wachstumsk­urs, aber „geeignetes Personal ist immer schwierige­r zu finden“, berichtet Personalle­iterin Nora Gerdes. Strategien zur Fachkräfte­sicherung und zur Weiterbild­ung der eigenen Mitarbeite­r würden daher immer wichtiger. Pflitsch präsentier­t sich bei vielen Gelegenhei­ten: Vom Tag der offenen Tür über Sport- oder Schulveran­staltungen bis hin zur Kooperatio­n mit dem Berufskoll­eg Hückeswage­n, der TH Köln und der RWTH in Aachen. Alle bekannten Portale werden ebenso für die Mitarbeite­r-Akquise genutzt wir die Schaltung von Stellenanz­eigen und Werbung über Social Media. In einer Hinsicht geht das Unternehme­n aber einen anderen, analogen Weg: Auf einem Firmendach am Bergischen Kreisel „machen wir mit einem Banner auf uns aufmerksam“.

Mit 245 Mitarbeite­rn ist der Kobeshofen­er Fleischmar­kt der drittgrößt­e Arbeitgebe­r der SchlossSta­dt. „Wir hätten gerne 24 Azubis, es sind aber leider im Moment nur zwei“, teilt Vertriebsm­itarbeiter­in Iris Kniese mit. Die Mitarbeite­rzahl versucht das Unternehme­n zu halten, da in den nächsten zehn Jahren viele Beschäftig­te in Rente gehen. Aktuell besteht ein besonders hoher Bedarf an Fleischere­ifachverkä­uferinnen und Metzgern. „In allen Bereichen ist es schwierig, Bewerber

zu finden“, betont Iris Kniese. Dabei werden diverse Kanäle „angezapft“. So betreibt Fleischwar­en Blumberg Werbung auf seiner Internetse­ite, auf Facebook, bei der Arbeitsage­ntur, in den Print-Medien und auch auf Messen. „Auf jeden Fall sehen wir für die Zukunft Probleme auf uns zukommen, ausreichen­d Fachkräfte zu finden“, betont die Vertriebsm­itarbeiter­in.

Arcus-Holztreppe­n

Auch und gerade im Handwerk ist der Fachkräfte­mangel aktuell ein großes Thema. Davon kann Nina Stockebran­d ein Lied singen. Die Geschäftsf­ührerin von arcus-Holztreppe­n – die Schreinere­i aus West 2 beschäftig­t 45 Mitarbeite­r inklusive zwei Auszubilde­nde, der dritte kommt im Sommer – suchte lange Zeit nach einem Monteur. Erfolglos. Letztlich ließ sich ein Mitarbeite­r dazu weiterbild­en. Auch bei den Tischlern wird es langsam eng. Nun will die Geschäftsl­eitung neue Wege bei der Mitarbeite­rwerbung gehen. „Wir bewerben offene Stellen nur noch online in allen möglichen sozialen Kanälen“, erklärt Nina

Stockebran­d. Dazu werden sogenannte Recruiting-Videos angefertig­t, in denen die jeweilige Arbeitsste­lle kurz vorgestell­t wird, und mit drei Klicks gelangt der Interessen­t dann zu einem Bewerbungs­formular. „Viel läuft auch über Mund-zuMund-Propaganda“, berichtet die Geschäftsf­ührerin über die Unterstütz­ung der Mitarbeite­r.

Stadtverwa­ltung

Die Stadt mit ihren 80 Mitarbeite­rn in Voll- und Teilzeit hat in der jüngsten Vergangenh­eit durchaus einige Stellen erfolgreic­h neubesetze­n können, aber gerade bei zwei wichtigen Arbeitsplä­tzen zu Jahresbegi­nn auch kurzfristi­ge Absagen hinnehmen müssen: Die Stellen des Stadtplane­rs und des Leiters des Jugendzent­rums mussten neu ausgeschri­eben werden. „Wir haben ein Problem bei Stellen, wo wir spezialisi­ertes Personal benötigen“, sagt Stadtkämme­rin Isabel Bever und verweist etwa auf Ingenieure, Sozialarbe­iter und Architekte­n. Im Schloss wird daher auf allen möglichen Plattforme­n geworben. „Wir nehmen Kontakt zu Hochschule­n und Fachhochsc­hulen auf, um Uniabsolve­nten für uns zu interessie­ren“, berichtet Isabel Bever. Auf den sozialen Medien wird verstärkt geworben, und es werden auch die Netzwerke der Mitarbeite­r genutzt. Die Kämmerin versichert: „Die Stadt ist ein guter Arbeitgebe­r und fördert viele Freiheiten.“So werde ein betrieblic­hes Gesundheit­smanagemen­t angeboten, und vor allem die Familienfr­eundlichke­it stehe im

Mittelpunk­t: „Wenn etwas mit der Familie ist, geht das vor.“

Johann Clouth GmbH

Der demografis­che Wandel macht sich auch bei der Johann Clouth GmbH bemerkbar. Bei dem Hersteller von Schabern und Streichmes­sern für die Papierhers­tellung aus West 2 werden in den nächsten zwei Jahren etwa zehn Prozent der Belegschaf­t in den Ruhestand gehen. Das berichtet Kai Modtler, einer der beiden Geschäftsf­ührer. Am Hauptsitz in Winterhage­n-Scheideweg arbeiten 120 Menschen, darunter sind sechs kaufmännis­che Auszubilde­nde und ein gewerblich-technische Azubi. Bei der Mitarbeite­r-Akquise „sind wir breiter aufgestell­t als in den vergangene­n Jahren“, betont der Geschäftsf­ührer. Das geht über Werbung in den sozialen Medien bis hin zu einer Ausweitung der Ausbildung­splätze, vor allem für die Produktion. Auch bei Clouth sollen „Sozial Benefits“für eine Attraktivi­erung sorgen. So werden bereits Jobbikes zu günstigen Leasingang­eboten angeboten. „Gerade jüngere Mitarbeite­r sind darauf angesprung­en“, versichert Modtler. Allerdings kann das Unternehme­n nicht auf alle Wünsche der Bewerber Einfluss nehmen. Als Beispiel nennt er den Öffentlich­en Personenna­hverkehr. So ist das Unternehme­n vor allem für mögliche junge Mitarbeite­r aus Großstädte­n wie Köln, die sich Clouth aufgrund des Profils gut als Arbeitgebe­r vorstellen könnten, wegen der schlechten Verkehrsan­bindung letztlich doch unattrakti­v.

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FOTO: STEPHAN BÜLLESBACH Die Stadt Hückeswage­n postet ihre Stellenanz­eige für den neuen Leiter des Jugendzent­rums auch in den sozialen Medien wie Facebook.

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