Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Drogenhand­el – 30-Jähriger bekommt Bewährungs­strafe

- VON BRIGITTE NEUSCHÄFER

Was muss passieren, damit ein Mann, der in einem gutbürgerl­ichen Elternhaus aufgewachs­en ist, nach der Schule, einer abgeschlos­senen Ausbildung und Jahren im Beruf sowie ohne größere Lebenskris­en mit Ende 20 scheinbar plötzlich aus der Bahn gerät? Diese Frage stellte sich jetzt in einem Strafverfa­hren vor dem Amtsgerich­t in Wipperfürt­h. Angeklagt war ein bis dahin nicht vorbestraf­ter 30-jähriger Facharbeit­er aus Radevormwa­ld. Die Anklage legte ihm gewerbsmäß­igen Handel mit Drogen in nicht unerheblic­hen Mengen zur Last. In der juristisch­en Einordnung ist dies ein Verbrechen.

Für den Radevormwa­lder hatte seine persönlich­e Krise offenbar damit begonnen, dass er im Herbst 2021 erst seinen Arbeitspla­tz und in der Folge zunehmend die Kontrolle über sein Leben verlor. Bei einer Hausdurchs­uchung im Januar 2022 fanden Polizeibea­mte in seiner verwahrlos­ten Wohnung rund 270 Gramm Cannabis und fast 170 Gramm Amphetamin­e, verstaut in Einmachglä­sern, Gefrierbeu­teln und Überraschu­ngseiern. Neben den Drogen und Zubehör stellten sie eine Luftdruckw­affe sicher, ein Handy und 1900 Euro in einer Cola-Dose, da unterstell­t wurde, dass das Geld aus Drogengesc­häften stammte. Die Mengen an Cannabis und Amphetamin­en lagen deutlich über der vom Gesetzgebe­r festgelegt­en Untergrenz­e für die „nicht unerheblic­he Menge“an Drogen, die den Verbrechen­statbestan­d mit begründet. Der Angeklagte leugnete den Handel mit Drogen nicht – wohl aber die Absicht, diesen Handel gewerbsmäß­ig und mit dem Ziel, damit Geld zu verdienen, betrieben zu haben. Das Arbeitslos­engeld habe nicht ausgereich­t, um seinen eigenen Cannabis-Konsum zu bezahlen, deshalb habe er Drogen an andere weitergege­ben, um so den Eigenkonsu­m zu finanziere­n. „Die großen Mengen musste ich nehmen, um überhaupt etwas zu bekommen.“Amphetamin­e habe er selbst nicht konsumiert, „sondern für Freunde mitgenomme­n, um denen einen Gefallen zu tun“.

Im Ermittlung­sverfahren war nicht geklärt worden, in welchem Ausmaß der Angeklagte tatsächlic­h mit Betäubungs­mitteln gehandelt hatte. Deswegen war seine Aussage, nur zur Deckung des Eigenbedar­fs gedealt zu haben, letztlich auch nicht zu widerlegen. An den Tatvorwürf­en des Besitzes der Drogen und des Handels damit in nicht geringer Menge änderte das aber nichts. Dafür liegt der gesetzlich­e Strafrahme­n bei 12 Monaten bis 15 Jahren Freiheitss­trafe.

Das Schöffenge­richt beließ es bei einem Jahr Freiheitss­trafe auf Bewährung. Zu den Bewährungs­auflagen gehört eine Zahlung von 2000

Euro an die Freiwillig­e Feuerwehr in Lindlar. Außerdem muss der Rader Kontakt zur Suchtberat­ung aufnehmen. Er wird einem Bewährungs­helfer unterstell­t. Die seinerzeit sichergest­ellten 1900 Euro bekommt der 30-Jährige zurück, da nicht zweifelsfr­ei zu beweisen war, dass das Geld aus Drogengesc­häften stammte. Der Angeklagte selbst hatte behauptet, die Summe über lange Zeit für einen Fallschirm­springer-Kursus angespart zu haben. Sehr plausibel erschien das nicht angesichts seiner finanziell­en Lage als Arbeitslos­er und Drogenkons­ument, zu widerlegen war aber auch das nicht. Kommentar des Richters: „Wir müssen nicht von dem überzeugt sein, was Sie uns hier erzählen, aber wir können in diesem Fall auch nicht beweisen, dass es falsch ist.“

Ausschlagg­ebend für das sehr milde Urteil war auch, dass der Mann nicht vorbestraf­t ist und sein Leben offenbar wieder im Griff hat. Er konsumiere keine Drogen mehr und arbeite wieder im erlernten Beruf, hatte er in der Hauptverha­ndlung betont. Das griff der Richter in der Urteilsbeg­ründung auf: „Wir gehen davon aus, dass Sie diese üble Lebensphas­e überwunden haben.“

Verärgert reagierte der allerdings auf den Hinweis des Verteidige­rs, dass der 30-Jährige ja „nur“mit weichen Drogen zu tun gehabt habe: „Es fällt mir schwer, die allgemeine Verharmlos­ung von Cannabis gelassen zu nehmen – die Jugendpsyc­hiatrie in der Fachklinik Marienheid­e ist randvoll mit jungen Menschen, die Cannabis schwer krank gemacht hat.“

„Wir gehen davon aus, dass Sie diese üble Lebensphas­e überwunden haben“Vorsitzend­er Richter in der Urteilsbeg­ründung

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