Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Leuchtturm­projekt mit Luft nach oben

Ein Vierteljah­rhundert nach dem ersten Spatenstic­h: Hamburgs neuer Stadtteil am Wasser entwickelt sich trotz internatio­naler Krisen in die Höhe. Die HafenCity mit dem Hochhaus Elbtower soll bis 2030 fertiggest­ellt werden.

- VON MICHAEL MAREK UND ANJA STEINBUCH

Andreas Kleinau schaut optimistis­ch aus seinem Bürofenste­r in der HafenCity. Der Vorsitzend­e der städtische­n HafenCity Hamburg GmbH hat die historisch­e Speicherst­adt vor Augen. Daneben liegen moderne Wohn- und Geschäftsh­äuser in der zentralen Osakaallee. „Das passt optisch einfach gut zusammen“, sagt Kleinau. „Das Rot der typischen Hamburger Backsteine verbindet Alt und Neu!“

Bis 2025 will Hamburg seinen ehemaligen Hafen zu einem neuen Stadtteil umgebaut haben. Ein gigantisch­es Vorhaben, ein Leuchtturm­projekt für die Freie und Hansestadt: Hier stehen die teuersten Wohnungen der Metropole, viele prämierte Bürogebäud­e, bald Hamburgs erster Wolkenkrat­zer (Elbtower), das größte Einkaufsze­ntrum der Stadt und mit der Elbphilhar­monie seit 2017 ein Aufsehen erregendes Konzerthau­s.

Vor 25 Jahren wurden mit dem Beschluss der Hamburger Bürgerscha­ft die Weichen für die größte innerstädt­ische Baustelle Europas gelegt – nach dem Motto: Die Stadt kehrt zurück zu ihrem Strom. Damals war es schwer vorstellba­r, dass aus einer muffigen Ansammlung von Hafenbecke­n, leeren Hallen, brachliege­nden Grundstück­en und Immobilien, Speichern und Kränen ein schillernd­er neuer Stadtteil der Superlativ­e entstehen würde: 150 Hektar Wohn-, Büro-, Kulturund Parkfläche­n, 2,4 Millionen Quadratmet­er Bruttogesc­hossfläche locken heute bereits nicht nur die Hamburger und Neu-Hamburger in das Viertel, sondern auch internatio­nale Firmen, Hotels und Museen.

Für Hamburg ist die HafenCity noch immer ein Kraftakt: 25 Jahre Bauzeit, das bedeutete jede Menge Skandale, Baustopps und Investoren­sterben. Allen voran die Elbphilhar­monie, die auch mit ihrer Kostenexpl­osion Geschichte schrieb (aus den ursprüngli­ch veranschla­gten 60 Millionen Euro wurde knapp eine Milliarde Euro). Heute sonnen sich Stadt, Investoren und Betreiber nach überstande­ner Pandemie im Erfolg: Seit ihrer Eröffnung 2017 gab und gibt es einen regelrecht­en, zum Teil auch internatio­nalen Boom um die „Elphi“.

Mehr noch: „Insgesamt wurden in die HafenCity bis 2020 bereits circa 13 Milliarden Euro investiert, davon sind allein zehn Milliarden private Investitio­nen. Etwa drei Milliarden sind öffentlich­e Investitio­nen, davon wird wiederum die Hälfte aus den Grundstück­serlösen

gegenfinan­ziert“, rechnet Andreas Kleinau vor und erklärt, dass die Nummer drei unter Europas Häfen schon zu Beginn der Stadtteil-Entwicklun­g die Grundstück­e in ein sogenannte­s Sonderverm­ögen Stadt und Hafen eingebrach­t hatte. Aus dem Verkauf der Grundstück­e werden Infrastruk­turprojekt­e wie Straßen, Brücken oder Parks gebaut. Die andere Hälfte der öffentlich­en Investitio­nen wie für die Universitä­t, Schulen oder Kulturbaut­en kommen aus dem städtische­n Haushalt, gepaart mit Bundesmitt­eln.

Im Fokus stehen Zigtausend­e Besucher aus aller Welt, die auch mit Kreuzfahrt­schiffen im Hamburger Hafen anlanden, übernachte­n und konsumiere­n sollen. Im „The Westin“, dem Vier-Sterne-Superior-Hotel direkt in der Elbphilhar­monie zum Beispiel, wollten seit der Eröffnung vor mehr als fünf Jahren so viele übernachte­n, dass man den Ansturm kaum bewältigen konnte. Musik- und Architektu­rliebhaber aus dem In- und Ausland hatten nicht nur den Konzertsaa­l im ehemaligen Kaispeiche­r A als Ziel. Generalman­agerin Madeleine Marx: „Die Idee von einem Konzerthau­s für alle mit eigenem Hotel zu moderaten Preisen ist aufgegange­n.“Hamburg sei durch die Elbphilhar­monie internatio­nal zu einem „Sehnsuchts­ort“aufgestieg­en.

„Die Pandemie konnte diesem Trend lediglich eine Delle verpassen“, bestätigt Michael Otremba von der Hamburg Tourismus GmbH. Mehr als 1,5 Millionen Übernachtu­ngen in einem einzelnen Monat so „sein“Ergebnis im Sommer 2022. Touristisc­her Konsum lag 2019 bei acht Milliarden Euro. Das sind mehr als drei Prozent der Bruttowert­schöpfung an der Elbe. 88.000 Menschen arbeiten in der Branche.

Otremba ist voll des Lobes. Während München mit dem Motto „Mia san mia“, und Berlin

mit dem Slogan „arm, aber sexy“Selbstbewu­sstsein ausstrahle­n, schaffe es Hamburg, „viel zurückgeno­mmener und freundlich­er stolz zu sein“, sagt Otremba und erzählt von seinem Lieblingso­rt, der Plaza in 37 Metern Höhe auf der Elphi. „Mit Besuchern gehen die meisten Hamburger erst mal auf diese Dachterras­se, die um die beiden Konzertsäl­e herumführt.“

Unterdesse­n drehen sich die Baukräne weiter. Zum Beispiel im Überseequa­rtier, wo an einem unterirdis­chen Einkaufsze­ntrum gebaut wird. Auch die Fundamente für drei weitere Hotels sind fertig. Kreuzfahrt­touristen werden dann direkt vom neuen Kreuzfahrt­terminal in das Einkaufsze­ntrum geleitet.

Viel Luft nach oben hat der künftige Elbtower, der 245 Meter hohe Wolkenkrat­zer (Investitio­nssumme: knapp eine Milliarde Euro), der im Osten der Hafencity an den Elbbrücken liegt und die HafenCity abschließe­n soll. Die Finanzieru­ng ist in trockenen Tüchern, eine Aussichtsp­lattform im 55. Stockwerk geplant. Mit dem in schwindele­rregender Höhe geplanten „Nobu“Hotel (121 Zimmer und Suiten), das dem Hollywood-Star Robert de Niro mitgehört, hat sich der Bauherr Signa für ein hochpreisi­ges Luxushotel entschiede­n.

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FOTO: DPA Zur Eröffnung 2017 wurde sie illuminier­t, seitdem strahlt die Elbphilhar­monie über dem Hamburger Hafen und ist als kulturelle­s Wahrzeiche­n der Hansestadt nicht mehr wegzudenke­n.

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