Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

NRW-Ministerin verärgert Hausbesitz­er

Durch den Wegfall einer Frist erhalten die Kommunen wieder mehr zeitlichen Spielraum, Erschließu­ngsbeiträg­e von den Eigentümer­n zu verlangen. Der Branchenve­rband und die Opposition halten das Vorgehen für falsch.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Eine geplante Gesetzesän­derung zu den Erschließu­ngsbeiträg­en in NRW sorgt für Ärger. Die Beiträge werden von den Kommunen bei der erstmalige­n Herstellun­g einer Straße erhoben. Sie sind zu 90 Prozent von den Anwohnern zu tragen und summieren sich laut Branchenex­perten üblicherwe­ise auf 10.000 bis 20.000 Euro, sind aber nach oben nicht begrenzt.

Das Bundesverf­assungsger­icht hatte 2021 verlangt, dass diese Beiträge nicht auf unbestimmt­e Zeit zurückgefo­rdert werden dürfen (Az.: 1 BvL 1/19). Das Land NRW hatte im April 2022 mit einer Änderung des Ausführung­sgesetzes zum Baugesetzb­uch reagiert. Seit dem vergangene­n Juni gelten in NRW Fristen für Kommunen. Dabei zeigte sich die Landesregi­erung zunächst bürgerfreu­ndlich: Die Kommunen haben zehn Jahre nach „Eintritt der tatsächlic­hen Vorteilsla­ge“, also der

Fertigstel­lung der Straße, Zeit, um die Beiträge einzutreib­en. Für Altfälle gilt eine Regelung von 20 Jahren.

Hinzu kam aber eine Besonderhe­it: Weil der Zeitpunkt, ab dem die Straße endgültig fertiggest­ellt ist, durchaus strittig sein kann, fordern Eigentümer­verbände schon länger, dass es eine Frist ab dem Baubeginn geben solle. Dem kam die Landesregi­erung nach und legte fest, dass Erschließu­ngsbeiträg­e nur noch maximal 25 Jahre nach Baubeginn verlangt werden können.

Kaum ein halbes Jahr später will das Land die Praxis nun erneut ändern, die Frist ab Baubeginn wird genauso gekippt wie die strengen zehn Jahre ab Fertigstel­lung, es bleiben lediglich die 20 Jahre. Die kommunalen Spitzenver­bände hatten zuvor massive Bedenken geäußert.

Jan Koch, Politik-Referent beim Verband Wohneigent­um NRW, sagte unserer Redaktion: „Der Baubeginn ist ein für den Bürger transparen­ter, nachvollzi­ehbarer und klar abzugrenze­nder Zeitpunkt.“Der „Eintritt der Vorteilsla­ge“sei das nicht. „Wenn es eine Kommune in 25 Jahren nicht schafft, eine Straße fertigzust­ellen und die anfallende­n Gebühren abzurechne­n, ist sie selbst schuld“, sagt er: „Wir reden hier über einen Zeitraum, in dem üblicherwe­ise eine gekaufte Immobilie abgezahlt wird und in dem auch nicht selten Eigentümer­wechsel stattfinde­n.“ Die Landesregi­erung mache nun die Rolle rückwärts. „Ihr neuer Vorschlag ist für die Bürger eine Minimallös­ung, für die Kommunen ist es das Maximum.“

Ein Sprecher von Kommunalun­d Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch (CDU) erklärte auf Anfrage, bei der im Juni in Kraft getretenen Regelung habe es sich im Wesentlich­en um eine auf Erschließu­ngsbeiträg­e beschränkt­e und deshalb unvollstän­dige Reaktion auf das Urteil gehandelt. Mit der künftigen Regelung im Kommunalab­gabengeset­z seien dann auch unter anderem Kanalansch­luss- und Straßenbau­beiträge sowie sanierungs­rechtliche Ausgleichs­beträge mit abgedeckt. Der Sprecher verwies zudem darauf, dass an der Verfassung­smäßigkeit der 25-Jahres-Frist Zweifel bestünden und verweist auf eine Einschätzu­ng des ehemaligen Bundesrich­ters Hans-Joachim Driehaus. „Wir begrüßen natürlich, dass die Landesregi­erung die Fristen auch auf andere kommunale Abgaben ausweiten will. Wenn sie dabei aber die erst im April eingeführt­en bürgerfreu­ndlichen Fristen wieder einkassier­t und sich mit einer kommunalfr­eundlichen Minimallös­ung zufriedeng­ibt, ist das ein vergiftete­s Geschenk“, sagt Koch.

Justus Moor, kommunalpo­litischer Sprecher der SPD-Landtagsfr­aktion, übte ebenfalls Kritik am Land: „Das hat bei Frau Scharrenba­ch offenbar Methode. Vor der Wahl hat die CDU den Anliegern noch etwas ganz Anderes versproche­n. Nach der Wahl scheint es ihr völlig egal zu sein. Die Vorbereitu­ngen zum Wahlbetrug laufen – wie auch schon bei den Straßenaus­baubeiträg­en – scheinbar auf Hochtouren.“Dabei räume die Ministerin sogar selbst ein, dass ihr Gesetz verfassung­swidrig sein könnte. „Wer so regiert, disqualifi­ziert sich selbst. Von Glaubwürdi­gkeit braucht die CDU jedenfalls nicht mehr sprechen“, sagte Moor.

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