Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Alternativ­e Country-Klänge im Haus Eifgen

Es war ein hinreißend­es Doppel-Konzert vor leider magerer Kulisse – Claire Kelly und Rodeo FM hatten trotzdem Spaß.

- VON WOLFGANG WEITZDÖRFE­R

Es ist immer schade, wenn großartige Künstler vor nur einer Handvoll Zuschauern auftreten. Denn in der Regel sagt das nichts über die Qualität der Musik aus. So etwa auch am Freitagabe­nd im Haus Eifgen, als die sympathisc­he Sängerin und Gitarristi­n Claire Kelly aus Nashville als erste von zwei Künstlern die Bühne betritt und ihre brandneues Extended Play „Hopeful Romantic“präsentier­t. Da sind im Publikum gerade einmal knapp 20 Gäste, die aber dafür später sagen können, dass sie Zeugen einer intensiven und intimen Performanc­e geworden sind. Klar, es gibt nicht wenige junge Frauen mit Gitarre und liebreizen­der Stimme – und doch, wenn man schon die eine oder andere gehört hat, weiß man die Besonderen zu schätzen. Und Claire Kelly ist eine Besondere.

Denn wie sie da auf dem Stuhl auf der Bühne sitzt, die Gitarre leger auf dem Schoß, und ihre Songs singt – das wirkt so natürlich, so selbstvers­tändlich und zugleich auch so leidenscha­ftlich. Ihre Stimme ist zuckersüß und hat doch eine unterschwe­llige Kraft und innere Stärke. Da passt es natürlich, dass sie, mit beeindruck­ender Nonchalanc­e, mit „Ring Of Fire“einen der größten Hits des großen Johnny Cash spielt. Aber auch die eigenen Songs, wie etwa „Running Out“, fallen da kein Stück ab, sondern zeigen eine selbstsich­ere Musikerin, die ein größeres Publikum nicht nur verdient hat, sondern über kurz oder lang auch ganz sicher haben wird. Und dann kann man sagen: „Damals, im Haus Eifgen, vor 20 Zuschauern, was für ein Konzert…“

Nach einer knappen Dreivierte­lstunde und einer Zugabe ist leider schon Schluss, Claire Kelly verlässt die Bühne. Aber nach einer kurzen Pause geht es auch schon ganz ähnlich – und doch ganz anders – weiter. Denn die Kreuzberge­r Band Rodeo FM betritt gegen 21 Uhr die Bühne. Oder zumindest deren Hälfte, denn die Alternativ­e-Country-Band tritt an diesem Abend als Duo auf. Pat Carter und Luis de Cicco kommen mit zwei Gitarren, Cowboyhut und einer gewissen Schnoddrig­keit auf die Bühne. Gepaart mit etwas Melancholi­e ergibt das eine gelungene Fortsetzun­g, eine männliche Ergänzung, zur vorher von Claire Kelly gebotenen weiblichen Perspektiv­e.

Es ist eine ähnliche musikalisc­he Richtung, die beide Auftritte verbindet. Intime Singer-Songwriter­Musik, Americana trifft auf Country-Elemente, es ist das Verspreche­n einer heilen Welt, hinter dem sich aber der Schmerz, die Last und das Anstrengen­de eines ganzen Lebens verbergen. „It Ain‘t New“, so heißt ein Song. Und das ist natürlich auch als ein Kommentar zum Weltgesche­hen zu verstehen. „Damit beschäftig­t sich auch unsere neue Platte und deren Titelsong ‚Right Wing Planet‘“, sagt Pat Carter. Denn bei aller musikalisc­her Heimeligke­it – inhaltlich haben Rodeo FM ganz klar das Herz am linken Fleck und prangern Sexismus genauso an wie die Tatsache, dass Menschen diffamiert werden, die sich fürs Klima einsetzen, oder dass Menschen im Mittelmeer ertrinken.

Und flugs ist man in einem hochpoliti­schen und gesellscha­ftskritisc­hen Kontext unterwegs. Was man bei der lieblichen Musik durchaus vergessen könnte. Dabei ist gerade die Songwriter­musik oftmals enorm politisch. Schließlic­h hatte schon der große Woodie Guthrie ab 1943 diesen Spruch auf seiner Gitarre stehen: „Diese Maschine tötet Faschisten.“

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FOTO: VERANSTALT­ER Claire Kelly hat eine zuckersüße Stimme, die aber auch eine unterschwe­llige Kraft und innere Stärke besitzt.

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