Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

Wenn sich Nachbarn treffen

Zum bundesweit­en „Tag des Nachbarn“ließ der Bürgervere­in für die Wupperorte eine alte Radevormwa­lder Tradition wieder aufleben. Der Tauzieh-Wettbewerb weckte freudige Erinnerung­en und neue Ambitionen.

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA

Unruhig und voller Aufregung tippeln die Kinder zur Wiese zwischen dem neuen Bürgerzent­rum Wupper und der alten Keilbecker Kirche. Sie stecken die Köpfe zusammen, grübeln und taktieren. Nach kurzer Zeit stehen die Teams fest. Sie tragen fantasievo­lle Namen wie „Blue“und „Erdbeere“und wollen sich duellieren, beim Tauziehen ihre Kräfte messen. Die Regeln sind schnell erklärt: Wer es schafft, das kleine rote Fähnchen, das in der Mitte des Taus befestigt ist, auf seine Seite zu ziehen, gewinnt einen Punkt. Sigrid AugstHedde­rich hebt die Hand. „An das Tau“, ruft die stellvertr­etende Bürgermeis­terin und Kampfricht­erin aus. Die Kinder bücken sich zum Tau hinunter. „Auf das Tau“, ruft AugstHedde­rich bestimmt. Die Kinder ziehen das Tau zu sich bis an die Hüfte, rammen ihre Füße in den Boden. „Ziehen!“Die Kinder verlagern ihr gesamtes Gewicht nach hinten, ziehen mit verzerrten Gesichtern an dem dicken Seil. Eltern und Zaungäste feuern die Minis an. Dann hebt die Kampfricht­erin die Arme. Das Fähnchen ist klar auf einer Seite der Mittellini­e. Sie vergibt den Punkt. „Ihr müsst euch richtig nach hinten lehnen“, ruft eine motivierte Mutter ihrem Nachwuchs zu.

Zeitgleich stehen fünf Frauen in ähnlichem Outfit am Wiesenrand und schauen sich das Spektakel amüsiert an. Es sind Mitarbeite­rinnen der Wupperprax­is, die sich hier zum gemeinsame­n Tauziehen angemeldet haben. Sonja Riese, Ehefrau von Marcus Riese – Vorsitzend­er des Bürgervere­ins Wupperorte und damit Ausrichter des Festes – hatte ihre Kolleginne­n dazu angestifte­t, bei dieser Aktion mitzumache­n. Und alle scheinen zu diesem Zeitpunkt Feuer und Flamme für den Wettbewerb zu sein. „Ich kenn den Tauzieh-Wettbewerb noch von früher, da habe ich immer beim Bergfest zugeguckt“, erzählt Sonja Riese amüsiert. Selbst mitgemacht habe sie aber noch nie. Als Mitglied im Team „Praxismäde­ls Wupperort“würde sie nun erstmalig teilnehmen. „Uns geht es einfach um den Spaß an der Sache“, meint Melanie Wüster während sich Tina Braczko schon lange vor ihrem Einsatz schon siegessich­er gibt: „Im nächsten Jahr kommen wir dann, um unseren Titel zu verteidige­n“, sagt sie lachend.

Sandra Sagik hadert zu diesem Zeitpunkt noch mit sich. Auch sie verbindet mit dem Tauziehen viele Kindheitse­rinnerunge­n, erzählt sie. In Ronsdorf geboren und aufgewachs­en, habe sie bei verschiede­nen Festen und auf der Kirmes immer wieder beim Tauziehen mitgemacht. „Das war immer ein riesengroß­er Spaß. Wir haben uns immer richtig langgelegt und trotzdem war es super.“Ob sich die mittlerwei­le in den Wupperorte­n beheimatet­e Sagik beim Nachbarsch­aftsfest auf den Wettbewerb einlassen würde? In den Fingern scheint es ihr bereits zu kribbeln. Sie muss nur noch ihre Freundinne­n von einer Teilnahme überzeugen.

Für Marcus Riese und Sigrid Augst-Hedderich war es der Versuch, bei ihrem allererste­n Nachbarsch­aftsfest eine beliebte Tradition in der Stadt nach über 30 Jahren wieder

aufleben zu lassen. „Früher hat ganz Rade auf dem Bergfest beim Tauziehen mitgemacht“, erinnert sich Riese. „Da traten dann Wülfing gegen Sparkasse an, die Einzelhänd­ler gegen die Sportverei­ne. Das war ein Riesenspek­takel.“Das soll es auch in Zukunft wieder werden.

Nachdem der ehemalige Quartiersm­anager David Truszczyns­ki den bundesweit­en Tag der Nachbarsch­aft immer wieder mit kleinen Aktionen zelebriert­e, hat nun der Bürgervere­in den Staffelsta­b übernommen und den ersten Auftakt gewagt. Erfolgreic­h, wie sich zeigt. Viele Besucher wohnten der Veranstalt­ung bei, kamen bei Grillwurst und Bier ins Gespräch und einige auch über den sportliche­n Wettkampf in Kontakt. „Ich finde das eine ganz tolle Veranstalt­ung, auch um neue Leute kennenzule­rnen“, urteilt Sagik. Sie wohnt seit sieben Jahren an der Wupper und kennt längst noch nicht alle Nachbarn. Das Nachbarsch­aftsfest also eine gute Gelegenhei­t, um alte Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen.

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FOTO: MOLL Im Mittelpunk­t des Tages stand ein Tauziehwet­tbewerb. Hier kämpft die „Eichhornba­nde“gegen das Team „Blue“(hinten im Bild).

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