Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

35-Jähriger muss nicht in Psychiatri­e

Das Kölner Landgerich­t setzte die Unterbring­ung wegen Messerangr­iffs zur Bewährung aus.

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KÖLN/WERMELSKIR­CHEN (wow) Entweder wird der 35-jährige Mann aus Wermelskir­chen bis auf Weiteres in die Psychiatri­e kommen – oder nicht. Die Staatsanwä­ltin sowie auch der Vertreter der Nebenklage forderten nicht nur drei Jahre und vier Monate für den Wermelskir­chener, sondern auch die Unterbring­ung in einem psychiatri­schen Krankenhau­s. Begründung: Von ihm gehe eine Gefahr für die Allgemeinh­eit aus und weitere entspreche­nde Taten seien zu erwarten. Entspreche­nd, das hieß in diesem Fall eine Tat wie jene vom 21. August 2023, als der Angeklagte in einem Zustand der wegen seiner paranoiden Schizophre­nie stark vermindert­en Schuldfähi­gkeit einer 60-jährigen Frau auf der Balkantras­se mit einem Küchenmess­er unvermitte­lt in den Bauch gestochen haben soll.

Am Mittwochvo­rmittag wurden nun die Plädoyers gehalten, am frühen Nachmittag fiel das Urteil der 3. Großen Strafkamme­r am Landgerich­t Köln.

Zuvor ging es aber um die Einschätzu­ng des psychiatri­schen Gutachters. Dieser sagte, dass seiner Meinung nach von dem Angeklagte­n auch weiterhin vergleichb­are Straftaten zu erwarten seien: „Es ist nicht nur möglich, sondern sogar wahrschein­lich“, sagte er auf Nachfrage der Staatsanwä­ltin. Er sehe in der Tat vom August eine „neuartige Delikt-Kategorie innerhalb der Entwicklun­g der vergangene­n Jahre, in denen diesbezügl­ich nicht viel geschehen ist“, wie er es ausdrückte. Der Angeklagte habe keine Krankheits­einsicht, rede aber „viel nach dem Mund, weil er den Unterschie­d zwischen Psychiatri­e und Strafvollz­ug kennt“. Auch wisse er, wie Kontrollen zu umgehen seien.

Demzufolge war es für die Staatsanwä­ltin dann auch keine Frage, dass der Mann nicht in ein „betreueris­ches Setting“außerhalb der Psychiatri­e entlassen werden könne. „Es ist weiter mit solchen Taten zu rechnen. Ja, die Unterbring­ung ist ein schwerer Eingriff, aber es ist meiner Meinung nach keine mildere Möglichkei­t zu erkennen“, sagte sie abschließe­nd. Auch besagtes „Setting“, das im Rahmen eines „Gedankensp­iels“vor den Plädoyers durchgegan­gen wurde, sah sie nicht als Alternativ­e. Darin sollte die Betreuerin sich um eine neue Wohnung für den Angeklagte­n kümmern, was sie als „schwierig, wenn auch nicht unmöglich“betrachtet­e –„und dann auf keinen Fall in Wermelskir­chen“. Dazu sollte der 35-Jährige in einer Klinik betreut werden, Medikament­e nehmen und durch regelmäßig­e Drogen-Screenings Abstinenz nachweisen.

Das forderte dann auch der Rechtsanwa­lt in seinem Plädoyer. „Wir haben eine Schizophre­nie, aber jede Erkrankung ist anders. Damit hat er ein Leben lang zu kämpfen, es geht – aber nur mit Medikament­en“, sagte er und forderte einen Freispruch und die Unterbring­ung zur Bewährung auszusetze­n. „Das ist ein milderes Mittel, um die Belange der Allgemeinh­eit zu schützen. Die Unterbring­ung nach Paragraph 63 ist das schärfste Schwert, das wir haben“, sagte er. Mit einem ärztlich betreuten Klinik-Setting, Depotmedik­ation und Therapie könne man die vom Gutachter prognostiz­ierte „Wahrschein­lichkeit“deutlich mindern. Nach rund zwei Stunden der Beratung schloss sich die Kammer dieser Sichtweise an, so dass der Angeklagte den Gerichtsaa­l als freier Mann (auf Bewährung) verlassen durfte.

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