Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald
Kinder lernen vom Zauber-Profi
Hokus, Pokus, Fidibus: Zum ersten Mal bietet die „Junge VHS“Kindern und Jugendlichen einen Zauberkursus an. Die Teilnehmer werden in die großen Geheimnisse der Magie eingeweiht – und versprechen, zu schweigen. Ein Besuch.
WERMELSKIRCHEN Drei orange Seile liegen auf dem Tisch. „Sie sind unterschiedlich lang“, erklärt Oskar und präsentiert die drei Exemplare. Dann beginnt der Zehnjährige die Seile über seine Finger zu legen – er zieht hier, ruckelt dort, ordnet noch schnell. Dann blickt er seine Zuschauer an, spricht einen kurzen Zaubervers und verkündet: „Jetzt sind sie gleich lang.“
Er hält die drei Seile vor die Nase seiner Zuschauer, die das Kunststück mit großen Augen verfolgen. „Es ist genau dieser Moment, von dem wir Zauberer leben“, sagt ChefMagier Dag Kleffmann, „wenn in den Gesichtern der Zuschauer das Staunen zu sehen ist.“Auch Oskar genießt den Moment einen Augenblick – zumal er für den Zehnjährigen noch ganz frisch ist.
Vor einer Woche ist er in der „JungenVHS“zum ersten Mal Dag Kleffmann begegnet. Der Vorsitzende des „Magischen Zirkels“in Wuppertal und des Zaubersalons bietet zum ersten Mal einen Zauberworkshop für Kinder und Jugendliche an. Oskar und sein Kumpel Benno haben sich angemeldet. „Wir haben Zuhause schon mal Fingertricks oder Kartentricks ausprobiert“, erzählen die Jungs. Jetzt wollten sie es genau wissen.
„Sator arepo tenet opera rotas“
Vier Einheiten haben Dag Kleffmann und die VHS für den Zauberkursus angesetzt. Und schon beim zweiten Termin sind die Kinder tief in die geheime Welt der Magier eingetaucht. Dazu gehört auch der Zauberspruch der echten Magier: „Sator arepo tenet opera rotas“. Die Kinder blicken mit großen Augen zu dem Zaubermeister. „Sag‘ nochmal“, fordert Juri ihn auf. Und Dag Kleffmann wiederholt denVers – während die Kinder leise mitsprechen. Der Zauberlehrer schreibt die Worte an die Tafel und verkündet dann: „Egal, in welche Richtung die Wörter gelesen werden, sie ergeben immer den gleichen Satz.“Die Zauberlehrlinge versuchen es selbst und lesen die Wörter probehalber rückwärts. Jetzt ist den Kindern selber das Staunen ins Gesicht geschrieben.
Benno hat unterdessen eine rote Schaumstoffkugel aus einem Kästchen geholt. Nun ist wieder der Zuschauer gefragt: Kaum hat Benno ihm die Kugel in die Hand gedrückt und einen Zauberspruch darüber gesprochen, öffnet sich die Hand und drei rote Schaumstoffkugeln purzeln über den Tisch. Benno grinst zufrieden über die zauberhafte Kugelvermehrung. Den fragenden Blick beantwortet er mit einem Schulterzucken. „Die Geheimnisse werden nicht verraten. Das ist Ehrensache“, sagt der Zehnjährige.
Das war die erste Lektion, die Dag Kleffmann für die Kinder im Gepäck hatte.„Wenn ein Zauberer Geheimnisse verrät, dann wird er aus dem Magischen Zirkel ausgeschlossen“, erzählt er und erinnert an die Ehrlich-Brothers, die nicht länger zu dem erlauchten Kreis der Mitglieder gehören, weil sie nicht dichthalten konnten oder wollten.
Den frisch gebackenen Zauberern in der Volkshochschule passiert das nicht. Schließlich haben sie einen Zauberlehrer, der es ernst meint. Dag Kleffmann ist eigentlich gelernter Bankkaufmann. Bei einer Kundenveranstaltung trat ein Zauberer auf, und Dag Kleffmann stellte damals fest: „Das kann ich auch.“Sein Chef versprach ihm einen halben freien Tag, wenn er die Kunststücke vor Publikum wiederholen könnte. Kleffmann machte ernst, bekam den halben freien Tag und stieg in die große Gemeinschaft der Zauberkünstler ein – nebenberuflich. Hochmotivierte Zauberlehrlinge
„Allerdings gibt es nur sehr wenig magischen Nachwuchs“, stellt er fest. Und deswegen engagiert er sich auch für die Jugendarbeit – also für die Zauberlehrlinge. In der Volkshochschule in Wermelskirchen trifft er dabei auf hochmotivierte Kinder. Er hat sie mit einem Einsteigerpaket für Zauberkünstler versorgt. Dazu gehört auch ein Kartenspiel.
Und genau darum geht es in dieser zweiten Kurseinheit. Es ist ein Klassiker: Dag Kleffmann bittet den Zuschauer darum, den Stapel der Spielkarten zu teilen – an beliebiger Stelle. Dann folgt das Kunststück: Ohne die geringste Unsicherheit verkündet er dem Zuschauer, welche Karte nun unten liegt. Auch er genießt den Moment des Erstaunens in aller Ruhe. Ob die Kinder den Trick schon kennen? Wissendes Kopfnicken und bedächtiges Schweigen folgen auf die Frage. Und dann greifen die Kinder selbst zu den Karten. Schließlich gehört zum Zaubern nicht nur das Wissen, sondern auch die Show.
„Ich möchte meinen Freunden die Zauberkunststücke vorführen“, hat sich Juri vorgenommen. Und dazu gehört Übung, das weiß auch der Zauberlehrer. Deswegen führen sich die Kinder nun auch gegenseitig das Kunststück vor. Zuschauer sind jetzt allerdings nicht mehr erwünscht. Sie könnten schließlich Geheimnisse ausplaudern.