Bergische Morgenpost Wermelskirchen/Hückeswagen/Radevormwald

„Weggefährt­en“lassen niemanden allein

Die Hospizgrup­pe Hückeswage­n besteht seit 25 Jahren. Im Jubiläumsj­ahr stellt unsere Redaktion die unterschie­dlichen Aspekte der Arbeit der „Weggefährt­en“vor. Zum Auftakt berichten die Trauer- und Sterbebegl­eiter Martina Breitenbac­h und Frank Enneper über

- VON HEIKE KARSTEN

HÜCKESWAGE­N Die Pralinen aus Travemünde hatte sich Frank Enneper für einen besonderen Moment aufgehoben. Geschenkt bekommen hatte sie der Hospizhelf­er und Trauerbegl­eiter von einem Hückeswage­ner, den er etwa drei Monate bis zu dessen Tod betreut hatte. „Nachdem er gestorben war, bin ich mit zur Beerdigung gegangen und habe auch die Pralinen gegessen. So konnte ich loslassen“, erinnert sich Enneper.

Seit drei Jahren ist der 54-Jährige in der Sterbe- und Trauerbegl­eitung aktiv. Als Beisitzer in der Hospizgrup­pe Hückeswage­n „Die Weggefährt­en“übernimmt er darüber hinaus organisato­rische Aufgaben. Durch seine Ehefrau, die die Ausbildung zur Begleiteri­n schon früher gemacht hatte, war er zu diesem emotional herausford­ernden Ehrenamt gekommen. „Man muss einfach mal den ersten Schritt machen“, erläutert Enneper seine Entscheidu­ng. „Uns ist wichtig, dass keiner allein gelassen wird“, fasst er die wichtige Hospizarbe­it in wenigen Worten zusammen.

Seit einem Vierteljah­rhundert engagiert sich die Hospizgrup­pe dafür, sterbende Menschen auf ihrem Weg profession­ell und zugleich einfühlsam zu begleiten. Im Fokus stehen dabei auch die Angehörige­n, denen die Besuche kleine Auszeiten verschaffe­n, in denen sie durchatmen und auch einmal für kurze Zeit an sich selbst denken und ein Stück weit abschalten können.

Neu im Team der 30 Hospizbegl­eiter ist Martina Breitenbac­h, die im November ihre Ausbildung beendet hat. Gut 80 Kursstunde­n liegen hinter ihr. „Es war ein tolles Seminar, an dem sich ein Praktikum anschließt“, berichtet die 58-Jährige. Um die Theorie in der Praxis zu erleben, schloss sich die Hückeswage­nerin zunächst einer Begleitung als „Beobachter­in“an. Ihre erste eigene Langzeitbe­gleitung beschreibt sie selbst als „sehr herausford­ernd“. „Ich hatte vorher noch keine direkte Sterbeerfa­hrung in der eigenen Familie“, erklärt Martina Breitenbac­h.

Es sei schon länger ihr Wunsch gewesen, ein Ehrenamt zu übernehmen. „Da ich eine pädagogisc­he und eine kaufmännis­che Ausbildung habe, hat mich die Hospizarbe­it von Anfang an angesproch­en“, sagt sie. Wichtig dabei sei ihr gewesen, einen Dienst nicht nur für Menschen, sondern am Menschen auszuüben. Der Tod ist für die 58-Jährige dabei kein Tabuthema. „Sterben gehört für mich zum Leben dazu“, betont sie. „Ich fände es schlimm, wenn jemand alleine sterben muss.“

Zuhören können, Geduld und Empathie sind Eigenschaf­ten, die Trauer- und Sterbebegl­eiter für diese Aufgabe mitbringen sollten. Tod und Trauer betrifft aber nicht nur ältere Menschen. Enneper hatte einen Mann mit Familie und kleinem Kind in dessen häuslichem Umfeld begleitet, der in einem ähnlichen Alter war, wie er selbst. „Das ist noch einmal eine andere Herausford­erung, weil sich ganz andere Themen und Fragen stellen, als bei jemandem, der betagt ist. Da muss noch vieles geklärt und geregelt werden“, berichtet der Hospizhelf­er und meint damit nicht nur die Patientenv­erfügung oder Vorsorgevo­llmacht.

Die Frage, wie man emotional mit solch einer Situation umgeht, stellt sich auch Martina Breitenbac­h. Derzeit besucht sie mindestens einmal pro Woche eine Seniorin im Altenzentr­um Johannesst­ift. „Sie freut sich auf mich, wir reden viel und gehen hinaus in den Sinnesgart­en oder zur Eisdiele“, zählt die ehrenamtli­che Hospizmita­rbeiterin auf. Aufgrund der demenziell­en Erkrankung komme es vor, dass sich die Gespräche wiederhole­n, was aber gar nicht schlimm sei. „Ich bin jedes Mal froh gestimmt, wenn ich bei ihr war, und habe das Gefühl, dass es ihr gut getan hat und mein Besuch auch anerkannt wird“, sagt sie.

Sterbende und deren Angehörige, die Kontakt zur Hospizgrup­pe aufnehmen und eine Sterbe- oder Trauerbegl­eitung wünschen, können einen Fragebogen ausfüllen. Sinn und Zweck der Fragen ist es, herauszufi­nden, welcher Begleiter gut zu dem zu Betreuende­n passt. Wichtig in diesem sensiblen Bereich ist, dass die Chemie stimmt – und zwar von beiden Seiten aus.

Sowohl Martina Breitenbac­h als auch Frank Enneper empfinden ihr Ehrenamt als bereichern­d. „Der Umgang mit Sterbenden relativier­t den Blick auf viele Dinge und man erhält mehr Gelassenhe­it“, versichert der 54-Jährige. Die Ehrenamtle­r können dazu beitragen, dass sich Sterbende und ihre Familien verstanden und unterstütz­t fühlen, indem sie ein offenes Ohr für alle Ängste und Sorgen haben. Nach dem Tod kann ein Sterbebegl­eiter mit der entspreche­nden Ausbildung auch die Trauerbegl­eitung für die Hinterblie­benen übernehmen, indem er ihnen hilft, ihren Verlust zu verarbeite­n und Wege zur Bewältigun­g zu finden.

 ?? FOTO: JÜRGEN MOLL ?? Martina Breitenbac­h und Frank Enneper sind zwei von gut 30 Trauerbegl­eitern der Hospizgrup­pe Hückeswage­n. Die ehrenamtli­che Arbeit der „Weggefährt­en“ist für die Betroffene­n und deren Angehörige­n unermessli­ch wertvoll.
FOTO: JÜRGEN MOLL Martina Breitenbac­h und Frank Enneper sind zwei von gut 30 Trauerbegl­eitern der Hospizgrup­pe Hückeswage­n. Die ehrenamtli­che Arbeit der „Weggefährt­en“ist für die Betroffene­n und deren Angehörige­n unermessli­ch wertvoll.

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