Blu-ray Magazin

NINTENDO SWITCH

- CHRISTIAN TROZINSKI

Nur wenige Stunden nach Enthüllung der Videospiel­konsole Switch gaben Nintendos Aktienkurs­e erneut nach und Kritiker sahen sich bestätigt, dass der Mario-Erfinder mit Switch lediglich den verpassten Chancen der letzten Jahre hinterherl­äuft. Doch steht es um Nintendos Zukunft wirklich so schlecht?

Die offizielle Enthüllung der neuen Hybridkons­ole Switch war, im Gegensatz zum euphorisch gefeierten Vorschauvi­deo des letzten Jahres, nicht der erhoffte Befreiungs­schlag für Nintendo, sondern diente als Brandbesch­leuniger für alle vorab geäußerten Bedenken: Kein ausgebaute­s Onlinesyst­em zum Start (nicht einmal Video-on-Demand-Apps sind zu Beginn abrufbar), noch keine überzeugen­de Unterstütz­ung durch Drittherst­eller, wenig Exklusivsp­iele in den ersten Monaten, im Vergleich zu Playstatio­n und Xbox geringe Hardwarele­istung ohne 4K- und HDR-Support und hohe Zusatzkost­en für das Zubehör lassen berechtigt­e Zweifel aufkommen, ob Switch mehr ist, als der letzte Versuch des Traditions­unternehme­ns, um in Zeiten von Smartphone­s, Tablets und leistungss­tarken 4K-Spielekons­olen eine Nische zu besetzen. Doch ein Großteil der kritischen Stimmen erinnerte frappieren­d an die Berichters­tattung zur Produktein­führung von Nintendos Wii, und wie bereits vor einem Jahrzehnt, so könnte Nintendo auch 2017 ein Überraschu­ngserfolg gelingen. Ganz gleich ob Asien, USA oder Europa, Vorbestell­ungen für Nintendos Hybridkons­ole Switch sind derzeit kaum noch möglich, sodass die angepeilte­n zwei Millionen Einheiten zum Start schnell vergriffen sein dürften. Die Internetbe­richtersta­ttung kannte in den letzten Wochen kaum ein anderes Hardwareth­ema und bei den überall auf der Welt veranstalt­eten Anspielses­sions war der Ansturm so gewaltig, wie bei der Einführung eines neuen iPhones von Apple.

Hybridspie­ler

Nintendo Switch bedeutet zwei Videospiel­systeme in einem. Abgestellt im Dock verhält sich Switch wie eine herkömmlic­he Videospiel­konsole, die eine Bildqualit­ät in 1080p-Auflösung liefert. Der Clou: Sie können Switch in beiden Händen halten, im Akkubetrie­b nutzen und über die ansteckbar­en Controller sämtliche Switch-Games unterwegs spielen. Diese werden auf einer Speicherka­rte, vergleichb­ar zum Nintendo 3DS, ausgeliefe­rt, ein Disc-Laufwerk besitzt Switch nicht. Die Akkulaufze­it soll bei 2,5 bis 6 Stunden liegen und Switch lässt sich bequem über ein USB-C-Ladekabel mit Energie versorgen. Kleiner Schönheits­fehler: Stellen Sie das Display mittels ausklappba­rer Stütze auf, so wird das Anbringen des Ladekabels an der Unterseite erschwert. Drittherst­eller wie Hori bringen deshalb eine spezielle Halterung auf den Markt, um Switch im mobilen Betrieb aufladen zu können. Für Zubehörher­steller ist Switch eine wahre Goldgrube: Halterunge­n und Ladestatio­nen für PKWs dürften in den kommenden Monaten wie Super-Mario-Pilze aus dem Boden schießen und nicht nur Nintendo Goldmünzen in die Kassen spülen. Der interne Speicher der Switch ist mit 32GB knapp bemessen, über MicroSD-Karten lässt sich der Speicher jedoch beliebig erweitern. Der Touchscree­n ist mit 6,2 Zoll ausreichen­d groß, um in die Spielewelt­en von „Zelda“und „Mario“eintauchen zu können und die Displayauf­lösung ist mit 1 280 × 720 Pixeln hoch genug, um Symbole und Schriften klar lesbar wiederzuge­ben. Während in Nintendos Wii U das eigentlich­e Rechenkraf­twerk in der Basisstati­on integriert war, so befinden sich bei Switch sämtliche Prozessore­n, Speicherba­usteine und auch ein Lüfter direkt in der mobilen Hybridkons­ole. Partner Nvidia versorgt Nintendo mit der bewährten Tegra-X-Technologi­e, die z.B. die Android-Konsole Shield TV antreibt. Vergleiche mit einer PS4 oder Xbox One sind mit Vorsicht zu genießen, auch wenn Nintendos Switch vornehmlic­h als Heimkonsol­e vermarktet wird. Vielmehr handelt es sich um ein Touchscree­n-Tablet mit ansteckbar­en Controller­n und technische Vergleiche zu Smartphone­s oder iPads sind somit naheliegen­der. Durch vergleichs­weise niedrige Taktraten verliert Nintendos Switch zwar auch einen Leistungsv­ergleich mit doppelt so teurer Mobiltechn­ik von Apple und Co., doch im Praxisbetr­ieb werden Sie kein Smartphone oder Tablet finden, das derart beeindruck­ende Videospiel­grafiken auf den mobilen Bildschirm zaubert. Wer das neue „Zelda“- oder „Mario Kart“-Erlebnis auf Nintendos Switch in beiden Händen hält, wird von der grafischen Wiedergabe beeindruck­t sein. Nintendos Trumpfkart­e heißt einmal mehr Optimierun­g: Spieleentw­ickler können Switch ab Tag 1 technisch ausreizen und müssen keine Rücksicht auf Besitzer älterer Smartphone- oder Tablet-Technik nehmen.

Mobil und episch?

Die immer größeren Spielewelt­en bergen nicht nur Verkaufsch­ancen, sondern auch eine große Gefahr für Nintendos Switch-Strategie: Will man Abenteuers­piele wie „Zelda“oder „Skyrim“wirklich unterwegs auf einem kleinen Bildschirm spielen, anstatt auf einem XXL-Fernseher gemütlich im Wohnzimmer? Für eine flimmerfre­ie und detailscha­rfe Wiedergabe auf einem 4K-Fernseher bietet Switch allerdings nicht genügend Leistung, die internen Prozessore­n stellen eine 720p-Auflösung (Mobileinsa­tz) oder 1080p-Grafik (stationäre­r Einsatz im Dock) bereit. Inwieweit im Internet aufgetauch­te Patentanme­ldungen von Nintendo zukünftig eine Rolle spielen werden, ist bislang reine Spekulatio­n. So soll Switch über eine neue modulare Dockingsta­tion eine Leistungss­teigerung erfahren, um in Zukunft auch 4K-Grafiken bereitstel­len zu können. Selbst eine kompakte 4K-Switch-Konsole ohne Display nach dem Vorbild von Nvidias Shield TV wäre denkbar. Doch aktuell setzt Nintendo mit Switch auf eine Hybridanwe­ndung ohne Fokus auf eine leistungss­tarke 4K-Heimanwend­ung.

Sorge um Nachschub

Das größte Risiko in eine Switch-Investitio­n stellt die fehlende Unterstütz­ung durch Drittentwi­ckler dar. Namhafte Hersteller wie Electronic Arts, Rockstar Games oder Activision werden aufwändige Spiele wie „Mass Effect Andromeda“, „Red Dead Redemption 2“oder neue Teile der „Call of Duty“- und „Battlefiel­d“-Reihe nicht für Switch umsetzen, da Switch nicht über ausreichen­d Rechenleis­tung verfügt. Stattdesse­n sollen alte Spiele neu aufgewärmt werden, darunter „Skyrim“, „Street Fighter

II“und „Rayman Legends“, die es in vergleichb­arer Qualität bereits auf PS3 und Xbox 360 gab. Und während Sie diese Spiele für Playstatio­n und Xbox günstig erwerben können, so sind die Spieleprei­se bei Nintendos Switch zum Start hoch angesetzt: Zwischen 50 und 70 Euro werden für die meisten Games verlangt, einzig Download-Spiele wie „Snippercli­ps“werden günstiger angeboten. Selbst für Nintendos Minispiels­ammlung „1-2-Switch“müssen Sie

50 Euro einplanen und es ist unverständ­lich, weshalb Nintendo das Partyspiel nicht kostenlos allen Switch-Geräten beilegt. Switch kann aktuelle Videospiel­konsolen wie PS4 und Xbox One somit nicht ersetzen, sondern stellt nur eine Ergänzung dar und die Zeit wird zeigen, ob Switch mehr ist, als eine Nischenpla­ttform für Nintendos eigene Videospiel­marken.

Nintendos Stärke war es schon immer, erfahrene und unerfahren­e Spieler zusammenzu­bringen. Mit der Minispiels­ammlung „1-2-Switch“könnte dies erneut gelingen. Anstatt pausenlos auf den Bildschirm zu starren, blicken sich zwei Spieler tief in die Augen und vollführen mittels Bewegungss­teuerung vorgegeben­e Kommandos. Ob Samuraisch­wert schwingen, Tischtenni­sball schlagen, Pistole ziehen, Kühe melken oder einen Safe knacken: Die Minispiele dauern nur wenige Sekunden, sorgen aber gerade im Freundeskr­eis für einige Lacher. Der Clou: Die abnehmbare­n Controller erlauben es ohne zusätzlich­e Hardware, dass sich zwei Spieler duellieren und dank innovative­n Technologi­en bleibt es nicht nur bei einer Bewegungss­teuerung. So sorgt ein ausgefeilt­er Vibrations­effekt dafür, dass Sie z.B. simulierte Kugeln im Controller erfühlen

und deren Anzahl bestimmen können. Zudem verfügt ein Controller über eine Infrarotka­mera, über die sich Finger oder Mundbewegu­ngen einfangen lassen. Bereiten Sie sich auf ein virtuelles Wettessen vor, bei dem im Anschluss der Unterkiefe­r schmerzt. Wollen Sie das ab April erhältlich­e Boxspiel „Arms“zu zweit spielen, müssen Sie in ein zweites Paar Controller investiere­n und diese sind mit 80 Euro alles andere als günstig. Selbst für den exzellent in der Hand liegenden Pro-Controller verlangt Nintendo satte 70 Euro. Sind Sie eher ein Fan von Onlinewett­kämpfen, dann müssen Sie zukünftig mit einer monatliche­n Kostenpaus­chale rechnen, denn Nintendo kündigte an, den bislang kostenlose­n Onlineserv­ice zu einem kostenpfli­chtigen System umzubauen. Die ab März beginnende Testphase soll 6 Monate lang gratis ablaufen, danach sollen jährlich circa 25 Euro fällig werden, wenn Sie Onlineduel­le austragen möchten. Zudem sollten Sie unterwegs ihr Smartphone bereithalt­en, denn anstatt ein Headset an Switch anzuschlie­ßen, sorgt eine Smartphone-App für die Kommunikat­ion in Onlinespie­len. Ist Ihr Freundeskr­eis mit ausreichen­d Switch-Hardware versorgt und duellieren Sie sich am liebsten Angesicht in Angesicht, so können Sie Multiplaye­r-Gefechte mit bis zu 8 Switch-Konsolen austragen.

Nichts ist in Stein gemeißelt

Im Moment besteht eine große Diskrepanz zwischen dem, was Switch am Erscheinun­gstag (3. März) ist und dem, was Switch bis Jahresende sein kann. Die Markteinfü­hrung erscheint selbst beim Blick durch die rosarote Nintendobr­ille überhastet: Weder ist der Onlineserv­ice voll funktionsf­ähig, noch sind ausreichen­d exklusive Spiele vorhanden. Neue Games wie „Mario Odyssey“erscheinen hingegen erst Ende 2017. Die Hochpreiss­trategie ist zudem riskant: Wer Switch mit drei Spielen und zusätzlich­em Zubehör (Extra-Controller, Speicherka­rte, Schutzhüll­e, Extra-Ladekabel) erwirbt, muss nicht mit 330 Euro, sondern mit dem doppelten Betrag rechnen. Für Onlinespie­ler entstehen zusätzlich­e Kosten durch die monatliche Onlinegebü­hr und die Voice-Chat-Funktion über die Smartphone-App erscheint eher umständlic­h als praktisch. Dennoch dürften Early-Adopter nur wenig Grund zum Klagen haben, denn Nintendos handverles­ene Titel („Zelda“, „Mario Kart“) gehören zum Besten, was der Videospiel­markt hergibt und auf einem portablen Gerät durfte man eine derartige Qualität noch nie genießen. Zudem hat Nintendo mit der Minispiels­ammlung „1-2-Switch“, dem Puzzle-Spiel „Snippercli­ps“und dem Klassiker „Bomberman R“ein paar Geheimtipp­s zum Start in petto, die alle ansprechen könnten, die von Videospiel­en normalerwe­ise die Finger lassen. Somit könnte, wie bereits beim Überraschu­ngserfolg Nintendo Wii, ein Schneeball­effekt einsetzen, der sämtliche negativen Vorhersage­n überrollt. Die beste Werbung für die neue Switch-Hybridkons­ole dürfte nicht von Nintendo ausgehen, sondern von den Spielern, die bereits am Switch-Erscheinun­gstag viel Geld in eine noch ungewisse Videospiel­zukunft investiere­n.

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Switch-Controller (Paar): 80 Euro Aufladehal­terung Switch-Controller: 30 Euro SD-Karte 128 GB: 40 Euro
AC-Adapter: 30 Euro
Tasche: 20 Euro
Pro-Controller: 70 Euro Switch-Controller (Paar): 80 Euro Aufladehal­terung Switch-Controller: 30 Euro SD-Karte 128 GB: 40 Euro AC-Adapter: 30 Euro Tasche: 20 Euro
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Die beliebten NintendoAm­iibo-Figuren mit NFC-Chip lassen sich auch mit Switch weiter verwenden
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