Blu-ray Magazin

Amerikanis­ches Idyll

Anspruch

- PHILIPP WOLFRAM

Viele Hollywood-Stars zieht es mittlerwei­le hinter die Kamera. Ewan McGregor („T2 Trainspott­ing“) hat sich für sein Regie-Debüt aber gleich ein Mammutproj­ekt ausgesucht und sich an die Verfilmung eines Buch-Klassikers gewagt. Dabei sollte der charmante Schotte eigentlich nur die Hauptrolle in „Amerikanis­ches Idyll“übernehmen und landete nur aufgrund mangelnder Alternativ­en auf dem Regie-Stuhl. Vor allem in der amerikanis­chen Presse wurde der Film deshalb förmlich in der Luft zerrissen. McGregors Doppelbela­stung und seine halbgare Inszenieru­ng des brutal zusammenge­kürzten Drehbuchs von John Romano („Der Mandant“) hätten Roths vielschich­tigem Klassiker die Seele geraubt, heißt es da. Ganz schön starker Tobak, der im Kern aber schon das Problem trifft. Misst man den Film nämlich daran, was er hätte sagen können, muss man ihn als misslungen betrachten und kann ihm strukturel­le Fehlgriffe, falsche Figurenzei­chnung und die fast nicht vorhandene, zynische Gesellscha­ftskritik attestiere­n. Misst man ihn allerdings daran, was er nun tatsächlic­h sagt, ist er aber ein zutiefst menschlich­es Portrait über den Zusammenbr­uch des amerikanis­chen Traums im Kleinforma­t, das manchmal leicht am Kitsch entlang schrammt.

Das Leben ist schön, oder?

Im Zentrum der Handlung steht Seymour „Der Schwede“Levov (McGregor), ein amerikanis­cher Jude aus Newark, der auf den ersten Blick ein Bilderbuch-Leben führt: Nach seiner Zeit als beliebter und erfolgreic­her Highschool-Athlet diente er bei den Marines, übernahm nach Kriegsende die Handschuhf­abrik seines Vaters Lou (Peter Riegert) und heiratete seine Jugendlieb­e Dawn (Jennifer Connelly), die ehemalige Miss New Jersey. Sie zogen dann zusammen aufs Land und bekamen ihre Tochter Merry. Doch dieses Familiengl­ück wird Mitte der 1960er jäh zerstört, als sich die herangewac­hsene und politisch engagierte Teenagerin (Dakota Fanning) einer radikalisi­erten Antikriegs­gruppierun­g anschließt, in ihrer Heimatstad­t eine Postfilial­e in die Luft sprengt und danach untertauch­t. Während „Der Schwede“in den nächsten Jahren verzweifel­t versucht, Merry wiederzufi­nden, fällt seine Ehe langsam auseinande­r und Amerika wandelt sich zum Schauplatz von schweren Rassen-Unruhen und Straßenkäm­pfen.

Im Schatten des Romans

Die Kritiker haben sicherlich recht, wenn sie sagen, dass es dem Film dabei nicht gelingt, die von Gewalt, Hass und Angst geprägte Atmosphäre zu Zeiten des Vietnamkri­egs so wiederzuge­ben, wie es Roth in seinem Buch getan hat - die innen- und außenpolit­ischen Konflikte werden zur Randnotiz. Was „Amerikanis­ches Idyll“aber eindrucksv­oll schafft, ist seine Hauptfigur als liebenden Familienva­ter und humanistis­chen Unternehme­r zu inszeniere­n, dessen nahezu perfektes Leben von innen heraus zerbricht. Die ambivalent­e Vater-Tochter-Beziehung und der stets präsente Generation­enkonflikt wird von McGregor in den Fokus gerückt. Die fast schon fanatische Suche nach Merry und auch nach Antworten wird zum roten Faden der Geschichte, der die hoch emotionale­n Momente des Films in gemächlich­em Tempo miteinande­r verknüpft. Dass dabei aus dem Buch bekannte Subplots, interessan­te Figuren wie Seymours Bruder Jerry Levov (Rupert Evans) und auch Roths beißender Humor etwas ins Hintertref­fen geraten, ist schade und wäre unter einem anderen Regis-

seur vielleicht nicht passiert. Wirklich störend ist das aber nur für beinharte Fans der Vorlage.

Muster-Familie mit Makel

Fast nichts zu beanstande­n gibt es dagegen bei der Besetzung. Ewan McGregor mag sich mit dem Film als Regisseur vielleicht etwas schwer getan haben. Als Darsteller liefert er hingegen eine überzeugen­de Leistung ab und spielt den „Schweden“als biederen Jedermann, der eigentlich nur seine Tochter und sein altes Leben wieder haben möchte, während Jennifer Connelly die depressive Mutterroll­e mit stoischer und dann wieder trotziger Eleganz ausfüllt. Es ist aber das Wechselspi­el zwischen McGregor und Dakota Fannings Darstellun­g, das dem Film den entscheide­nden Schwung verleiht. Wenn der rebellisch­e Schwermut von Merry auf den Alltagspra­gmatismus ihres Vaters trifft, sind das die stärksten Momente in „Amerikanis­ches Idyll“, die nicht von einem Einzeldars­teller, sondern immer von seinem ganzen Ensemble geprägt werden. Den Verfall seiner Charaktere portraitie­rt der Film wunderbar in anfangs noch satten Farben und starken Kontrasten, die im Laufe der Zeit immer weiter verblassen. Die Bildsprach­e des deutschen Kameramann­s Martin Ruhe („The American“) kann als zurückhalt­end und fast schon voyeuristi­sch bezeichnet werden, was vom ähnlich subtilen Sound noch unterstric­hen wird, der trotz guter Abmischung Surround-Freunden nur wenig bietet. Etwas belebter ist da schon der zeitgenöss­ische Score von Alexandre Desplat, der mit Titeln wie Buffalo Springfiel­ds „For what it’s worth“aber auch etwas berechenba­r daherkommt. „Amerikanis­ches Idyll“ist am Ende vielleicht nicht unbedingt die distinguie­rteste Verfilmung von Roths Pullitzer-Preis-prämiertem Werk. Ein schlechter Film ist Ewan McGregors erste Regiearbei­t aber bei weitem auch nicht.

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