Amerikanisches Idyll
Anspruch
Viele Hollywood-Stars zieht es mittlerweile hinter die Kamera. Ewan McGregor („T2 Trainspotting“) hat sich für sein Regie-Debüt aber gleich ein Mammutprojekt ausgesucht und sich an die Verfilmung eines Buch-Klassikers gewagt. Dabei sollte der charmante Schotte eigentlich nur die Hauptrolle in „Amerikanisches Idyll“übernehmen und landete nur aufgrund mangelnder Alternativen auf dem Regie-Stuhl. Vor allem in der amerikanischen Presse wurde der Film deshalb förmlich in der Luft zerrissen. McGregors Doppelbelastung und seine halbgare Inszenierung des brutal zusammengekürzten Drehbuchs von John Romano („Der Mandant“) hätten Roths vielschichtigem Klassiker die Seele geraubt, heißt es da. Ganz schön starker Tobak, der im Kern aber schon das Problem trifft. Misst man den Film nämlich daran, was er hätte sagen können, muss man ihn als misslungen betrachten und kann ihm strukturelle Fehlgriffe, falsche Figurenzeichnung und die fast nicht vorhandene, zynische Gesellschaftskritik attestieren. Misst man ihn allerdings daran, was er nun tatsächlich sagt, ist er aber ein zutiefst menschliches Portrait über den Zusammenbruch des amerikanischen Traums im Kleinformat, das manchmal leicht am Kitsch entlang schrammt.
Das Leben ist schön, oder?
Im Zentrum der Handlung steht Seymour „Der Schwede“Levov (McGregor), ein amerikanischer Jude aus Newark, der auf den ersten Blick ein Bilderbuch-Leben führt: Nach seiner Zeit als beliebter und erfolgreicher Highschool-Athlet diente er bei den Marines, übernahm nach Kriegsende die Handschuhfabrik seines Vaters Lou (Peter Riegert) und heiratete seine Jugendliebe Dawn (Jennifer Connelly), die ehemalige Miss New Jersey. Sie zogen dann zusammen aufs Land und bekamen ihre Tochter Merry. Doch dieses Familienglück wird Mitte der 1960er jäh zerstört, als sich die herangewachsene und politisch engagierte Teenagerin (Dakota Fanning) einer radikalisierten Antikriegsgruppierung anschließt, in ihrer Heimatstadt eine Postfiliale in die Luft sprengt und danach untertaucht. Während „Der Schwede“in den nächsten Jahren verzweifelt versucht, Merry wiederzufinden, fällt seine Ehe langsam auseinander und Amerika wandelt sich zum Schauplatz von schweren Rassen-Unruhen und Straßenkämpfen.
Im Schatten des Romans
Die Kritiker haben sicherlich recht, wenn sie sagen, dass es dem Film dabei nicht gelingt, die von Gewalt, Hass und Angst geprägte Atmosphäre zu Zeiten des Vietnamkriegs so wiederzugeben, wie es Roth in seinem Buch getan hat - die innen- und außenpolitischen Konflikte werden zur Randnotiz. Was „Amerikanisches Idyll“aber eindrucksvoll schafft, ist seine Hauptfigur als liebenden Familienvater und humanistischen Unternehmer zu inszenieren, dessen nahezu perfektes Leben von innen heraus zerbricht. Die ambivalente Vater-Tochter-Beziehung und der stets präsente Generationenkonflikt wird von McGregor in den Fokus gerückt. Die fast schon fanatische Suche nach Merry und auch nach Antworten wird zum roten Faden der Geschichte, der die hoch emotionalen Momente des Films in gemächlichem Tempo miteinander verknüpft. Dass dabei aus dem Buch bekannte Subplots, interessante Figuren wie Seymours Bruder Jerry Levov (Rupert Evans) und auch Roths beißender Humor etwas ins Hintertreffen geraten, ist schade und wäre unter einem anderen Regis-
seur vielleicht nicht passiert. Wirklich störend ist das aber nur für beinharte Fans der Vorlage.
Muster-Familie mit Makel
Fast nichts zu beanstanden gibt es dagegen bei der Besetzung. Ewan McGregor mag sich mit dem Film als Regisseur vielleicht etwas schwer getan haben. Als Darsteller liefert er hingegen eine überzeugende Leistung ab und spielt den „Schweden“als biederen Jedermann, der eigentlich nur seine Tochter und sein altes Leben wieder haben möchte, während Jennifer Connelly die depressive Mutterrolle mit stoischer und dann wieder trotziger Eleganz ausfüllt. Es ist aber das Wechselspiel zwischen McGregor und Dakota Fannings Darstellung, das dem Film den entscheidenden Schwung verleiht. Wenn der rebellische Schwermut von Merry auf den Alltagspragmatismus ihres Vaters trifft, sind das die stärksten Momente in „Amerikanisches Idyll“, die nicht von einem Einzeldarsteller, sondern immer von seinem ganzen Ensemble geprägt werden. Den Verfall seiner Charaktere portraitiert der Film wunderbar in anfangs noch satten Farben und starken Kontrasten, die im Laufe der Zeit immer weiter verblassen. Die Bildsprache des deutschen Kameramanns Martin Ruhe („The American“) kann als zurückhaltend und fast schon voyeuristisch bezeichnet werden, was vom ähnlich subtilen Sound noch unterstrichen wird, der trotz guter Abmischung Surround-Freunden nur wenig bietet. Etwas belebter ist da schon der zeitgenössische Score von Alexandre Desplat, der mit Titeln wie Buffalo Springfields „For what it’s worth“aber auch etwas berechenbar daherkommt. „Amerikanisches Idyll“ist am Ende vielleicht nicht unbedingt die distinguierteste Verfilmung von Roths Pullitzer-Preis-prämiertem Werk. Ein schlechter Film ist Ewan McGregors erste Regiearbeit aber bei weitem auch nicht.