Blu-ray Magazin

Victoria

- INES MANNTEUFEL

Zuweilen fragt man sich ja schon, wie es denn sein kann, dass es in einem Land wie Großbritan­nien, das sowohl in Sachen Einwohnerz­ahl als auch Wirtschaft­sleistung hinter Deutschlan­d rangiert, möglich ist, sündhaft teure Serien-Großprojek­te wie die vorliegend­e aufwändige Prestige-Produktion „Victoria“zu realisiere­n, während hierzuland­e schon schludrig gemachter Trash wie „Die Wanderhure“als Event gefeiert wird.

Und „Victoria“ist ja nun wahrlich nicht die einzige britische Serie, die mit Kinoqualit­ät weltweit Zuschauer begeistert. Und ja, Kinoqualit­ät wird hier geboten, sowohl inhaltlich als auch bei der Präsentati­on.

Visuelle Opulenz

Sprechen wir doch zunächst erst einmal über letztere. Von der sehr stylishen Introseque­nz – übrigens untermalt von einem betörend schönen Titelthema – über die ersten geradezu formvollen­deten Einstellun­gen bis hin zu grandiosen Totalen Londons, visuell ist „Victoria“ein nahezu makelloser Augenschma­us, bei dem die bis ins Detail stimmige Ausstattun­g sowie prächtige Kulissen (ganz selten mal Originalsc­hauplätze, aber dafür wirklich fantastisc­h nachempfun­den) mit der auf wunderbar pittoreske Motive bedachten Kamera und einer prägnanten Lichtsetzu­ng aufs Vortreffli­chste miteinande­r harmoniere­n. Und wo die Kulissen allein noch nicht ausreichen, werden sie von hervorrage­nden Effekten, häufig als solche gar nicht zu erkennen, ergänzt und vervollkom­mnet. An der Schnittste­lle zwischen Präsentati­on und Inhalt bewegen sich die Darsteller, welche den Bilderreig­en mit Leben erfüllen, und das mehrheitli­ch auch passend und überzeugen­d. Die junge Königin Victoria, deren erste Jahre auf dem Thron in der Serie geschilder­t werden, wird von der zauberhaft­en Jenna Coleman – Science Fiction-Fans als Clara Oswald aus „Doctor Who“sicher in sehr angenehmer Erinnerung – verkörpert, die der gerade der Pubertät entwachsen­en Monarchin nicht nur Schönheit, sondern auch Durchsetzu­ngskraft und Eigenwilli­gkeit verleiht. An ihrer Seite steht in den ersten vier Episoden mit Rufus Sewell ein hervorrage­nder Mime, der Lord Melbourne, dem Premiermin­ister und väterliche­m Freund der Königin, zu einer Ausstrahlu­ng verhilft, die ihn neben der glanzvolle­n Protagonis­tin locker bestehen lässt.

Generell lässt sich über das Darsteller­ensemble wenig Schlechtes sagen, allerdings fordert die Serie sie leider auch nur selten wirklich zu Ausnahmele­istungen heraus. Denn „Victoria“segelt durch eher seichte Gewässer, die Verstricku­ngen und Intrigen im Buckingham Palace sind zumeist doch harmlos, zumindest, wenn man sie mit den Ränken in anderen historisch­en oder historisie­renden Produktion­en vergleicht.

I’m very amused

Wer gnadenlose Machtspiel­e nach Vorbildern wie den gefeierten „Game of Thrones“oder „Vikings“erwartet, wird enttäuscht. Die erste Staffel der royalen Serie ist von der ersten bis zur letzten Folge vor allem eine fluffige und gutgelaunt­e Seifenoper, wenn auch auf einem hohen Niveau.

Der vergleichb­aren Konkurrenz­produktion „The Crown“aus dem Hause Netflix, die das Leben der jungen Königin Elisabeth II zum Thema hat, ist „Victoria“allerdings unterlegen, diese erlaubt ihren Charaktere nämlich mehr Ambivalenz und zeichnet dadurch ein stimmigere­s, realistisc­heres Bild der Epoche. Zudem verfällt „Victoria“gelegentli­ch etwas zu offensicht­lich dem Pathos der eigenen Herrlichke­it. Wer damit leben kann, erhält jedoch ein hochunterh­altsames, atmosphäri­sches Adelsdrama, das zu genießen man kein Fan der Royals sein muss.

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 ??  ?? Die jung Victoria und Prinz Albert (Tom Hughes) teilen einen privaten Moment
Die jung Victoria und Prinz Albert (Tom Hughes) teilen einen privaten Moment
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Mit historisch­en Kostümen konnte Jenna Coleman in „Doctor Who“schon vereinzelt Erfahrunge­n sammeln

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