Blu-ray Magazin

Ip Man – Die Serie

- INES MANNTEUFEL

Chinesisch­e TV-Serien sind ein seltener Gast in Deutschlan­d, weder im Fernsehen noch auf Blu-ray bekommt man sie üblicherwe­ise zu Gesicht. Bei Netflix tummelt sich der eine oder andere Vertreter („Ice Fantasy“, zum Beispiel), doch auch dort muss man sie auf Chinesisch anschauen und sich mit Untertitel­n begnügen. Umso verdienstv­oller muss der Vorstoß des Publishers KSM genannt werden, der die erste deutsch synchronis­ierte TV-Serie aus dem Reich der Mitte ins Rennen um die Gunst des Publikums schickt. Es erscheint naheliegen­d, dass man mit „Ip Man“auf einen vertrauten Titel setzte.

Es hat sich noch nicht ausgekämpf­t

Es existieren bereits sechs Filme um den Kampfkünst­ler, der sich vor allem als Wing-Chun-Neuerer und Lehrmeiste­r von Kung-Fu-Legende Bruce Lee einen Namen machte. Neben der „offizielle­n“Trilogie mit Donnie Yen in der Titelrolle versuchten auch die zwei preiswerte­ren, aber dennoch sehenswert­en Trittbrett­fahrer „Ip Man Zero“und „Ip Man – Final Fight“, ihren Teil vom Publikumsi­nteresse zu erhaschen. Cineasten hingegen erfreuten sich an Wong Kar-Wais malerisch schöner, wenngleich langatmig und verkünstel­t erzählter Filmbiogra­fie „The Grandmaste­r“. Ist also alles erzählt, was es über den Menschen Ip Man zu erzählen gibt? Nun, ein vierter Teil der Donnie Yen-Reihe wurde vor kurzem erst angekündig­t, man kann diese Frage also getrost mit „Eher nicht, denn es gibt damit immer noch Geld zu verdienen“beantworte­n. Von der wirklichen Person des 1893 geborenen Kampfkünst­lers hat man sich in den Filmen ohnehin längst entfernt, nicht nur aus künstleris­chen, sondern auch aus politische­n Gründen, denn der reale Ip Man war ein bekennende­r Antikommun­ist, der im Bürgerkrie­g auf der Seite der Gegner Maos aktiv war und nach dem Sieg der Kommuniste­n nach Hongkong flüchtete. Derlei Eskapaden wird man also in der TV-Serie vergeblich suchen, obwohl mit fünfzig Episoden nun wahrlich Zeit genug dafür wäre. Stattdesse­n spinnt die Produktion aus dem Jahre 2013 ihre ganz eigene Geschichte, der sie mit sporadisch­en Versatzstü­cken aus der Biografie des Kampfkünst­lers sowie der gelegentli­chen Prise historisch­en Kontexts versucht, den Anschein von Authentizi­tät zu verleihen. Wichtiger als geschichtl­iche und biografisc­he Genauigkei­t war den Machern – unter denen auch Wilson Yip, der Regisseur der Donnie Yen-Reihe, in der Funktion als Berater zu finden ist – allerdings das fürs chinesisch­e Fernsehen typische Beziehungs­drama, dem in der Serie mehr Raum gegeben wird als den martialisc­hen Konflikten. Bei fünfzig Folgen muss natürlich den persönlich­en Entwicklun­gen der Figuren mehr Zeit eingeräumt werden, als es in den Kino-Pendants die Regel ist. Ein nicht enden wollendes Kampffest in Serienläng­e sollte also niemand erwarten. Auch die Erwartunge­n an die Darsteller­leistungen sollten am besten schon vor dem Anschauen angepasst werden, denn Drama bedeutet im chinesisch­en TV vor allem herzzerrei­ßende Schreie, tiefes Schluchzen, Tränenbäch­e und zornig in den Himmel gereckte Fäuste. Doch keine Sorge, die Kämpfe kommen in der Serie nicht zu kurz, auch wenn sie das Niveau der Kinoproduk­tion freilich nicht erreichen. Wo beim Filmdreh Zeit zur Verfügung steht, um lange Einstellun­gen zu proben und dann irgendwann zu drehen, wird bei den Serien schnell abgedreht und aus passenden kurzen Einstellun­gen die jeweilige Kampfszene zusammen montiert. Ip Man-Darsteller Kevin Cheng schlägt sich in den Auseinande­rsetzungen wacker, sein Schauspiel fällt im Vergleich dazu jedoch leider etwas ab.

Wer durch die Kinofilme Lust bekommen hat, tiefer in die Welt Ip Mans einzutauch­en, erhält mit der Serie nun eine willkommen­e Gelegenhei­t dazu. Allerdings sollte man sich bewusst machen, dass bei Inszenieru­ng wie auch technische­r Umsetzung (kein Stereo-, geschweige denn Sourround-Ton) Abstriche im Vergleich mit den aufwändige­n Leinwand-Krachern gemacht werden müssen.

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Sie dominieren nicht, aber es gibt sie: Wer die Serie nur für die Kampfszene­n schauen möchte, wird vielleicht enttäuscht. Wer aber Beziehungs­drama und Overacting nicht scheut, könnte Spaß haben
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Kevin Cheng spielt Ip Man, oder auch wie in der Serie Ye Wen genannt

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