Deepwater Horizon
Verfilmungen von wahren Ereignissen sind immer schwierig. Gerade wenn es um furchtbare Katastrophen geht, neigt Hollywood gerne zur Übertreibung und zum Pathos. „Deepwater Horizon“kann sich davon auch nicht ganz frei machen, ist aber trotz beeindruckender
Peter Berg und Mark Wahlberg sind ein bisschen wie Scorcese und DiCaprio – die beiden arbeiten gerne zusammen. Es gibt aber noch eine weitere Parallele: Beide Regisseur-Darsteller-Duos konzentrieren sich oft auf reale Personen und erzählen die Geschichten von kleinen und großen Tragödien. Doch wo Scorsese und DiCaprio mehr auf Charakter-Portraits wie das von Howard Hughes in „Aviator“setzen, denken Berg und Wahlberg gerne etwas actionorientierter. Sei es ein fehlgeschlagener Militäreinsatz wie in „Lone Survivor“oder das Bombenattentat auf den Boston Marathon in „Patriots Day“. Und auch ihr Katastrophenfilm „Deepwater Horizon“hat ein relativ aktuelles Ereignis zur Grundlage – die größte Ölkatastrophe aller Zeiten, bei der 2010 die titelgebende Offshore-Bohrinsel „Deepwater Horizon“des britischen Unternehmens BP vor der Küste von Louisiana explodierte und infolgedessen rund 795 Millionen Liter Öl ungehindert in den Golf von Mexiko flossen. Doch wer jetzt erwartet, er bekäme einen Film voller verölter Vögel und politisch motivierter Greenpeace-Moral, der wird enttäuscht werden. Peter Berg und sein Team lassen die Folgen des Unglücks zwar keinesfalls außen vor, doch sie behandeln lieber die oft vernachlässigte, menschliche Seite des Unglücks und erzählen die Geschichte der elf getöteten Arbeiter und vom Überlebenskampf der anderen 115 Crew-Mitglieder auf der Bohrinsel.
Ein Elektriker rettet Leben
Die Story basiert dabei auch lose auf einem „New York Times“-Artikel und rückt den Chefelektriker Mike Williams (Mark Wahlberg) in den Fokus. Zusammen mit einer kleinen Gruppe von Mitarbeitern, darunter der Bohrinsel-Leiter Jimmy Harrell (Kurt Russell) und die Bordoffizierin Andrea Fleytas (Gina Rodriguez), kehrt Williams nach einem kurzen Landurlaub wieder auf die „Deepwater Horizon“zurück. Die Mannschaft ist aufgrund von Schwierigkeiten mit dem Bohrloch allerdings 43 Tage hinter dem Zeitplan. Deshalb fällt BP-Chef Donald Vidrine (John Malkovich) trotz fehlender, aber notwendiger Tests die Entscheidung, das Bohrloch zu schließen und mit der Plattform zum nächsten Ölvorkommen zu fahren. Dabei kommt es zu einer Gasexplosion, einem „Blowout“, und die Bohrinsel brennt lichterloh. Die Evakuierung der gesamten Crew ist nun ein Wettlauf gegen die Zeit, denn das Feuer droht alles zu zerstören.
Spektakel mit traurigem Hintergrund
Inszenatorisch ist „Deepwater Horizon“ein einziger Spannungsmoment. Peter Berg gelingt es mit brachialen Kulissen (etwa eine 35 Meter hohe Bohrinsel-Nachbildung), vielen praktischen Effekten und brillanten CGI-Effekten aus dem Hause „Industrial Light & Magic“, die Gefahr durch den Öldruck, das austretende Gas und die tödlichen Explosionen auf der Bohrinsel beklemmend real und actiongeladen darzustellen. Die dynamische Kamera bleibt stets nah am Geschehen, die Hitze der Flammen ist fast spürbar und die Angst und Machtlosigkeit der Mannschaft sind immer allgegenwärtig. Doch der Film lässt sich in seiner bildgewaltigen Inszenierung auch immer wieder Zeit für immersive und menschliche Momente. Wenn Wahlbergs Charakter mit seiner Kollegin inmitten des Feuerinfernos über ihr kaputtes Auto redet, um sie zu beruhigen oder ein Mitarbeiter die brennende US-Flagge geschockt betrachtet, dann ist das natürlich leicht pathetisches Filmemachen. Peter Berg liefert so aber auch immer wieder wichtige Atempausen in seiner sonst gnadenlos actionorientierten Tour-de-Force über die Bohrinsel.
Keine Helden, nur Menschen
Das Schauspiel ist dafür, wie bei vielen Katastrophenfilmen, eher zweckmäßig. Mark Wahlberg macht seine Sache dennoch sehr solide und wirkt im Film wunderbar normal. Er ist hier nicht der heroische Anführer, sondern ein simpler Elektriker, der seinen Job macht. Das Gleiche gilt für Kurt Russell, der als Leiter der Bohrinsel einzig und allein darauf bedacht ist, seine Mannschaft heil aus der Katastrophe rauszubekommen. Keiner der Darsteller tut sich hier besonders hervor so wie die reale Crew der Bohrinsel, so wirkt auch das Ensemble des Films wie ein echtes Team. Klar beschränken sich alle Performances dabei größtenteils darauf, auf Explosionen, verstörende Verletzungen oder das allgemeine Chaos um sich herum zu reagieren – wirkungsvoll ist das allerdings durchaus. Gerade die finalen Momente des Films profitieren von der emotionalen Bindung zwischen den Figuren und sind nicht nur bloße Effekthascherei. Apropos effektvoll – Studiocanal hat mit der Blu-ray ein echtes Technik-Brett abgeliefert. Trotz der starken Lichtkontraste und der schnellen Kamera bleibt das Bild immer knackscharf und beeindruckt mit toller Farbgebung. Der glasklare Dolby-Atmos-Sound lässt ebenfalls seine Muskeln spielen und dürfte in Sachen Räumlichkeit auch auf der 4K-UHD-Version des Films nicht minder beeindruckend klingen. „Deepwater Horizon“hat daher den Look eines Blockbusters. Doch hinter der Action-Fassade verbirgt sich eine unterschwellig kritische Aufarbeitung eines beispiellosen Unglücks, das zeigt, dass blinde Profitgier nicht nur die Natur – sondern auch Menschenleben zerstören kann.