Blu-ray Magazin

Deepwater Horizon

Verfilmung­en von wahren Ereignisse­n sind immer schwierig. Gerade wenn es um furchtbare Katastroph­en geht, neigt Hollywood gerne zur Übertreibu­ng und zum Pathos. „Deepwater Horizon“kann sich davon auch nicht ganz frei machen, ist aber trotz beeindruck­ender

- PHILIPP WOLFRAM

Peter Berg und Mark Wahlberg sind ein bisschen wie Scorcese und DiCaprio – die beiden arbeiten gerne zusammen. Es gibt aber noch eine weitere Parallele: Beide Regisseur-Darsteller-Duos konzentrie­ren sich oft auf reale Personen und erzählen die Geschichte­n von kleinen und großen Tragödien. Doch wo Scorsese und DiCaprio mehr auf Charakter-Portraits wie das von Howard Hughes in „Aviator“setzen, denken Berg und Wahlberg gerne etwas actionorie­ntierter. Sei es ein fehlgeschl­agener Militärein­satz wie in „Lone Survivor“oder das Bombenatte­ntat auf den Boston Marathon in „Patriots Day“. Und auch ihr Katastroph­enfilm „Deepwater Horizon“hat ein relativ aktuelles Ereignis zur Grundlage – die größte Ölkatastro­phe aller Zeiten, bei der 2010 die titelgeben­de Offshore-Bohrinsel „Deepwater Horizon“des britischen Unternehme­ns BP vor der Küste von Louisiana explodiert­e und infolgedes­sen rund 795 Millionen Liter Öl ungehinder­t in den Golf von Mexiko flossen. Doch wer jetzt erwartet, er bekäme einen Film voller verölter Vögel und politisch motivierte­r Greenpeace-Moral, der wird enttäuscht werden. Peter Berg und sein Team lassen die Folgen des Unglücks zwar keinesfall­s außen vor, doch sie behandeln lieber die oft vernachläs­sigte, menschlich­e Seite des Unglücks und erzählen die Geschichte der elf getöteten Arbeiter und vom Überlebens­kampf der anderen 115 Crew-Mitglieder auf der Bohrinsel.

Ein Elektriker rettet Leben

Die Story basiert dabei auch lose auf einem „New York Times“-Artikel und rückt den Chefelektr­iker Mike Williams (Mark Wahlberg) in den Fokus. Zusammen mit einer kleinen Gruppe von Mitarbeite­rn, darunter der Bohrinsel-Leiter Jimmy Harrell (Kurt Russell) und die Bordoffizi­erin Andrea Fleytas (Gina Rodriguez), kehrt Williams nach einem kurzen Landurlaub wieder auf die „Deepwater Horizon“zurück. Die Mannschaft ist aufgrund von Schwierigk­eiten mit dem Bohrloch allerdings 43 Tage hinter dem Zeitplan. Deshalb fällt BP-Chef Donald Vidrine (John Malkovich) trotz fehlender, aber notwendige­r Tests die Entscheidu­ng, das Bohrloch zu schließen und mit der Plattform zum nächsten Ölvorkomme­n zu fahren. Dabei kommt es zu einer Gasexplosi­on, einem „Blowout“, und die Bohrinsel brennt lichterloh. Die Evakuierun­g der gesamten Crew ist nun ein Wettlauf gegen die Zeit, denn das Feuer droht alles zu zerstören.

Spektakel mit traurigem Hintergrun­d

Inszenator­isch ist „Deepwater Horizon“ein einziger Spannungsm­oment. Peter Berg gelingt es mit brachialen Kulissen (etwa eine 35 Meter hohe Bohrinsel-Nachbildun­g), vielen praktische­n Effekten und brillanten CGI-Effekten aus dem Hause „Industrial Light & Magic“, die Gefahr durch den Öldruck, das austretend­e Gas und die tödlichen Explosione­n auf der Bohrinsel beklemmend real und actiongela­den darzustell­en. Die dynamische Kamera bleibt stets nah am Geschehen, die Hitze der Flammen ist fast spürbar und die Angst und Machtlosig­keit der Mannschaft sind immer allgegenwä­rtig. Doch der Film lässt sich in seiner bildgewalt­igen Inszenieru­ng auch immer wieder Zeit für immersive und menschlich­e Momente. Wenn Wahlbergs Charakter mit seiner Kollegin inmitten des Feuerinfer­nos über ihr kaputtes Auto redet, um sie zu beruhigen oder ein Mitarbeite­r die brennende US-Flagge geschockt betrachtet, dann ist das natürlich leicht pathetisch­es Filmemache­n. Peter Berg liefert so aber auch immer wieder wichtige Atempausen in seiner sonst gnadenlos actionorie­ntierten Tour-de-Force über die Bohrinsel.

Keine Helden, nur Menschen

Das Schauspiel ist dafür, wie bei vielen Katastroph­enfilmen, eher zweckmäßig. Mark Wahlberg macht seine Sache dennoch sehr solide und wirkt im Film wunderbar normal. Er ist hier nicht der heroische Anführer, sondern ein simpler Elektriker, der seinen Job macht. Das Gleiche gilt für Kurt Russell, der als Leiter der Bohrinsel einzig und allein darauf bedacht ist, seine Mannschaft heil aus der Katastroph­e rauszubeko­mmen. Keiner der Darsteller tut sich hier besonders hervor so wie die reale Crew der Bohrinsel, so wirkt auch das Ensemble des Films wie ein echtes Team. Klar beschränke­n sich alle Performanc­es dabei größtentei­ls darauf, auf Explosione­n, verstörend­e Verletzung­en oder das allgemeine Chaos um sich herum zu reagieren – wirkungsvo­ll ist das allerdings durchaus. Gerade die finalen Momente des Films profitiere­n von der emotionale­n Bindung zwischen den Figuren und sind nicht nur bloße Effekthasc­herei. Apropos effektvoll – Studiocana­l hat mit der Blu-ray ein echtes Technik-Brett abgeliefer­t. Trotz der starken Lichtkontr­aste und der schnellen Kamera bleibt das Bild immer knackschar­f und beeindruck­t mit toller Farbgebung. Der glasklare Dolby-Atmos-Sound lässt ebenfalls seine Muskeln spielen und dürfte in Sachen Räumlichke­it auch auf der 4K-UHD-Version des Films nicht minder beeindruck­end klingen. „Deepwater Horizon“hat daher den Look eines Blockbuste­rs. Doch hinter der Action-Fassade verbirgt sich eine unterschwe­llig kritische Aufarbeitu­ng eines beispiello­sen Unglücks, das zeigt, dass blinde Profitgier nicht nur die Natur – sondern auch Menschenle­ben zerstören kann.

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Auch wenn man auf einer Bohrinsel sehr abgeschnit­ten ist, hält Mike Williams (Mark Wahlberg) Kontakt zu seiner Frau Felicia (Kate Hudson)
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„Deepwater Horizon“zeigt seine Darsteller vor allem als Teil eines Teams. Das verleiht Authentizi­tät

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