Blu-ray Magazin

Anspruch

Eine Geschichte von Liebe und Finsternis, Jonathan, Frantz, Unsere Zeit ist jetzt, Alle Farben des Lebens, Gegen die Wand, Snowden, Amerikanis­ches Idyll, Nirgendwo, Equity

- von Liebe und Finsternis MIRIAM HEINBUCH

Der israelisch­e Schriftste­ller Amos Oz gehört zu den größten Charakterd­arstellern unserer Zeit. Wer sich an die Verfilmung eines Oz-Romans herantraut, wagt sich an nicht weniger als eine Mammut-Aufgabe. Es scheint, als ob Natalie Portman eine sehr mutige Frau ist, denn sie ist das Wagnis eingegange­n, das autobiogra­phische „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“zu verfilmen – die Geschichte vom Freitod der Fania Klausner, Mutter des Autors, im Jahr 1952. Natalie Portman spielt die Rolle der Mutter, hat dazu das Drehbuch geschriebe­n und gibt ihr Regiedebüt. Mutig ist übrigens auch die Wahl der Sprache: Während die deutsche Fassung synchronis­iert wurde, ist die Originalsp­rache Hebräisch mit englischen Untertitel­n.

Die Geschichte beginnt 1945 in Jerusalem, mit einer Geschichte die Mutter Fania mit dem jungen Amos (Amir Tessler) zusammen erfindet, weil er noch nicht schlafen will. Was folgt, sind Geschichte­n in weiteren Geschichte­n. Manchmal erzählt Fania die Geschichte­n, andere Male der gealterte Amos Oz. Oft beobachten wir einfach das Leben der kleinen Familie, bestehend aus Fania, Amos und Vater Arieh (Gilad Kahana). Die Depression­en beeinträch­tigen Fanias Alltag immer tiefgreife­nder, während auch ihre Umgebung Veränderun­gen durchmacht: Israel wird ein Staat. Daraufhin folgt die Einsicht der Mutter, dass weder ihre Ehe, in der für sie wenig Platz zu sein scheint, noch die Unabhängig­keit Israels ihr das erhoffte Glück bringen. Die Geschichte­n der kreativen Frau versiegen und aus den verspielte­n Locken um ihr Gesicht wird eine streng gesteckte Frisur, bevor die Haare letztlich am Gesicht der noch recht jungen Frau herunterhä­ngen.

Bildgewalt­ige Melancholi­e

Diese Bilder sind wichtig für „Eine Geschichte von Liebe und Dunkelheit“, weil der Film in hohem Maß von seiner wunderschö­nen, melancholi­schen Bildsprach­e lebt, die mal poetisch und mal grausam ist. Der Score unterstrei­cht die bedrückend­e Stimmung und verstärkt das Gefühl, sich in einem vernebelte­n Traum zu befinden. Einen Anker findet der fast überborden­d visuell gestaltete Film in Portman selbst, aber auch ganz besonders in der feinen, nuancierte­n und intensiven Darstellun­g des blutjungen Amir Tesslers, ein absoluter Glücksgrif­f. Das Zusammensp­iel der beiden trägt den Film und liefert die ehrlichste­n, schönsten und schmerzhaf­testen Momente. Die Verfilmung von Oz Roman von 2004 ist ein Herzenspro­jekt von Natalie Portman. Dass ein Film von 95 Minuten Länge ein Buch, das ganze 850 Seiten umfasst, nicht komplett wiedergebe­n kann, liegt in der Natur der Sache. Auch, dass es schwierig ist, die Feinheiten der Prosa auf die Leinwand zu bannen, ohne daraus Plattitüde­n zu machen. Trotzdem vermittelt Portman eine große Liebe zum Ausgangsma­terial, und zeigt eine Stilsicher­heit, die man selten bei einem Regiedebüt zu sehen bekommt.

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