Special Interest
Wölfe, Wildes Niedersachsen, Die Elbphilharmonie, The Beauty Of Gemina, Mumford & Sons, Between Dog & Wolf
Viele Märchen und Mythen unserer westlichen Welt erzählen die Geschichte vom großen, bösen Wolf. Sagen über Werwölfe berichten von blutrünstigen und mörderischen Raubtieren, die unsere Kinder verschlingen. Auch im beliebten Märchen vom Rotkäppchen verkörpert der Wolf ebenso selbstverständlich den hinterlistigen und skrupellosen Bösewicht wie schließlich der Jäger den heldenhaften Retter darstellt. Seit dem 15. Jahrhundert wurden Wölfe in Europa gezielt verfolgt und getötet und auch in den Vereinigten Staaten hat ihr schlechter Ruf lange überlebt, sodass die einst reichhaltigen Bestände hierzulande wie in den USA stark dezimiert wurden. Julia Huffman ließ ihren Film auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter finanzieren, um vor allem Tierschutzorganisationen und leidenschaftliche Wolfsfreunde zu Wort kommen zu lassen und um über den derzeitigen politischen Standpunkt der USA und einzelner seiner Bundesstaaten in Bezug auf den Wolf und seinen Schutz aufzuklären.
Wolf und Mensch
„Wölfe“ist keine Naturdokumentation im klassischen Sinne. Im Vordergrund steht vor allem die Beziehung zwischen Wolf und Mensch. Huffman geht von einer einzigartigen Verbindung aus. Daher wird vor allem die Sicht derer beleuchtet, die auf eine enge und persönliche Art mit den Wölfen zusammenleben, mit ihnen arbeiten oder sich auf sonst eine besondere Weise mit ihnen verbunden fühlen. Im Mittelpunkt steht der Fotograf Jim Brandenburg, der beinahe sein ganzes Leben für den National Geographic gearbeitet hat. Er lebt bis heute alleine in der Wildnis von Minnesota, mitten im Wolfsgebiet und hat jahrelang ein einheimisches Rudel mit seiner Kamera begleitet. Seine Erfahrungen ziehen sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film. Des Weiteren kommen wissenschaftliche und ökologische Positionen zu Wort. So scheint der Wolf einen bedeutenden und stärkenden Einfluss auf das ökologische Gleichgewicht seiner Umwelt zu haben. Eine der außergewöhnlichen Perspektiven eröffnet Larry Stillday alias „Großer Wolf“, Ältester der Ojibwe Red Lake Nation, eines souveränen Indianerreservats in Minnesota. Seine Sichtweise auf den Wolf ist vor allem spiritueller Natur und geprägt durch die religiöse und kulturelle Geschichte seines Stammes.
Aber auch die Gründer und Mitglieder der gemeinnützigen Organisation „Wolf Connection“können über interessante Erfahrungen berichten. Sie bieten Führungen und Ausflüge mit zahmen Wölfen an und arbeiten vor allem mit Problemkindern aus den Großstädten. In beiden
Fällen wird den Wölfen eine vertraute und heilsame Verbindung zum Menschen zugeschrieben.
Wolfsblut
Neben dieser persönlichen Perspektive steht zudem ein politisch aufklärerischer Aspekt im Vordergrund. In den USA wurde das Gesetz zum Artenschutz des Wolfes mehrmals gekippt und wieder eingeführt. Diese Debatte scheint sich schon über Jahrzehnte hinweg zu ziehen. So ist der Wolf in den wenigen Gebieten seiner Verbreitung immer noch eine beliebte Trophäe für Jäger und das beinahe unabhängig davon, ob die Jagd nun zeitweise als legal oder illegal festgelegt wurde. Das ausführliche Eintauchen der Dokumentation in die staatliche und bundesstaatliche Gesetzgebung adressiert vornehmlich an ein amerikanisches Publikum und formuliert dementsprechend einen indirekten Aufruf zum politischen Aktionismus gegen die Wolfsjagd. Dadurch tritt aber auch der Wolf selbst als Thema, seine Eigenart und sein Leben in den Hintergrund. Für eine europäische Position könnten viele Ausführungen und Argumentationen daher zu speziell sein. Parallelen und Unterschiede zum Umgang mit und Bild der Menschen von den Wölfen hierzulande werden nicht aufgegriffen. Auch die Fragen des Umweltschutzes, die aufgemacht werden, lassen sich nur bedingt auf die heimischen Zustände beziehen. Die allgemein interessanteren Themen wie soziales Rudelverhalten, ökologische Zusammenhänge, historische Wolfsmythen oder die spirituelle Sichtweise der Indianerstämme kommen aufgrund des politischen Fokus insgesamt zu kurz und werden nur in wenigen Punkten angedeutet. So fühlt man sich als nicht amerikanischer Zuschauer auf eine etwas unglückliche Weise agitiert, ohne dass es einen direkt betrifft.
Natur und Technik
Da die Dokumentation vielfach mit Interviewszenen und historischem Videomaterial arbeitet, das teils entsprechend niedrige Qualität aufweist, gibt es bei weitem nicht so viele Tier- und Landschaftsimpressionen zu sehen, wie man zu Beginn vermutet. Jene wenigen, gezielten Naturaufnahmen beweisen allerdings einen geübten Blick für ästhetische Szenerien und Perspektiven. Ansonsten bleibt die Dokumentation auf einem soliden Fernsehniveau und könnte so auch auf einem der öffentlich-rechtlichen Sender ausgestrahlt werden. Für ein lohnenswertes Heimkinoerlebnis werden aber zu wenig Schauwerte geboten. Bildtechnisch präsentiert sich die Bluray in einem angemessenen Standard. Schärfeund Detailgrad können zumeist überzeugen. Auch das Farbbild gestaltet sich natürlich, wenn auch ein wenig überbelichtet. Die Soundqualität bleibt lediglich durchschnittlich, hat aber auch keine hohen Ansprüche zu erfüllen. In den selten präsentierten Naturszenen bleibt der Klang unbedeutend.