Wonder Woman
Sie gilt neben den beiden Superhelden Batman und Superman als eine der großen Drei bei DC. Im Gegensatz zu ihren Kollegen durfte sie ihre Fähigkeiten (bis auf einen Gastauftritt) aber noch nie auf der großen Leinwand unter Beweis stellen. Nun will Patty J
Als Wonder Woman in einem kleinen Boot mit Steve Trevor auf die düsteren Umrisse der Hauptstadt Englands zufährt, sagt sie entgeistert „Es ist scheußlich!“. Verlockend sieht es auch wirklich nicht aus. Uns jedoch präsentierte sich London von seiner sonnigen und einladenden Seite, als wir im April zur Edit Bay von Warner geladen waren, um einen kleinen Blick hinter die Kulissen von „Wonder Woman“zu werfen. Quasi einen halben Katzensprung von Chinatown entfernt, konnten wir uns dort einen guten Eindruck verschaffen. Wir erhielten eine Präsentation von Executive Producer Rebecca Roven davon, was die Action-Fans erwartet wenn Wonder Woman am 15. Juni in die deutschen Kinos kommt. Außerdem durften wir mit Producer Charles Roven schon einmal einige Szenen im Vorfeld anschauen, wie die oben genannte Ankunft in London, und natürlich der Regisseurin Patty Jenkins auch persönlich ein paar Fragen stellen. Und was uns erwartet, ist nicht weniger als ein neuer Actionstar am Himmel der Comicverfilmungen. Die israelische Schauspielerin Gal Gadot durfte sich in ihrer Rolle als Wonder Woman bereits in „Batman vs. Superman“warm spielen und war schon dort ein erfreulicher Lichtblick von Wärme, Kraft und Vernunft. Nun darf sie in ihrem Solo-Film überzeugen, und da „Wonder Woman“nicht als Auftakt eines Franchise gedacht ist, sondern für sich stehen soll, fährt Patty Jenkins in ihrer Origin Story der universellen Superheldin gleich einiges an Geschützen auf – im wahrsten Sinne des Wortes. Sie hatte auch viel Zeit, sich ein solides Konzept zu überlegen, denn Jenkins wollte diesen Film bereits seit zehn Jahren drehen. Aber kommen wir zunächst einmal zurück zu den Anfängen Wonder Womans, und zwar sowohl im Comic als auch im Film.
Die Anfange
Wonder Woman, oder auch Diana Prince, war die erste Superheldin des DC-Verlages. Diana ist passenderweise auch der Name der römischen Göttin der Jagd, Beschützerin von Frauen und Mädchen. Ihren ersten Auftritt konnte sie in den All Star Comics 8 im Jahre 1941 verbuchen. Erschaffen wurde die schöne Amazone vom namhaften Psychologen William Moulton Marston und seiner Frau Elizabeth Holloway Marston. Insbesondere William Marston, der als Feminist bekannt war, fand, dass die Welt etwas weibliche Tugend vertragen könnte. Seine Antwort war unsere erste klassische Superheldin, oder wie er meinte, die neue Art Frau von der er fand, dass
sie die Welt beherrschen sollte. Er hatte die (für heutigen Feminismus wenig zeitgemäße) Vorstellung, dass Frauen das moralisch überlegene Geschlecht seien.
Es gab eine echte Muse für Marstons Vision: seine ehemalige Studentin Olive Byrne – übrigens Nichte der berühmten Feministin Margaret Sanger, die heute für „Planned Parenthood“bekannt ist. Byrne wurde später die Geliebte des Paares und lebte mit ihnen zusammen. Sie hatten auch gemeinsame Kinder. Aufgrund der ungewöhnlichen Konstellation sollen die drei, wenn gefragt, behauptet haben Olive sei Elizabeths verwitwete Schwester und die beiden Frauen teilten weiter ein Zuhause, bis Olive lange nach William starb. Wonder Womans Armschmuck ist von den Armreifen inspiriert, die Olive gern trug. Inwiefern Olive selbst an den Comics mitarbeitete, ist aber
nicht bekannt. So geheimnisvoll all das klingt, so gern deckte Marston die Geheimnisse anderer auf, und er gilt als Erfinder des ersten Lügendetektortests.
Wahrheit und Fesseln
Praktischerweise hat er seiner Wonder Woman auch gleich ihren eigenen Lügendetektor mitgegeben: Ihr Lasso der Wahrheit. Wer damit gefangen wird, der muss ihr die Wahrheit sagen. Für die Waffe gibt es aber noch einen zweiten Grund. Man vermutet nämlich, dass Marstons eigene Faszination für Fesseln und Fetisch die Wahl auf ein Lasso fallen ließ, wobei einer seiner Söhne berichtet, so etwas niemals Zuhause gesehen zu haben. Es ging wohl metaphorisch um die Unterwerfung. Und so verliert auch Wonder Woman ihre Kräfte, wenn sie von einem Mann gefesselt wird. Das ist symbolträchtig in zweierlei Hinsicht, einerseits im Licht der Frauenrechte, denn sowohl Marston, Holloway, Byrne und sogar Zeichner Harry G. Peter hatten starke Verbindungen zu verschiedenen Bereichen der Frauenrechtsbewegung, wo Ketten und Seile als Symbol genutzt wurden. Außerdem ist es Wonder Woman selbst, die sich von den Fesseln befreit. Andererseits mit Blick auf Marstons Interesse für BDSM (Bondage Sado Maso) und seinen nonkonformen Lebensstil. Marston glaubte, dass das den Reiz von Wonder Woman ausmache, dass Frauen Fesseln und Unterwerfung mögen – eine Generalisierung, die sicherlich nicht die gesamte weibliche Weltbevölkerung unterschreiben würde. Warum er sie auch mit einem unsichtbaren Jet ausgestattet hat, ist weniger offensichtlich aber logisch: Zu Beginn konnte Wonder Woman nicht fliegen, sondern lediglich große Sprünge hinlegen. Ironisch, wenngleich auch amüsant in Anbetracht der sexuellen Untertöne ist es dafür, dass Marston in Berührung mit DC Comics kam in einer Rolle als Berater für All-American Publications, um den Comics etwas von ihrem gewalttätigen Schmuddelcharme zu nehmen.
Harte Jahre
Seine Superheldin, die zunächst nach gesundem, ziemlich patriotischem Spaß klang, der Faschismus, Nazis und unterschwelligen Sexismus mit Feminismus bekämpft, sorgte aber natürlich für ausreichend Skandale. Das begann schon mit der Aufmachung: Die Heldin mit der goldenen Tiara, dem roten Bustier, dem blauen Höschen und den hohen Stiefeln hatte nicht wirklich viel an. Dann war da ja noch die Sache mit den Fesseln. Aber insbesondere nach dem Tod von William Moulton Marston machte unsere Superheldin eine schwere Zeit durch. Senator Joseph McCarthy veranstaltete in den 1950ern eine Art Hexenjagd auf alles, was ihm unamerikanisch, unpatriotisch oder gar kommunistisch vorkam. Das erzeugte eine sonderbare, paranoide Stimmung, und auch wenn Wonder Womans Höschen patriotischer kaum sein könnte, war die Amazone manchen ein Dorn im Auge. Der deutsch-amerikanische Psychiater Frederic Wertham veröffentlichte 1954 sein Buch „Seduction Of The Innocent“(„Verführung der Unschuldigen“), in dem er Batman als schwul und Wonder Woman als lesbisch bezeichnete, damals noch etwas Skandalöses. Das könnte auch an Wonder Womans berühmtem Ausruf „Suffering Sappho“liegen, denn Sappho war eine Dichterin, die für Poesie bekannt ist, in der Frauen ihre Zuneigung zu anderen Frauen proklamieren. Übrigens lautet der aktuelle Stand ihrer sexuellen Orientierung nach Autor George Rucka bisexuell. Wertham plädierte für das Ende der Comics. DC musste zwar einige Verkaufseinbußen hinnehmen, aber Superman, Batman und Wonder Woman blieben dennoch bestehen, auch wenn unsere Heldin etwas entschärft wurde in ihren Aussagen.
Origin Stories
Das hat übrigens einen weiteren Grund. Nach dem Tod von Marston 1947 übernahm Robert Kanigher das Ruder, brauchte aber lange, um sich das Konzept zu Eigen zu machen. Schließlich wurde Zeichner Harry G. Peter 1958 durch Ross Andru und Mike Esposito ersetzt. Bezeichnet man die Marston-Jahre als das Goldene Zeitalter, so erfuhr Wonder Woman im Silbernen Zeitalter eine Generalüberholung in Form einer neuen Entstehungsgeschichte. Zu Beginn ist Wonder Woman eine Heldin, die ihre Kraft aus der Utopie schöpft, in der sie ohne soziale Beeinträchtigungen auf der Insel Themyscira, oder Paradise Island, aufgewachsen ist. Ihre Mutter Hyppolita (unter Marston noch Hyppolite), Königin der Insel, formt die Amazonenprinzessin aus Ton und lässt sie von den Göttern erwecken und mit Superkräften beschenken. Steve Trevor, der zufällig Nazijäger ist, landet zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs auf der Insel und Diana erkämpft sich im Wettbewerb das Recht, ihn zu begleiten und in seinem Kampf zu unterstützen. In Kanighers Geschichte hatten die Amazonen einst Männer und es waren auch die Männer, die in den Krieg zogen, wo sie allerdings von ihren Feinden ausgelöscht wurden. Dafür gab er Diana aber auch die Fähigkeit, zu fliegen. Kanigher ließ Diana von den Gottheiten in der Wiege segnen, so dass sie schön wie Aphrodite wurde, weise wie Athene, stark wie Herkules und schnell wie Hermes. Seit 2011 gilt Wonder Woman als Halbgöttin, leibliches Kind von Hyppolita und Zeus. Mal sehen, wie lange das so bleibt.
Auf zur Insel
Auch in London werden wir sowohl mental als auch anhand von Artwork und Bildern nach Themyscira versetzt, während wir in einem kleinen Kinosaal mit vielen kleinen Lichtern an der Decke sitzen. Executive Producer Rebecca Steel Roven erläutert uns ausführlich den Ausgangspunkt des Films. Es beginnt alles mit einer Retrospektive: Diana arbeitet in Paris in einem Museum, als sie ein Bild von Bruce Wayne erhält, das sie schlagartig zurück zu ihren Wurzeln versetzt. Die achtjährige Diana erfährt über das Schicksal der Amazonenkriegerinnen durch die Geschichten, die Hyppolita (Connie Nilsen) ihrer kleinen Prinzessin vorliest. Die Amazonen wurden von Zeus erschaffen, um für Frieden zu sorgen, als er sich erschüttert über die Handlungen des Kriegsgottes Ares zeigte. Für eine Weile schaffen sie das auch, müssen dann aber auf die Insel fliehen. Zeus hinterlässt ihnen das „Godkiller“Schwert, und Diana wünscht sich, diejenige zu sein die das Schwert führen darf. Hyppolita allerdings will Diana von all dem fern halten. General Antiope (Robin Wright) trainiert die Prinzessin heimlich, und als die Königin davon erfährt, erlaubt sie es sogar – unter zwei Bedingungen: Diana soll härter trainiert werden als irgendeine
Amazone vor ihr, darf aber nie erfahren was sie ist. Dann landet der amerikanische Offizier Steve Trevor auf der Insel. Er wird gespielt von Chris Pine, und wie Rebecca Roven schmunzelnd betont, hätten wir es alle schlechter treffen können. Ihm folgt der Feind dicht auf den Fersen, und der Zuschauer kommt sogleich in den Genuss eines eigens für den Film entwickelten Amazonen-Kampfstils namens „Fierce Grace“(„Kämpferische Anmut“), der auch ohne Schusswaffen auskommt. Steve muss seine Absichten erläutern und erzählt vom Krieg.
Diana ist überzeugt, dass hinter allem in Wahrheit Erzfeind Ares steht und folgt Steve, um mit ihm den Krieg zu kämpfen, der alle Kriege beenden soll. Auf sie warten General Ludendorf, Dr. Maru (oder auch Dr. Poison) und eine potentielle Massenvernichtungswaffe. Der Film stellt eine Ursprungsgeschichte dar, und als es darum ging, welche Origin Story denn bei so vielen Versionen nun erzählt werden soll, besann sich Patty Jenkins auf das Original. „Die heilige Bibel der Wonder Woman ist für mich das Marston Original, und dann haben wir noch von denen genommen, die diese Geschichte meiner Meinung nach mit noch mehr Detail ausbauen und aktualisieren“ erzählt die Regisseurin. „Ich denke es gibt eine Million tolle Versionen von Wonder Woman da draußen, und verschiedene Menschen haben verschiedene Versionen davon, aber die universellste von ihnen ist das Original, das all die Jahre Resonanz hatte, und die, die auf ihr aufbauen. Ich wollte mich wirklich auf den Kern von Wonder Woman konzentrieren.“In den Szenen, die uns Producer Charles Roven zeigt, ist auch Wonder Woman selbst ein sehr universeller Charakter, mal naiv, mal witzig, aber immer warmherzig und liebevoll und stark.
Klassische Helden
Die Balance zwischen Witz und Action wirkt gut gelungen. „Ich habe mich gefragt was ich machen möchte, und was ich machen will, ist großes klassisches Kino“erläutert Jenkins. Dafür hat sie sich von „Superman“, „Casablanca“und „Indiana Jones“beeinflussen lassen, was auch schon verrät: Es wird neben Lachern und Spannung eine Liebesgeschichte geben. Der universelle Charakter von Wonder Woman ist auch das, was den Film, der gediegene Girl Power bietet, ebenfalls für die männlichen Zuschauer reizvoll macht, die den Großteil der Leserschaft der Comics ausmachten. „Sie ist ein wundervoller Charakter. Große männliche Charaktere haben beide Geschlechter angesprochen, weil sie liebenswert, lustig, heldenhaft und charmant sind. Das ist genau die Art, wie ich mich ihr angenähert habe. Sie ist lustig, universell und will die selben Dinge wie alle anderen auch. Ich habe mich auf ihre universellen Wünsche konzentriert. Sie will nicht die Dinge, die eine Frau will, sie will die Dinge, die jeder will. Sie will die Welt retten, sie will gut sein, sie will den Menschen helfen. Sie will all diese Dinge tun.“Deshalb hat sich Patty Jenkins entschieden, die Geschichte nicht über ihr Frau-sein zu machen, sondern über eine Heldin, die eben auch zufällig eine Frau ist. Gerade daraus bezieht der Film auch seine lustigen Momente, denn ihr Unwissen über die Welt außerhalb von Themyscira sorgt dafür, dass Diana immer wieder unbeabsichtigt den Sexismus des Englands vor hundert Jahren ad absurdum führt, weil sie davon ausgeht, alles machen zu können wie sie es gewohnt ist. Ob sie ihren Mantel öffnet und dabei zeigt dass sie für damalige Londoner Verhältnisse zu wenig Kleidung trägt, oder ein Kleid mit Korsett anprobiert – die Komik entsteht aus dem Kulturclash. Für Jenkins wäre
es ein großer Sieg, wenn man mit jedem, der zu einer Subkultur gezählt wird, einen Film über alles Mögliche machen kann, und eben nicht über die Subkultur.
Ein langer Weg
Wie zu Beginn erwähnt wollte Patty Jenkins „Wonder Woman“schon seit einem Jahrzehnt drehen. Davor aber wurde sie mit „Monster“berühmt. Danach wäre sie beinahe Teil des Marvel Universums geworden, und hat mit der Krimi-Serie „The Killing“ähnlich wie bei „Monster“das Publikum mit einer Frau mit Ecken und Kanten in der Hauptrolle fasziniert. Nun ist sie nicht nur die erste Frau, die bei einem Big Budget-Film von über 100 Millionen Dollar Regie führt, sondern bringt auch eine Heldin auf die Leinwand, die im Gegensatz zu ihren Kollegen Batman und Superman schon locker über 70 Jahre auf eine Verfilmung wartet – von der Serie mit der charmanten Lynda Carter, die in den 1970ern drei Staffeln lang über heimische Bildschirme flimmerte, natürlich abgesehen. Die Zeit musste reif werden, um „Wonder Woman“auf die große Leinwand zu bringen, denkt Jenkins. Filme wie „Die Tribute von Panem“haben der Branche in den letzten Jahren gezeigt, dass Kinogänger durchaus Freude an einer Actionheldin haben können. Als Jenkins ihre Heldin konzipierte, gab es ein Klischee das sie keinesfalls bedienen wollte: „Ich denke, die Reaktion auf die Angst, dass da eine weibliche Superheldin ist, war, sie härter und kälter zu machen, als man es sonst tun würde. Das ist eine Stereotypie die ich loswerden wollte. Ich muss nicht beweisen, dass sie stark ist. Sie ist eine Göttin. Sie ist die Stärkste. Von allen Superhelden ist sie ganz oben. Was ich an Wonder Woman liebe, ist wie liebevoll, gütig und umsichtig sie ist und wie schön der Sinn für Moral ihrer Mission ist.“Ihre Figur sollte nicht nur stark sein, sondern auch lustig und für die Liebe, Wahrheit und Schönheit stehen. Eine größere Änderung gibt es übrigens: „Wonder Woman“spielt im Ersten Weltkrieg, nicht im Zweiten. Eine Idealistin wie Wonder Woman ist aber zeitlos und kommt auch jetzt wie gerufen. Wer wissen möchte, wie es danach mit der Amazonenprinzessin Diana weitergeht, muss nur bis zum Herbst warten: Der Kinostart von „Justice League“ist für den 16. November angesetzt. Im März nächsten Jahres gibt es bereits Neues aus dem DC Universum mit „The Flash“und der Kinostart von „Aquaman“hat sich auf Dezember 2018 verschoben.