Das Morgan Projekt
Eine Frau kommt mit einem Tablett in einen geschlossenen Raum, setzt sich mit dem Essen an einen Tisch. Ihr gegenüber sitzt ein junges Mädchen, sie sieht aus wie ein Teenager in einem grauen Kapuzenpulli. Die beiden essen, die Frau redet. Plötzlich springt das Mädchen über den Tisch und geht auf die Frau los. Blut spritzt, Helfer kommen hereingerannt und das Mädchen entfernt sich vom Tisch. Allerdings ist Morgan (Anya Taylor-Joy) keine normale Jugendliche, sie ist ein Forschungsprojekt, „Das Morgan Projekt“.
Objekt oder Subjekt?
Der Vorfall ruft auch Risikomanagement-Gutachterin Lee Weathers (Kate Mara) auf den Plan. Die sehr reservierte Lee versucht zunächst in der streng geheimen Forschungsstation ordentlich anzukommen, die aussieht wie eine Villa mit hochgesicherten Räumen. Dort betrachtet man sie mit einer gewissen Skepsis. Sie sucht das Gespräch mit der verletzten Wissenschaftlerin Kathy (Jennifer Jason Leigh) und schnell wird klar, womit sie es zu tun hat: Während Lee von Morgan, einem künstlich erschaffenen und mit synthetischer DNA ausgestatteten Menschen, als „es“redet, besteht die Forschercrew darauf, Morgan als „sie“zu bezeichnen. Zum einen wird sie als der große Durchbruch des Teams gerechnet. Zum anderen ist sie den Wissenschaftlern in den vergangenen fünf Jahren ans Herz gewachsen, und sie sehen in ihr fast schon ein eigenes Kind. Sie konnten sie aufwachsen sehen und hängen an ihr. Besonders Amy (Rose Leslie) ist fest entschlossen, das Mädchen zu beschützen. Lee sieht Morgan hingegen als Produkt ihres Unternehmens und muss herausfinden, ob es ein einmaliger Vorfall war oder ob Gefahr von ihr ausgeht. Ihre Vorsicht ist nicht unbegründet, denn ein paar Jahre zuvor ging in Helsinki ein ähnliches Projekt furchtbar schief, das unter den Forschern viele Opfer forderte.
Wer spielt mit wem?
Für den Zuschauer bleibt Lee ein ähnlich verschlossenes Rätsel wie für die Forscher auf der Station. Morgan hingegen dürfte diejenigen, die vor der Leinwand sitzen deutlich weniger überraschen als die, die auf der Leinwand versuchen das Mädchen zu schützen. Es ist trotz allem Science Fiction mit Einschlägen von Horror, die sich in Grau-, Blau- und Grüntönen entfalten. Man hat schnell seine Vermutungen über Lee und Morgan, und als die Sache blutig wird, denkt man sich schon fast unverblüfft „Tja, das ist ja schnell eskaliert“. Zwischen den Szenen stehen hier und da Rückblenden, die zeigen sollen, wie sich Morgan entwickelt hat, was sie geformt hat. Auch wenn die Geschichte von Regisseur Luke Scott, dessen Vater Ridley Scott als Produzent mitgewirkt hat, oft recht vorhersehbar wirkt, ist die Spannung trotzdem gut aufgebaut und man kriegt die eine oder andere kleine Gänsehaut. Die kühle Stimmung allein sorgt schon für Beklemmung, auch wenn sie es teilweise schwierig macht, echte Nähe zu den Figuren zu spüren, für die sicher die Retrospektiven sorgen sollen. Manches kommt dann auch doch ganz anders, als erwartet.
Was eigentlich ein wenig aus dem Takt wirkt in diesem Film, der bild- und tontechnisch stilsicher daherkommt, ist das Tempo. Vielleicht hätte der Plot besser zu einer Serie gepasst, oder einem Film mit mehr Spiellänge. Das hätte der Entwicklung der Handlung und Charaktere insofern besser gestanden, dass viel unausgeschöpftes Potenzial sich hätte entwickeln können. So bleibt vieles unbeantwortet und man hat gar nicht die Zeit, sich in den anderthalb Stunden mit all den aufgeworfenen ethischen Fragen ausreichend auseinanderzusetzen. Mit anderen Worten: Der Film ist sehenswert. Nur, dass man gerne noch mehr davon sehen würde. Im Bonusmaterial befinden sich eine Kurzdoku, ein Kurzfilm und gelöschte Szenen inklusive Audiokommentar. Das Menü sieht darüber hinaus sehr schick aus.