LOVE & FRIENDSHIP
Die obskure Dramedy „Love & Friendship“passt auf den ersten Blick nicht so recht ins Schema bisheriger Verfilmungen von Jane-Austen-Romanen. Was dem gewohnt toll ausstaffierten Kostümfilm aber an traditioneller Erzählweise fehlt, macht er mit kecken Dialo
Wenn man den Namen Jane Austen hört, denkt man zuerst an Klassiker wie „Stolz und Vorurteil“oder „Emma“– Geschichten von starken Frauen aus der britischen „Upper Class“, Liebeleien, Machtspielchen und gebrochene Herzen. Auch der frühe Austen-Briefroman „Lady Susan“handelt im Kern von den gleichen Themen, packt sie aber auf eine äußerst eigenwillige Art und Weise an. Die Novelle, die erst lange Zeit nach dem Tod der britischen Bestseller-Autorin veröffentlicht wurde, schlägt einen weitaus verspielteren und manchmal rebellischen Ton an, was sich auch in Whit Stillmans Leinwand-Adaption „Love & Friendship“(Startschuss der neuen KSM-Dachmarke „Literatur Classics“) widerspiegelt. Wer hier die typische Story von einer schüchternen Jungfer erwartet, die voller Sehnsucht einen reichen Edelmann anschmachtet, der wird überrascht werden. Sowohl in der literarischen Vorlage als auch im Film werden Rollenbilder und Erwartungshaltungen reihenweise auf den Kopf gestellt: Die plakative und ungelenke Vorstellung der Charaktere, die sprunghafte Narrative und der oft kuriose sowie augenzwinkernde Humor sind da nur die Spitze des erzählerischen Eisbergs. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man denken, es handele sich um eine Persiflage von Austens Werken aus der Feder ihres literarischen Zeitgenossen Henry Fielding. Doch genau dieser selbstironische Ton steht dem Film am Ende wunderbar zu Gesicht.
Herzensbrecherin mit Stil
Im Mittelpunkt der Geschehnisse steht die burschikose Lady Susan Vernon (Kate Beckinsale), die einen eher zweifelhaften Ruf genießt. Die hochintelligente und gleichermaßen bildschöne Intrigantin ist nach dem Tod ihres Gatten
nämlich erneut auf Männer- und Geldsuche. Ihr auserkorenes Objekt der Begierde ist der reiche, aber leider schon vergebene Lord Manwaring (Lochlann O’Mearáin). Während Lady Susan versucht, sich ins Herz des Edelmanns zu flirten und dessen Ehe klammheimlich zu zerstören, wohnt sie bei Ihrer Schwägerin Lady Vernon (Emma Cromwell), die vom neuen Hausgast gar nicht angetan ist. Sie fürchtet nämlich, dass ihr Bruder Reginald (Xavier Samuel) dem Charme von Lady Susan ebenfalls verfällt. Und als ob das noch nicht genug wäre, will Susan mithilfe ihrer besten Freundin Alicia Johnson (Chloë Sevigny) ihre Tochter Frederica (Morfydd Clark) mit dem extrem dümmlichen, aber auch extrem reichen Sir James Martin (Tom Bennett) verkuppeln.
Bourgeoisie mal anders
Dass man als Zuschauer bei all den vielen Lords, Ladys und anderen Adligen schnell den Überblick darüber verlieren kann, wer hier wen liebt und warum, weiß der Film selbst ganz genau und stellt seine Charaktere deshalb gleich zu Beginn schon fast höhnisch in witzigen, aber etwas plumpen Charakterpotraits vor. Generell ist in „Love & Friendship“vieles sehr Austen-untypisch. Das Erzähltempo ist im Vergleich zu den bisherigen Verfilmungen bemerkenswert hoch und ähnelt in seiner Präsentation mehr einer Theateraufführung. Der oft fehlende Tiefgang und manch spärlich gezeichnete Figur werden von den guten Dialogen und der leichtfüßigen Komik immer wieder aufgefangen. Hinzu kommt, dass Lady Susan mit ihrer taffen und enorm manipulativen Art im krassen Kontrast zu den üblichen Romanheldinnen der damaligen Zeit steht und mit ihren skrupellosen Methoden auch die nötige Abwechslung in den längst altbekannten „courtship plot“bringt.
Britische Frauenpower
Diese erfrischend fremdartige Inszenierung wird von einem brillant spielenden Ensemble getragen, das zu jeder Minute genau weiß, was es zu tun hat, um den kruden Figuren Leben einzuhauchen. Hervorzuheben ist dabei natürlich die vielschichtige Performance von Kate Beckinsale („Underworld“), die den altehrwürdigen Stil und die moderne Selbstbestimmtheit von Lady Susan nuanciert miteinander verbindet. Wenn sie mit ihrer Freundin Alicia (Chloë Sevigny – unkonventionell wie immer) eine neue Intrige spinnt und den Männern mit ihren Reizen und vorgegaukelten Gefühlen den Kopf verdreht, nur um sich ihren Platz in der Oberschicht zu ergattern, dann kann man nicht anders, als dieser Frau Respekt zu zollen. Ein weiteres Highlight ist Tom Bennett, der als einfältiger Baron oft an der Grenze zur Karikatur kratzt und so für die größten Lacher im Film sorgt.
Englands Glanz und Gloria
So fremdartig sich „Love & Friendship“auf inszenatorischer Ebene gibt, so wunderbar altmodisch ist seine Präsentation. Die Ausstattung ist gewohnt erstklassig, die Kulissen und Kostüme sind so britisch wie der Fünf-Uhr-Tee. Wie für einen Film dieser Art üblich, dominieren satte Farben und eine natürliche Lichtstimmung das Bild, was allerdings hin und wieder zu blassen Schwarzwerten und Bildrauschen führt. Die Soundkulisse bietet zwar nur wenig Dynamik, dafür sind die Dialoge glasklar abgemischt und der unaufdringliche Klassik-Score sorgt für das bekannte Jane-Austen-Flair. Auch wenn das Bonusmaterial mit einer 10-minütigen Featurette weniger üppig und royal ausfällt, so ist „Love & Friendship“dennoch eine willkommene und kurzweilige Abwechslung für alle Fans der üblichen, britischen Kostümdramen.