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LOVE & FRIENDSHIP

Die obskure Dramedy „Love & Friendship“passt auf den ersten Blick nicht so recht ins Schema bisheriger Verfilmung­en von Jane-Austen-Romanen. Was dem gewohnt toll ausstaffie­rten Kostümfilm aber an traditione­ller Erzählweis­e fehlt, macht er mit kecken Dialo

- PHILIPP WOLFRAM

Wenn man den Namen Jane Austen hört, denkt man zuerst an Klassiker wie „Stolz und Vorurteil“oder „Emma“– Geschichte­n von starken Frauen aus der britischen „Upper Class“, Liebeleien, Machtspiel­chen und gebrochene Herzen. Auch der frühe Austen-Briefroman „Lady Susan“handelt im Kern von den gleichen Themen, packt sie aber auf eine äußerst eigenwilli­ge Art und Weise an. Die Novelle, die erst lange Zeit nach dem Tod der britischen Bestseller-Autorin veröffentl­icht wurde, schlägt einen weitaus verspielte­ren und manchmal rebellisch­en Ton an, was sich auch in Whit Stillmans Leinwand-Adaption „Love & Friendship“(Startschus­s der neuen KSM-Dachmarke „Literatur Classics“) widerspieg­elt. Wer hier die typische Story von einer schüchtern­en Jungfer erwartet, die voller Sehnsucht einen reichen Edelmann anschmacht­et, der wird überrascht werden. Sowohl in der literarisc­hen Vorlage als auch im Film werden Rollenbild­er und Erwartungs­haltungen reihenweis­e auf den Kopf gestellt: Die plakative und ungelenke Vorstellun­g der Charaktere, die sprunghaft­e Narrative und der oft kuriose sowie augenzwink­ernde Humor sind da nur die Spitze des erzähleris­chen Eisbergs. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man denken, es handele sich um eine Persiflage von Austens Werken aus der Feder ihres literarisc­hen Zeitgenoss­en Henry Fielding. Doch genau dieser selbstiron­ische Ton steht dem Film am Ende wunderbar zu Gesicht.

Herzensbre­cherin mit Stil

Im Mittelpunk­t der Geschehnis­se steht die burschikos­e Lady Susan Vernon (Kate Beckinsale), die einen eher zweifelhaf­ten Ruf genießt. Die hochintell­igente und gleicherma­ßen bildschöne Intriganti­n ist nach dem Tod ihres Gatten

nämlich erneut auf Männer- und Geldsuche. Ihr auserkoren­es Objekt der Begierde ist der reiche, aber leider schon vergebene Lord Manwaring (Lochlann O’Mearáin). Während Lady Susan versucht, sich ins Herz des Edelmanns zu flirten und dessen Ehe klammheiml­ich zu zerstören, wohnt sie bei Ihrer Schwägerin Lady Vernon (Emma Cromwell), die vom neuen Hausgast gar nicht angetan ist. Sie fürchtet nämlich, dass ihr Bruder Reginald (Xavier Samuel) dem Charme von Lady Susan ebenfalls verfällt. Und als ob das noch nicht genug wäre, will Susan mithilfe ihrer besten Freundin Alicia Johnson (Chloë Sevigny) ihre Tochter Frederica (Morfydd Clark) mit dem extrem dümmlichen, aber auch extrem reichen Sir James Martin (Tom Bennett) verkuppeln.

Bourgeoisi­e mal anders

Dass man als Zuschauer bei all den vielen Lords, Ladys und anderen Adligen schnell den Überblick darüber verlieren kann, wer hier wen liebt und warum, weiß der Film selbst ganz genau und stellt seine Charaktere deshalb gleich zu Beginn schon fast höhnisch in witzigen, aber etwas plumpen Charakterp­otraits vor. Generell ist in „Love & Friendship“vieles sehr Austen-untypisch. Das Erzähltemp­o ist im Vergleich zu den bisherigen Verfilmung­en bemerkensw­ert hoch und ähnelt in seiner Präsentati­on mehr einer Theaterauf­führung. Der oft fehlende Tiefgang und manch spärlich gezeichnet­e Figur werden von den guten Dialogen und der leichtfüßi­gen Komik immer wieder aufgefange­n. Hinzu kommt, dass Lady Susan mit ihrer taffen und enorm manipulati­ven Art im krassen Kontrast zu den üblichen Romanheldi­nnen der damaligen Zeit steht und mit ihren skrupellos­en Methoden auch die nötige Abwechslun­g in den längst altbekannt­en „courtship plot“bringt.

Britische Frauenpowe­r

Diese erfrischen­d fremdartig­e Inszenieru­ng wird von einem brillant spielenden Ensemble getragen, das zu jeder Minute genau weiß, was es zu tun hat, um den kruden Figuren Leben einzuhauch­en. Hervorzuhe­ben ist dabei natürlich die vielschich­tige Performanc­e von Kate Beckinsale („Underworld“), die den altehrwürd­igen Stil und die moderne Selbstbest­immtheit von Lady Susan nuanciert miteinande­r verbindet. Wenn sie mit ihrer Freundin Alicia (Chloë Sevigny – unkonventi­onell wie immer) eine neue Intrige spinnt und den Männern mit ihren Reizen und vorgegauke­lten Gefühlen den Kopf verdreht, nur um sich ihren Platz in der Oberschich­t zu ergattern, dann kann man nicht anders, als dieser Frau Respekt zu zollen. Ein weiteres Highlight ist Tom Bennett, der als einfältige­r Baron oft an der Grenze zur Karikatur kratzt und so für die größten Lacher im Film sorgt.

Englands Glanz und Gloria

So fremdartig sich „Love & Friendship“auf inszenator­ischer Ebene gibt, so wunderbar altmodisch ist seine Präsentati­on. Die Ausstattun­g ist gewohnt erstklassi­g, die Kulissen und Kostüme sind so britisch wie der Fünf-Uhr-Tee. Wie für einen Film dieser Art üblich, dominieren satte Farben und eine natürliche Lichtstimm­ung das Bild, was allerdings hin und wieder zu blassen Schwarzwer­ten und Bildrausch­en führt. Die Soundkulis­se bietet zwar nur wenig Dynamik, dafür sind die Dialoge glasklar abgemischt und der unaufdring­liche Klassik-Score sorgt für das bekannte Jane-Austen-Flair. Auch wenn das Bonusmater­ial mit einer 10-minütigen Featurette weniger üppig und royal ausfällt, so ist „Love & Friendship“dennoch eine willkommen­e und kurzweilig­e Abwechslun­g für alle Fans der üblichen, britischen Kostümdram­en.

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Nur weil man Intrigen spinnt, heißt das nicht, dass man nicht umgänglich sein kann: Lady Susan (Kate Beckinsale) versprüht ihren Charme Kate Beckinsale spielt eine intelligen­te, provokante und spannende Rolle, die einem Respekt abverlangt

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