Anguish – Gequälte Seele
Tess (Ryan Simpkins) ist eine Teenagerin mit enormen psychischen Problemen. Seit sie denken kann, ist sie schon in Behandlung und quasi Dauergast in allerlei Krankenhäusern. Die momentane Medikation scheint ihre Hirnchemie allerdings endlich ins Gleichgewicht zu bringen und ermöglicht ihr einen Neustart in einem neuen Haus und einer neuen Stadt. Als sie eines Tages mit dem Skateboard eine Straße entlang rollt, entdeckt sie am Rand ein Gedenk-Kreuz mit dem Foto einer fremden Teenagerin. Lucy (Amberley Gridley) ist vor kurzem genau an jener Stelle gestorben. Im Streit mit ihrer Mutter stieg das Mädchen aus einem stehenden Auto und wurde von einem heranfahrenden Wagen erfasst.
Es scheint also kein Zufall zu sein, dass nun Tess von einer fremden Macht weg geschleudert wird, eine Bewegung, die Lucy in der Sekunde ihres Todes verinnerlicht hatte. Tess schafft es, sich wieder aufzuraffen und nach Hause zu gehen. Allerdings plagen sie von nun an schwere Halluzinationen. Da sie diesen Umstand aber ihrer Hirnchemie zuschreibt, erkennt sie ihren Zustand nur diffus und kann ihm noch keine wirkliche Ursache zuordnen. In einem Buchladen begegnet sie Lucys Mutter Sarah (Karina Logue) und gibt Sachen von sich, die nur Lucy wissen konnte. Spätestens ab hier ahnt der Zuschauer bereits, dass es sich um einen Film des Exorzismus-Untergenres handelt. Auch, dass ihre Augenfarbe von Blau zu Braun und umgekehrt wechselt, als Tess in den Spiegel schaut, scheint ein klarer Hinweis auf eine fremde Seele zu sein, die nun im Körper der jungen Teenagerin wohnt. Lucy ist wieder da. Und sie hat noch etwas wichtiges zu klären …
Natürliche vs. übernatürliche Erklärung
Ähnlich wie in Peter Jacksons „In meinem Himmel“(2009) geht es hier weniger um die unheimliche Begebenheit, dass ein Geist in einer Zwischenwelt festhängt, und viel mehr darum, dass die gequälte Seele über die verbliebene Familie wachen möchte. Allerdings ist Lucy nicht die Einzige, die Tess als Wirtskörper verwendet, wodurch das Mädchen zu einer unberechenbaren Handlungskomponente wird.
Was Ärzte als gespaltene Persönlichkeit bezeichnen würden, sehen Exorzisten hier als die Fähigkeit eines Mediums an, das als Füllgefäß für die Seelen der Verstorbenen dienen kann. Und diese Fähigkeit lässt auch die Spielart des bösen Geistes zu, der Tess zu schlimmen Taten treibt. Daher ist immer die Frage, was die Geister eigentlich noch in der Welt der Lebenden wollen und ob sie bereit sind, Tess, die des Lebens überdrüssig erscheint, genug Platz für einen eigenen Charakter zu lassen.
Dementsprechend lässt sich die Besitzergreifung durch Geister natürlich auch als Verhinderung der Weiterentwicklung der Teenagerin deuten. Werden die Geister schließlich durch eine Art tiefenpsychologische Erkenntnis „besiegt“, so erhält Tess erneut die Fähigkeit zurück, sich weiter entwickeln und erwachsen werden zu können. Trotz dieser Deutungsmöglichkeit schwebt über dem gesamten Film eine Horror-Atmosphäre, die sich mit Tess‘ unbekanntem (und ungebetenem) „Mitbewohner“zu einem gruseligen Horror-Szenario zuspitzt. Die Blu-ray ist zwar schon seit dem 5. Mai auf dem Markt erhältlich, erreichte uns aber leider nicht mehr rechtzeitig vor Redaktionsschluss, weshalb wir uns letztendlich für diese Vorschau entschieden.