ALIEN COVENANT
Zurück zu den Wurzeln: Der Nachfolger zu Ridley Scotts umstrittener Space Opera „Prometheus“versucht die Ambitionen des Vorgängers mit dem klassischen Horror der „Alien“-Saga zu vereinen. Das Beste aus beiden Welten?
Willkommen zurück in der Welt von „Prometheus“, liebes Publikum, willkommen in der Welt von „Alien: Covenant“! Es erwartet sie ein Universum voller dunkler Wunder, voll Schrecken und Grauen, ein wahrlich überwältigender Kosmos des schier Unbegreiflichen. Machen Sie sich frei von allen Erwartungen und Vorstellungen und vergessen Sie, was Sie zu wissen glauben über Mensch und Menschlichkeit. „Alien: Covenant“wirft das starre, unflexible Korsett überholter Konventionen wie Plausibilität, Nachvollziehbarkeit und innerer Logik ab, befreit sich vom Würgegriff des Sinns und spuckt auf all jene Kleingeister, die da wagen, Antworten auf die zahlreichen Fragen zu erhoffen, die der Vorgänger in seiner nebulösen Rätselhaftigkeit offengelassen hatte.
Der Aufhänger des Filmes vermag es in den ersten Minuten immerhin noch, Normalität vorzugaukeln. Nach einem kurzen Prolog, in dem sich der noch aus „Prometheus“bekannte Firmenmagnat Peter Weyland (Guy Pearce) mit seiner gerade aktivierten Androiden-Schöpfung David (Michael Fassbender) über Kreation und Kreatoren austauscht, finden wir uns an Bord der „Covenant“wieder, eines Kolonieschiffs, das zweitausend Kolonisten und über eintausend menschliche Embryos zum fernen Planeten Origae-6 bringen soll. Crew und Passagiere verbringen den Raumflug im Kälteschlaf, der Android Walter (noch einmal Michael Fassbender) wacht über Raumschiff und Menschen. Als die Schockwelle einer Neutrino-Explosion (da muss man mal einfach glauben, dass es so etwas gibt) unverhofft das Schiff trifft, wird Walter dazu gezwungen, einen Großteil der Crew zu wecken. Schnell ist die Mannschaft auf den Beinen, ausgerechnet bei Kapitän Jake Branson (James Franco in einem ausgesprochen heißen Kurzauftritt) gibt es jedoch Probleme mit der Schlafkapsel, ohnmächtig muss dessen Ehefrau, die Terraforming-Ingenieurin Janet Daniels (Katherine Waterston), zusehen, wie ihr Mann bei lebendigem Leibe verbrennt. An ein simples Weiterfliegen ist nun nicht mehr zu denken, notwendige Reparaturen müssen durchgeführt werden, und ohnehin ist nach diesem Zwischenfall niemand übermäßig erpicht darauf, zurück in die Cryo-Kapseln zu steigen. Während der Reparaturarbeiten fängt das Schiff ein seltsames Signal auf. Das Erstaunen ist groß, als die Nachricht im Signal höchst vertraute Töne offenbart: Mit John Denvers „Country Road“hatte sicher keiner gerechnet. Man schlussfolgert, dass die Quelle des Signals menschlichen Ursprungs sein muss, der auf einen vergleichsweise nahegelegenen Planeten eingegrenzt werden kann. Und nach einer hitzigen Diskussion beschließt die Mehrheit der Crew, die bisherigen Pläne, welche weitere sieben Jahre Flug bedeuten würden, zu verwerfen und stattdessen den unbekannten Planeten anzusteuern. Was soll schließlich schon passieren?
Fehlbarkeit von Weltenschöpfern
Und es ist dieser Entschluss, der „Alien: Covenant“von der Route eines schlüssig erzählten Weltraumthrillers abbringt und auf einen mutigen Kurs setzt, der die Reise in den Raum des Post-Plausiblen und des Meta-Möglichen transzendieren lässt. Böse Schlingel könnten natürlich behaupten, die folgende Irrsinnsfahrt sei einfach ein unglaublich schlampig erzähltes Horrorabenteuer, das gnadenlos glaubwürdige Charaktermotivationen und Geschichtsentwicklungen zugunsten kurzlebiger Schock- und Schreckmomente verheizt. Aber sollte man derartigen Pfusch tatsächlich Ridley Scott, dem Vater der „Alien“-Saga, unterstellen? Einem Mann, auf dessen Konto solche Filmklassiker wie „Blade Runner“oder „Gladiator“gehen? Und sollte man tatsächlich glauben, dass einem erfahrenen, dreifach Oscar-nominierten Drehbuchautoren wie John Logan („Gladiator“, „The Aviator“) die unfassbaren Löcher des Scripts nicht aufgefallen wären? Erscheint es nicht naheliegender, dass all der Unfug Methode hat und Teil einer Dekonstruktion dessen ist, was wir unter „Wahrscheinlichkeit“verstehen? Denn immerhin ist die Methode ausgesprochen konsequent: Quasi jeder Spannungsmoment, jedes dramatische Ereignis, welches dem schicksalhaften Entschluss zur Kursänderung folgt, ist Resultat von Entscheidungen, die so offensichtlich falsch sind, dass es schwer ist, an ein bloßes Versehen von Regisseur und Drehbuchautor zu glauben.
David gegen Goliath
Werfen wir einen Blick auf die erste Schlüssel-Entscheidung. Der Film verrät uns, dass dem Flug nach Origae-6 jahrelange Beobachtungen vorausgingen, in denen die Bedingungen potenziell geeigneter Planeten analysiert wurden und man sich letztlich auf genau dieses Kolonisationsziel einigte. Die Crewmitglieder nun verwerfen all diese Analysen, all die Bedenken in einem Augenblick, alles aufgrund von bloßen Vermutungen, irrationalen Hoffnungen und der Angst davor, wieder in die Schlafkapseln klettern zu müssen. Die Frage, warum dieser offenbar deutlich erdnähere neue Planet nicht zuvor schon als Reiseziel auserkoren worden war, stellt sich niemand. Aber nun gut, zum Zeitpunkt des Entschlusses steht die Crew noch unter Schock, mit viel gutem Willen könnte man diese Entscheidung als falsch, aber entschuldbar akzeptieren, wäre sie nicht die erste in einer opferreichen Kette von grotesken Fehlentscheidungen: Seien es aberwitzig nutzlose Sicherheitsvorkehrungen, nach denen man auf einem fremden Planeten zwar Waffen, aber keinerlei Schutzanzüge trägt; seien es Pinkelpausen, die einfach so hinter ‚nem Baum, abgesondert von der Gruppe, eingelegt werden; seien es Quarantänemaßnahmen, bei denen Unversehrte geopfert, dann aber Infizierte gerettet werden müssen; sei es die gefährliche psychische Labilität eines Großteils der
Mannschaft, die bei
Belastung extrem schnell in Hys„Was
terie verfallen; sei es die unfassbare Verantwortungslosigkeit des Schiffspiloten; sei es die völlige Blauäugigkeit und naive Neugier im Umgang mit fremdartigen, offensichtlich gefährlichen Kreaturen – die Kette der Fehlentscheidungen ist lang und inhaltlich absolut nicht befriedigend zu erklären. Die seltsamen Figuren und ihr unsinniges Handeln teilt „Alien: Covenant“mit dem Vorgänger „Prometheus“, den man nun wohl auch mit anderen Augen betrachten muss. Eine solch enge Verbindung zwischen Publikum und Charakteren wie in den klassischen „Alien“-Filmen vermag sich unter diesen Umständen trotz anständiger bis guter Darstellerleistungen natürlich nicht zu etablieren; selbst zu Janet Daniels, die noch am Rationalsten handelt und die dem klassischen Heldentypus à la Ellen Ripley am Nächsten kommt, bleibt die Beziehung distanziert.
Der Science-Fiction-Aspekt
Im Gegensatz zu „Prometheus“kann „Alien: Covenant“leider visuell kaum Akzente setzen: So ist beispielsweise die „Covenant“ein unschlüssig zwischen abgegriffener „Alien“-Tradition und High-Tech-Moderne designtes Schiff, der fremde Planet mit europäischem Mischwald bewachsen und wenig exotisch-düsteren Reiz versprühend, von den eigentlich erstaunlichen Entdeckungen bekommen wir einige wenige computergenerierte Totalen und viele langweilige Höhlen zu bestaunen. Vom Giger-Design ist erstaunlich wenig zu sehen, zumindest bis in der zweiten Filmhälfte das alte neue Böse wieder zuschlägt; schön und schaurig wie eh und je. Trotz Totalausfalls bei den Charakteren gestaltet sich die anschließende Hetzjagd leidlich spannend und mitreißend, wie schon erwähnt, speist sich die Aufregung jedoch großteils aus dem Negieren von Ratio und Instinkten. Immerhin, die Ereignisse von „Prometheus“finden Berücksichtigung, doch entzieht sich der Film der Neugier ungeduldig auf Antwort Hoffender.
Glaubensfrage
Es ist eigentlich traurig, dieses faule, reißerische Aufwärmen eines filmischen Mythos zu erleben, noch bekümmerter möchte man sein, dass der Schöpfer des Mythos höchstselbst für diese kreative Bankrotterklärung verantwortlich sein soll. Aber kann das sein? Darf das sein? Der Mann ist doch ein Künstler, ja, eine Legende! Der Mann weiß doch, was er tut! Er kann doch nicht so blind sein, all diese gravierenden und offensichtlichen Schwächen nicht zu bemerken! Er kann doch nicht so dreist sein, Dutzende neue Fragen aufzuwerfen, ohne auch nur einen der wesentlichen offenen Punkte von „Prometheus“zu klären. Oder kann er doch? Nein, der Fehler muss bei uns liegen, liegt in unseren kleinkarierten Erwartungen an nachvollziehbare Handlungen und schlüssige Entwicklungen, liegt in unserer Arroganz, unserem Dogmatismus begründet. Wenn wir uns nur anstrengen, diese Beschränktheiten zu überwinden, dann erschließt sich auch uns der Genius dieses Werkes, ganz bestimmt! Lassen Sie es uns versuchen! Glauben ist schließlich alles, vor allem, wenn alle Hoffnung schon fahren gelassen wurde! Entweder man glaubt oder man glaubt eben nicht, wie es der Regisseur im vorangegangenen Interview erwähnte. Also, willkommen zurück in der Welt von „Prometheus“, liebes Publikum, willkommen in der Welt von „Alien: Covenant“!