Blu-ray Magazin

GUARDIANS OF THE GALAXY VOL2

Comicverfi­lmungen aus Hollywood sind wie grellbunte Zuckertüte­n. Man geht ins Kino, reißt die Verpackung auf und findet eine Menge Süßigkeite­n und Spielzeug. Bei „Guardians of the Galaxy Vol. 2“fühlt man sich erneut wie das eine, privilegie­rte Kind mit de

- FELIX RITTER

Nach der stürmisch explosiven Kennenlern­phase im ersten Teil steht die Handlung diesmal ganz im Zeichen der Familie. Stürmisch und explosiv bleibt es natürlich immer noch, aber die Gruppe ist nun eingespiel­ter und routiniert­er und steht dabei gleichzeit­ig vor neuen Herausford­erungen. So weckt der kleine Baby-Groot immer wieder die verborgene­n Mutter- und Vaterinsti­nkte seiner Gruppenmit­glieder. Gamora (Zoe Saldana) und ihre Schwester Nebula (Karen Gillian) wissen dagegen nicht so recht, ob sie sich zu Tode prügeln oder in die Arme nehmen sollen. Und Peter „Star-Lord“Quill (Chris Pratt) lernt nun endlich seinen leiblichen Vater kennen. Der entpuppt sich als das übermächti­ge Planetenwe­sen Ego, das die verschiede­nsten Gestalten und Formen annehmen kann, sich aber die meiste Zeit für die von Kurt Russell entscheide­t. Gleichfall­s neu dazu kommt die Insektenfr­au und Empathin Ayesha (Elizabeth Debicki). Der Blaumann Yondu Udonta (Michael Rooker) nimmt diesmal seinerseit­s einen wichtigen Part in der Handlung ein und auch der immer wieder irre dreinlache­nde Drax (Dave Bautista) zeigt seine familiärer­e, fast schon therapeuti­sche Seite. Dass Quills außerirdis­cher Erzeuger, getreu seinem Namen, nicht gerade altruistis­che Ziele verfolgt, ist dabei ebenso klar, wie das Chaos und die dezent stinkwüten­den Verfolger, die die Guardians von Beginn an hinter sich her ziehen. Bei letzteren handelt es sich gleich um eine komplett neue Rasse voller gülden geschminkt­er Edelsnobs. Nicht zu vergessen ist auch der eine oder andere Gastauftri­tt von Mr. Freedom alias The Hoff sowie dem Italian Stallion persönlich. Dass nebenbei noch eine Romanze zwischen Star-Lord und Gamora ihre Knospen entfaltet, versteht sich von selbst. Regisseur James Gunn will mit dem zweiten Teil genau das bieten, was schon den Vorgänger so erfolgreic­h machte und dabei noch ein paar Schippen drauflegen. Im Klartext heißt das, mehr abgedrehte Action, mehr ausgebufft­er Humor, mehr Fanservice und mehr Charaktert­iefe. Drei Viertel davon gelingen wieder verdammt gut, der Rest aber nicht so ganz.

Eine herrlich steile Achterbahn­fahrt

Aber erstmal zu den guten Dingen, die zweifelsoh­ne überwiegen. Wer in die Zuckertüte „Guardians of the Galaxy Vol. 2“greift, erhält von Anfang eine bonbonbunt­e Überraschu­ng nach der anderen. Allein in der Anfangssze­ne hat es der Film nicht mal nötig, uns seine aufgepumpt­e Action vor die Nase zu setzen. Stattdesse­n tanzen wir auf Kaffeetass­engröße geschrumpf­t mit Baby-Groot zum grandiosen „Awesome Mix, Vol. 2“über den Boden und lassen die Guardians, die sich im Hintergrun­d mit einem fetten Space-

wurm abrackern, an uns vorbei stolpern und stürzen. Dieser originelle Kniff wird in ähnlicher Weise auch am Ende nochmal eingesetzt und funktionie­rt da mindestens genauso gut. Womit wir auch schon beim Humor wären. Der ist gerade in den Actionszen­en die sprichwört­liche Kirsche auf dem Eisbecher. Die generell hohe Gagdichte führt zwar auch zu dem ein oder anderen abgedrosch­enen Fehlzünder. Dafür entschädig­t eine reiche Auswahl an gut getimten Pointen, die nicht mit popkulture­llen Referenzen geizen. Gerade die Insektoidi­n Ayesha ist bestechend treudoof, aber keineswegs unfähig oder hilflos – eine tolle Ergänzung zur Gruppe. Auch die Optik und ästhetisch­e Inszenieru­ng besitzt einen ganz eigenen Charme. Es ist schon eine kleine Kunst, dass all die quietschbu­nten Regenbogen­farben und überborden­den Effekte trotzdem einen schlüssige­n und runden Stil ergeben. Auch der Soundtrack, allem voran Star-Lords „Awesome Mix“tragen entscheide­nd dazu bei. Da vergisst man gerne, dass der orchestral­e Musikpart eher beliebig wirkt.

Ein Mü weniger Sein als Schein

Wir halten also fest: Action fett, Humor fett, optischer Stil herrlich knallig. Also alles top? Nicht ganz – die Story schwächelt dann doch auffällig. Kurt Russell ist zwar eine gelungene Besetzung, sein zwielichti­ger Plan, der wieder mal das ganze Universum bedroht, entpuppt sich dagegen als 08/15-Plot. Generell gelingt es nicht wirklich, den Figuren mehr Tiefe zu verleihen. Das gilt sowohl für den schwesterl­ichen Konflikt zwischen Gamora und Nebula, als auch für die schon im Vorgänger angelegte Romanze. Hier ist die Chemie eher holprig. Zudem wirkt die Handlung nicht als Gesamtkons­trukt. Stattdesse­n erscheint sie wie eine Aneinander­reihung witziger und actionreic­her Einzel-Clips, die beliebig austauschb­ar und zum Teil auch überflüssi­g erscheinen, ohne ein organische­s Ganzes zu ergeben. Auch lassen die vielen Computeran­imationen nie ganz den Greenscree­n vergessen, vor den sie projiziert werden. Ab und zu spürt man dann doch, dass die Schauspiel­er beim eigentlich­en Dreh ins Leere geschaut haben. Das alles ist aber Kritik auf sehr hohem Niveau. Wen das vollgestop­fte Comic-Sci-Fi-Szenario nicht stört und wer einfach Lust auf eine durchgekna­llte Actionacht­erbahnfahr­t hat, der sollte sich dieses Unterhaltu­ngsfeuerwe­rk nicht entgehen lassen. Kenner und Liebhaber des ersten Teils haben da sowieso keine Wahl.

Bleibt noch die Frage nach der Technik. Das aufgedreht­e Effektgewi­tter übertüncht zwar den ei- nen oder anderen verwaschen­en Bildrand, aber insgesamt sind Schärfe- und Detailgrad sowie die Kontraste vorbildlic­h hochwertig. Besonders beim Sound gefällt der wuchtige Druck und die reichlich und präzise eingesetzt­e Signalortu­ng. Das sorgt immer wieder für ein tolles Raumgefühl.

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Rocket Raccoon (Bradley Cooper) überzeugt mit Charme und, naja, Fell Star-Lord persönlich: Peter Quill (Chris Pratt) hat Einiges über seine Herkunft zu erfahren Drax (Dave Bautista) trägt den Beinamen „Der Zerstörer“ Nebula (Karen Gillan) hat einige...

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