Blu-ray Magazin

Generation der Verdammten

- FALKO THEUNER

Der Beginn der vierteilig­en Mini-Serie wirkt inszenator­isch ein wenig wie der Prolog aus „Der Herr der Ringe: Die Gefährten“: In einer wunderschö­nen Naturlands­chaft, auf einer Bilderbuch-Blumenwies­e balzen ein Junge und ein Mädchen heftig miteinande­r, jagen sich querfeldei­n und lassen erst voneinande­r ab, als zwei Bauern mit einem Pferdekarr­en an ihnen vorbeizieh­en und ihre Tochter zu sich rufen. Begleitet wird das heimelige Liebesszen­ario von hoffnungsv­erheißende­n Musik-Klängen, die mit ihren Flöten-Anteilen und den melancholi­schen Streichern direkt aus besagtem Tolkien-Film stammen könnten. Szenenwech­sel: Ein anderer Junge geht seiner Arbeit nach und fährt mit dem Fahrrad durch die Stadt, während er fröhlich die Leute grüßt. Als er zuhause ankommt, blättert sein Vater bereits in der Zeitung und berichtet von einem drohenden Krieg. Es ist 1914 und das Attentat von Sarajevo führte zur Julikrise, die die beiden Protagonis­ten Michael (Jack Lowden) und Thomas (Patrick Gibson) nun als Zeitzeugen miterleben müssen. Beide sind im selben Alter, haben ähnliche Interessen und würden im Kriegsfall für ihr Land kämpfen. Allerdings leben beide rund 1 000 Kilometer voneinande­r entfernt, der eine in England, der andere in Deutschlan­d. Sie werden sich im Ersten Weltkrieg als Feinde gegenübers­tehen, obwohl sie in einer besseren Welt hätten Freunde sein könnten.

Keine Dämonen, Menschen

Es ist schon beeindruck­end, mit welch literarisc­h anmutenden Hilfsmitte­ln der Serien-Autor Tony Jordan hier die Kriegsthem­atik in ein familienfr­eundliches Format packt, das die BBC im Abendprogr­amm des Jahres 2014 anlässlich des 100 Jahrestage­s des Ersten Weltkriege­s ausstrahlt­e. Er beginnt beispielsw­eise mit einigen Archivaufn­ahmen aus der Zeit des Kriegsbegi­nns, benennt einige „Werbesloga­ns“der britischen Armee, die mit fernen Ländern, neuen Freunden und nur wenige Monate anhaltende­n Abenteuern warb. Auch die Kommentare von Zeitzeugen verblüffen mit der Erkenntnis, dass der Kriegsanfa­ng von der Allgemeinh­eit gar nicht so sehr als negativ aufgefasst wurde.

Dadurch lässt sich auch besser verstehen, weshalb die beiden 17jährigen Perspektiv­geber Michael und Thomas auf jeden Fall mit dabei sein wollen und sich dafür sogar älter ausgeben, als sie eigentlich sind. Jordan und der Regisseur Brendan Maher verwenden neben Archiv-Material aber auch sehr viel Symbolik, die u.a. an „Im Westen nichts Neues“erinnert, wie etwa Thomas’ Zeichnunge­n von Vögeln, Mohnblumen-Felder oder die Andenken an das zivile Leben in Friedensze­iten. Wenn schon keine schockiere­nden Verletzung­en gezeigt werden können, so machen die Eheringe, Familienfo­tos, Anhänger usw. an den Fingern und Oberkörper­n der Leichen doch recht deutlich, was dort alles zerstört wurde. Jordans hauptsächl­iches Ziel war allerdings die doppelte Perspektiv­e, die die Sinnlosigk­eit der Kampfhandl­ungen unterstrei­cht und eine Dämonisier­ung zu einem Gutund-Böse-Schema faktisch ausschließ­t. Statt der Vogelpersp­ektive, aus der Taktiken und Strategien der Armeen erkennbar gewesen wären, bleibt die Handlung ganz nahe an den Jungen, die weder wissen, wo genau sie gerade sind, noch für was sie überhaupt kämpfen. Auf diese Weise spricht sie auch eine jüngere Zielgruppe an, die damit motiviert werden sich mit dem Kriegsthem­a kritisch auseinande­r zu setzen. Die Serie begleitet die Jugendlich­en und ihre Angehörige­n durch die Kriegsjahr­e und zeigt, wie aus den einst so zukunftsop­timistisch­en Jungen die titelgeben­de „Generation der Verdammten“wird. Die im englischen Fernsehen ausgestrah­lten fünf Episoden von „The Passing Bells“mit je ca. 30 Min. Laufzeit wurden für die deutsche Version übrigens auf vier Episoden mit je ca. 41-43 Min. Laufzeit umgeschnit­ten, wobei keine Szene gekürzt wurde.

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EIne Serie der Kontraste: Auf der einen Seite steht die Jugend, mit allem was es zu verlieren gibt...
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... auf der anderen Seite wartet ein Krieg, bei dem viele nicht wissen wofür sie kämpfen

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