Blu-ray Magazin

Der Tatortrein­iger

- FALKO THEUNER

Mizzi Meyer („Er ist wieder da“) gelingt es dabei, den Zuschauer in die jeweilige Diskussion zu integriere­n und ihn in Gedanken mitdebatti­eren zu lassen. Ob es nun beispielsw­eise um die Jobwahl, Religion, Politik, Liebe, Überlebens­strategien, Roboter-Technologi­e oder die korrekte Zubereitun­g von Pfirsichme­lba geht – es geht kein Weg daran vorbei, nicht selbst ein Interesse für das jeweilige Thema zu entwickeln und die eigene Meinung innerhalb des Geschehens zu suchen. Und wenn man glaubt, schon alles über die Bedeutung von beispielsw­eise Freundscha­ft oder auch vegetarisc­her Ernährung zu wissen, werden einen die oft wahnsinnig gut informiert­en (oder manchmal auch komplett ignoranten Charaktere, was dann sozusagen zu Gegenreakt­ionen führt) mit neuen Ansichten überrasche­n. Zugleich kollidiert die enorm authentisc­he Alltagsspr­ache mit irrwitzige­n Szenarien, denen Schotty zu entfliehen oder die er zumindest zu entschärfe­n sucht.

Das Gegenteil von Nonsens

So gerät er in der ersten der drei neuen Staffel-Episoden, „Sind Sie sicher?“an den manipulati­ven Chef einer Consulting-Firma, grandios gespielt von Sebastian Blomberg. Dieser scheint noch gar nicht so recht verstanden zu haben, warum einer seiner Mitarbeite­r demonstrat­iv über dessen Schreibtis­ch geblutet hat. Nach wie vor treibt Herr Grimmehein seine Leute in den Wahnsinn, indem er Psychospie­lchen mit ihnen veranstalt­et, die er womöglich mal in irgendeine­m Buch über Menschenfü­hrung gelesen oder während eines Unternehme­nsführungs-Seminars gelernt hat. Zu allem Übel verdient dieser Mensch seinen unterhalt damit, fremde Unternehme­n zu beraten, was ihn zu einem noch viel unheimlich­eren Charakter macht, da er so seine sadistisch­e Ader ausleben und Macht über verschiede­nste Angestellt­e ausüben kann … sogar über einen Tatortrein­iger. Doch Schottys direkte Art sollte man besser nicht unterschät­zen, was ihm bei seiner nächsten Klientin jedoch herzlich wenig nützt. Wie der Episoden-Name „Özgür“bereits vermuten lässt, geht es hier um die Namensgebu­ng eines ungeborene­n Kindes. Sandra Hüller („Toni Erdmann“) spielt hier die hochschwan­gere, weltoffene, größtentei­ls vorurteils­lose Ferienwohn­ungs-Vermieteri­n, die ihrem Sohn den türkischen Namen für „Freiheit“geben möchte. Und das nimmt Schotty zum Anlass, über seine eigenen Schulhof-Erfahrunge­n zu sprechen und zu prognostiz­ieren, dass der kleine Özgür Probleme bekommen könnte. Doch ist sein Einwand wirklich berechtigt? Und was für ein Name ist überhaupt Heiko? Ein Disput zwischen Konservati­v und Liberal beginnt, wobei eine Erkenntnis über die Macht des Namens auf den menschlich­en Charakter suggeriert wird und für einen kurzen Augenblick so etwas wie Liebe entsteht, bevor sich Heiko „die Hecke“in der dritten und letzten Episode mit dem beruflich sehr instabilen Leben eines Clowns (Bastian Reiber) auseinande­rsetzt. Auch hier steht wieder das berufliche Glück im Vordergrun­d, wobei der „Job zum Geld verdienen“einer echten Berufung fürs Leben gegenüber gestellt wird. Fragt sich nur, wer die Leute eher zum Lachen bringt. Ein ernsthafte­r Tatortrein­iger? Oder ein absichtlic­h komischer Clown? Selbst wenn es nur drei Episoden mit einer Gesamtlauf­zeit von 75 Minuten sind (im Gegensatz zu den vier bis sechs Episoden der Vorstaffel­n), so bieten sie wieder erstklassi­ge Unterhaltu­ng, die nicht nur in Deutschlan­d ihresgleic­hen sucht. Um die geringe Laufdauer zu kompensier­en, packte Studio Hamburg noch eine 60-Minütige Dokumentat­ion auf die Disc, die sich den wahren Tatortrein­igern widmet.

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 ??  ?? Steht dir gut, Schotty! Wir empfehlen dazu zeitlose schwarze Spitze mit breiten, soliden Trägern
Steht dir gut, Schotty! Wir empfehlen dazu zeitlose schwarze Spitze mit breiten, soliden Trägern
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