Blade Runner 2049
Test des Monats
Auch in der Welt von „Blade Runner“sind nach den Ereignissen um Rick Deckard (Harrison Ford) immerhin ganze 30 Jahre vergangen. Inzwischen hat der Großindustrielle Niander Wallace (Jared Leto) nahezu alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche unter seine Kontrolle gebracht. Zudem hat er die Konkursmasse der Tyrell Corporation aufgekauft und eine neue Androiden-Generation erschaffen. Die Nexus-9-Modelle zeichnen sich durch ihren absoluten Gehorsam aus. Trotzdem werden immer noch Replikanten-Jäger, die sogenannten Blade Runner benötigt, um die noch aktiven, älteren Modelle „auszumustern“. Officer K (Ryan Gossling) ist einer dieser Blade Runner und selbst ein Nexus-9-Modell. Nachdem er den als Farmer getarnten Replikanten Sapper Morton (Dave Bautista) zur Strecke gebracht hat, entdeckt er eine vergrabene Kiste, in der sich die Überreste einer Replikantin befinden, die offenbar kurz vor ihrem Tod ein Kind zur Welt gebracht hat. Ks Vorgesetzte, Lieutenant Joshi (Robin Wright) befiehlt ihm, alle Verbindungen zu diesem Fund, auch das Kind, aufzuspüren und zu beseitigen, da sie eine Rebellion fürchtet. Mit seiner künstlichen Ehefrau Joi (Ana de Armas), einem Computerprogramm aus der Wallace-Produktkette, macht sich K an die Ermittlungen, die zunehmend auch zu einer Suche nach seiner eigenen Vergangenheit werden und ihn schließlich zum legendären Rick Deckard führen.
Kommt der Oscar für die beste Kamera?
Dass Regisseur Villeneuve die Verfilmung einer Fortsetzung zum legendären „Blade Runner“zugesprochen wurde, ist keineswegs verwunderlich. Besonders mit seinem letztem Film „Arrival“(2016) gelang es ihm eindrucksvoll, sich zu einer neuen Koryphäe des Science-Fiction-Kinos aufzuschwingen. „Blade Runner 2049“ist sein erstes Projekt, das auf einem bereits existierenden Franchise basiert. Somit stand er vor der Herausforderung, sowohl ein zeitgemäßes und eigenständiges Werk zu schaffen, als auch einen respektvollen Umgang mit dem Original zu finden. Ridley Scotts Vorlage steht nicht nur für eine prägende Stilmischung aus Film Noir, Dystopie und Cyberpunk, sondern ebenso für eine Vielzahl gesellschaftlicher und philosophischer Themen, die unter Rückgriff auf Philip K. Dicks Roman „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“verhandelt werden. In Sachen Stil und Ästhetik haben Villeneuve und sein Team diese Herausforderung zweifellos gemeistert. Optisch und akustisch bietet „Blade Runner 2049“einen nahezu meditativen Rausch für die Sinne. Kameramann Roger Deakins wurde in seiner Karriere bereits 13 mal für den Oscar nominiert. Trotz der fast dreistündigen Filmdauer wirken die zumeist geruhsamen und pointierten Aufnahmen kaum in die Länge gezogen. Stattdessen wird einem, entgegen vieler aktueller Hollywood-Blockbuster, die nötige Zeit gelassen, um sich in dem beeindruckendem Bildermeer auf die einzelnen Szenen einzulassen. Deakins gelingt es, aus gigantischen Müllhalden, den technisierten Strukturen und der düsteren und monolithischen Architektur einzigartige Landschaften zu formen. Auch die Sets mit ihrer ausgefeilten Beleuchtung und detailverliebten Farbkomposition generieren eine ebenso düstere wie technisch kühle und gleichsam naturalistische, organische Atmosphäre. Zudem ist die technische Leistung beeindruckend. In der Bibliotheksszene wurden
an die 100 SkyPanels verwendet, um jede Reihe separat anschalten zu können, während in Niander Wallace‘ Büro ein beweglicher Ring aus Tungsten-Leuchten den Verlauf der Sonne und ihren Schattenwurf simulierte. Auch der Soundtrack verdient besondere Beachtung. Nachdem die ersten Kompositionen des Isländers Jóhann Jóhannsson abgelehnt wurden, da sie sich zu weit von Vangelis‘ 82er-Original entfernt hatten, übernahmen Hans Zimmer („Dunkirk“, „Interstellar“) und Benjamin Wallfisch („Es“) erfolgreich diese Aufgabe. Ihre warmen und getragenen Synthesizerklänge sorgen zusätzlich zu den berauschenden Bildern für eine gleichsam verspielt melancholische wie fantastische Stimmung.
Eine dystopische Zukunft
Wo es auch im Vorgänger schon um die Frage ging, was es bedeutet ein Mensch zu sein und ob man überhaupt ein Mensch sein muss, um menschlich zu fühlen und zu handeln, steht nun zunehmend die Erinnerungs- und Identitätsproblematik im Vordergrund. Auch wenn K nicht an der Wahrhaftigkeit, sondern an der konstruierten Künstlichkeit seiner Erinnerungen zweifelt, läuft sein innerer Konflikt auf dieselben Fragen hinaus. So muss er sich zunehmend mit sich selbst auseinander setzen und gerät dabei in eine immer tiefere Identitätskrise. Zudem wird auch das Thema der Liebe durch Ks künstlich programmierte Computerfrau Joi auf interessante Weise aufgegriffen. Mit einer ökonomischen Lesart kann man dagegen Merkmale von Kapitalismuskritik und einem marxistischen Klassenkampf in „Blade Runner 2049“finden. Exemplarisch dafür steht zum einen die Revolution der ausgebeuteten und fremdbestimmten Replikanten (als eine Art Arbeiterklasse), als auch die Figur des Nian-