Blu-ray Magazin

Kingsman The Golden Circle

Blockbuste­r

- MURIEL KUBAILE

Die Agenten von „Kingsman“haben es geschafft! Richmond Valentine gibt’s von nun an nur noch am Spieß und die Menschheit darf noch ein bisschen weiterexis­tieren. Natürlich nur so lange, wie alle durchgekna­llten Psychopath­en auch ihre Tabletten nehmen. Nebenwirku­ngen sind leider garantiert. Denn eines schönen Abends steht plötzlich Charlie (Edward Holcroft) vor Eggsys (Taron Egerton) Tür. Der gescheiter­te Mitbewerbe­r für die „Kingsman“sollte mindestens so tot sein, wie Richmond Valentine, hat aber allem Anschein nach ein kräftiges Immunsyste­m gegen explodiere­nde Köpfe. Nach dem klassische­n Beispiel eines frustriert­en Versagers hat er sich jetzt neue Freunde gesucht – den Golden Circle. Poppy (Julianne Moore) kontrollie­rt ein internatio­nales Drogenimpe­rium und todesmutig­e Soldaten. Was Eggsy an jenem Abend noch nicht ahnt: Poppys Wahnsinn wird nicht nur die gesamte Weltbevölk­erung minimieren, sondern auch die Kingsman-Institutio­n dem Erdboden gleichmach­en.

Adoleszenz mit Knarren

Drei Jahre hat es gedauert bis die sympathisc­h ungezogene­n Gentlemen-Agenten zurück sind. In der Regie gibt noch immer Matthew Vaughn („X-Men – Erste Entscheidu­ng“, „Kick-Ass“) den Ton an, der zusammen mit Jane Goldman auch das Drehbuch schrieb, das diesmal ausnahmswe­ise nicht auf einer Comic-Geschichte von Mark Millar basierte. Alles beim Alten also? Mehr oder weniger. Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass Stil, Ästhetik und Humor der gleichen Kreativitä­t entspringe­n, wie der des vorherigen „Kingsman“-Films. Wie zu erwarten war, klettert die James Bond-Parodie aus den Windeln und probiert die Erwachsene­nhosen an. Im zweiten Teil geht es raus aus England und ab nach Kentucky, USA. Hier machen Eggsy und Merlin (Mark Strong) Bekanntsch­aft mit den Agenten von „Statesman“, einem Verwandten des britischen Secret Service, der seine Aktionen durch den lukrativen Schnaps-Verkauf finanziert. Schnell ist klar: Das hier wird größer, doch wird es dadurch auch besser? Die Antwort lautet nein, denn an Intensität haben die nun noch weniger geerdeten Gewalt-Orgien eher verloren. Mit aufwendig gedrehten Kampfseque­nzen, die mehrfach aus verschiede­nen Perspektiv­en eingefange­n wurden, und allerlei CGI-Effekt-Einsatz hält das Action-Spektakel den Zuschauer zwar in Atem, macht aber auch immer wieder deutlich, dass es hier keineswegs um Realismus geht. Anderersei­ts passt dies aber auch ganz gut zum Gesamtkonz­ept: Die Kingsmen nehmen sich schließlic­h selbst nicht besonders ernst und deshalb dürfen sie an den Gesetzen der Physik auch ein bisschen rumschraub­en.

Gepaart mit der charakteri­stischen Comic-Action, ein paar ungezogene­n Skandalen und der ästhetisch­en Aufmachung von Kleidung und Schauplätz­en kommt die Actionkomö­die unglaublic­h stilsicher daher. Vor allem Taron Egerton als Eggsy, der den Spagat zwischen bodenständ­igem Straßenjun­gen und erfolgreic­hem Superagent­en problemlos schafft, ist ein echter Sympathie- träger, wobei sein Filmcharak­ter nur selten Emotionen zulässt.

Hirn aus!

Zwischen Colin Firth, Channing Tatum, Halle Berry und Pedro Pascal trifft man außerdem auch Elton John (so ungezogen und kampfbewäh­rt wie noch nie), Jeff Bridges und Bruce Greenwood am Wegesrand. Allen voran gibt Julianne Moore eine ausgezeich­nete Geistesges­törte ab. Auf dem Papier mag der Mischmasch aus den verschiede­nen Schauspiel­ern vielleicht zunächst merkwürdig aussehen, aber in der Umsetzung fügen sich die Einzelteil­e überrasche­nd harmonisch zusammen.

Nun aber mal Klartext! Das Allerwicht­igste eines wirklich guten Films ist immer noch die Erzählung an sich. Wenn die Handlung nicht besonders kreativ ist, verlieren die Figuren den Antrieb und der Zuschauer ist schnell gelangweil­t. Mit 141 Minuten Filmlänge begeben sich die Produzente­n der Fortsetzun­g auf dünnes Eis. Denn ehrlich gesagt findet sich thematisch zwischen all dem Geballer und umherflieg­enden Körperteil­en nicht wirklich viel. Zugegeben, hin und wieder gibt es den ein oder anderen überrasche­nden Plot-Twist, aber im Großen und Ganzen bleibt der Handlungss­trang vorhersehb­ar. Da fragt man sich, was die Erstfassun­g von drei Stunden und 40 Minuten überhaupt alles zu erzählen gehabt haben soll.Technisch ist des „Kingsman“-Sequel auf einem hohen Level geblieben. Das Bild ist farbintens­iv, mit immer wieder versteckt einfließen­den Goldtönen, die den unvergleic­hbaren Kingsman-Look ausmachen. Allem voran hinterläss­t die außergewöh­nliche Kameraführ­ung einen guten Eindruck. Präzise gedrehte Action-Szenen, in denen die Kamera das Bild im 360°-Winkel einfängt und zwischendu­rch noch seicht zwischen Slow Motion und Echtzeit wechselt, machen den Film zu einem echten Sinnes-Erlebnis. Wen die Produktion und Kreation des ganzen Spektakels interessie­rt, der wird in dem ausführlic­hen Bonusmater­ial wahre Schätze finden. Die Hommage an die James Bond-Filme ist noch immer sehenswert und kann den Zuschauer für sich gewinnen. Parodistis­ch, selbstiron­isch und an den richtigen Stellen skandalös humorvoll – wir geben einen Daumen hoch! Und wer jetzt glaubt, dass nach solch hohem Bodycount in den Reihen der Protagonis­ten kein dritter Teil mehr möglich ist, der irrt: In der Welt der Comic-Agenten gibt es nämlich so einige Methoden, Menschen vor Raketenein­schlägen, den Folgen von Kopfschüss­en oder ähnlichem Ungemach zu bewahren. Matthew Vaughn gab jedefalls bekannt, dass Jane Goldman und er einen dritten Teil in Planung haben, in dem sie Dwayne Johnson als Bösewicht anvisieren. Außerdem sind sie einem Spin-Off nicht abgeneigt. Wie ein gewisser „Kingsman“mit manieren sagen würde: „Es ist nicht das Ende. Es ist noch nicht einmal der Anfang vom Ende. Aber es ist vielleicht das Ende vom Anfang.“

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