JIGSAW
„Saw: Vollendung“war nicht so final, wie man dem Wortsinn nach glauben könnte. Sieben Jahre nach dem Finale des Franchise scheint John Kramer zurück gekehrt zu sein und ölt wieder fleißig die Kreissägen. Noch einmal möchte er ein Spiel spielen.
Zehn Jahre nach dem Tod von John Kramer alias Jigsaw (Tobin Bell) beginnt das Spiel plötzlich von Neuem. Es werden Leichen gefunden, die offenbar Opfer von Kramer sind und unter den Fingernägeln finden sich sogar Blutspuren, die zu dem toten Serienmörder passen. Das stellt Ermittler Halloran (Callum Keith Rennie) vor einige Fragen. Welche Rolle spielt die dubiose Assistentin des Leichenbeschauers (Hannah Emily Anderson), die sich in ihrer Freizeit auf Fan-Webseiten zu Jigsaw herumtreibt? Wohin verschwindet plötzlich ein Komapatient aus dem Krankenhaus (Josiah Black), der zuvor niedergeschossen wurde, als er verkündete, dass die Spiele weitergehen? Und weshalb verdächtigt der Leichenbeschauer (Matt Passmore), der bisher alle Opfer des Puzzleteil-Killers obduziert hat, Ermittler Halloran selbst, der Nachahmungsmörder zu sein? Dann sind da natürlich noch die fünf Fremden in einer weiteren Falle von Jigsaw, die alle etwas schreckliches getan haben und nun Buße leisten sollen. Wieviele der fünf Spieler überstehen die bitteren Prüfungen, die Jigsaw ihnen auferlegt?
Eine mörderische Wahl
John Kramer ist tot. Das glauben die Fans seit dem vierten Teil der Reihe zu wissen. Wir haben gesehen, wie seine Leiche obduziert wurde, mit Rippenspreizern und Schädelbohrern, wie Jigsaws Gehirn entnommen und der Mageninhalt freigelegt wurde. Und jetzt, elf Jahre später in der Realität, zehn Jahre im Film, soll er plötzlich wieder da sein. Das klingt absurd. Und gleichzeitig erfreulich. Denn immerhin ist der charismatische und clevere John Kramer den Fans ans Genre-Herz gewachsen wie kaum eine andere Horrorikone.
Michael Myers, Freddy Krueger, Jason Voorhees und Ghostface aus der „Scream“-Reihe - sie alle konnten nur schlitzen und hacken. Hannibal Lecter beißt lieber ganz unmittelbar zu, Haut auf Haut, verspeist seine Opfer in einem fast intimen Akt. Aber Jigsaw hat all das nicht nötig – das Maximum, was er persönlich seinen „Auserwählten“an Gewalt antut, ist ihnen eine Spritze zu geben. Den Rest erledigen sie selbst … und natürlich die eigens von Jigsaw kreierten Fallen. Macht das Jigsaw zum Mörder derer, die sich falsch entscheiden? Oder zum Retter derer, die das geforderte Opfer bringen und danach ihr Leben völlig neu bewerten? Wie die Spieler in den Filmen haben wir als Zuschauer eine moralische Entscheidung zu treffen - nicht, ob man gutheißen kann, was Kramer macht, sondern ob ein Mörder, der nicht mordet, dennoch ein Mörder ist und ob wir die perfiden, inhaltsschwangeren Spielchen nicht doch genug mögen, um uns zu wünschen, dass John Kramer im Film noch lebt.
Neuer Wind in altem Franchise
„Jigsaw“ist kein Film für die Kritiker, sondern einer für die Fans. Aber auch von denen werden einige vermutlich enttäuscht sein, denn der achte Teil der „Saw“-Reihe ist etwas anders aufgezogen als die vorangegangenen sieben Filme. Am wesentlichsten: Er ist kommerzieller. Wo es bei den Vorgängern immer nahezu ausschließlich um einen oder mehrere amoralische Menschen in einer von John Kramers Fallen ging, konzentriert sich „Jigsaw“in ungewöhnlich weiten Teilen auf die klassische Ermittlungsarbeit von Polizisten, die versuchen herauszufinden, wer der neue Killer ist. Das sonst immer geschlossene, dunkle, klausthrophobische Setting, wird in diesem Teil sehr weit aufgebrochen, es gibt so viele Außenaufnahmen wie nie zuvor in der Reihe, Zivilisten, Tageslicht.
Ein anderer Aspekt dieser eher kommerziellen Ausrichtung ist der deutlich reduzierte Gewaltanteil. Natürlich gibt es wie in jedem Teil der Reihe mehrere Fallen, die zu sehr unerfreulichen und keineswegs subtil dargestellten Resultaten führen, aber das immer wieder neue Ausreizen und Überschreiten der Grenzen guten (und schlechten) Geschmacks durch exzessive Splatterszenen ist diesmal ganz offensichtlich nicht Teil des Konzepts gewesen. Auch einige andere neue Elemente werden in „Jigsaw“eingeführt, die meist jedoch eher marginal sind, etwa die nunmehr rot leuchtenden Augen der Puppe, die winzige Prise Selbstironie, oder die leicht veränderte Synchronstimme der Tonbandaufzeichnungen von John Kramer. Insgesamt dürfte „Jigsaw“den Fans der Reihe
jedoch gefallen – trotz mancher Neuerung sind die zentralen Elemente und Motive allesamt enthalten: Gnadenlos herunterlaufende Uhren, die Eröffnung mit einer Falle, die Billy-Puppe auf dem unheilvollen Dreirad – und natürlich die obligatorische Szene mit einer Säge. Auch auf die seit dem ersten Film Tradition gewordenen alles verändernden Plottwists kann sich das geneigte Publikum freuen.
Bei diesen Wendungen wurde bisher manchmal etwas übertrieben, zumal es besonders bei den letzten paar Filmen der Reihe mit der Zeit schwierig wurde, auseinanderzuhalten, was nun eigentlich genau passiert ist, weil alles zur selben Zeit zu spielen scheint und Gut und Böse immer wieder die Seiten wechselten. In „Jigsaw“ist jedoch am Ende alles recht einfach nachzuvollziehen.
Runde zwei im neuen Spiel?
Wie es nach „Jigsaw“weitergeht, ist derzeit noch offen. Bei 10 Mio. Dollar Budget und 100 Mio. Dollar Einspielergebnis kann man relativ sicher von „Jigsaw 2“ausgehen. Lionsgate zeigt sich ebenfalls sehr geneigt, dem Franchise einen weiteren Teil hinzuzufügen und bei Twisted Pictures hat man auch noch einmal Peter und Michael Spierig angefragt, die mit „Jigsaw“ihren dritten Horrorfilm gedreht hatten und ab 15. März mit „Winchester“erneut einen Film in den deutschen Kinos haben. Die in Niedersachsen geborenen Zwillingsbrüder haben jedoch abgelehnt. Als Bonusmaterial gibt es neben einem kurzen Feature zu den Requisiten noch die 80-minütige Dokumentation „Jigsaws Vermächtnis“mit deutschen Untertiteln, die intensiv auf die Dreharbeiten und den Produktionsprozess von „Jigsaw“eingeht und den Film auch ins Verhältnis zur bisherigen Reihe setzt (wenngleich es handlungstechnisch kaum Berührungspunkte gibt). Der deutsch untertitelte Audiokommentar der Produzenten ist ebenfalls informativ und unterhaltsam.
„Jigsaw“erscheint am 8. März neben den herkömmlichen DVD- und BD-Versionen in einer 4K-Fassung und als Steelbook-Edition mit anderem Cover. Außerdem gibt es eine limierte Collector’s Edition, die sowohl die DVD als auch die BD in einem 36-Seitigen Mediabook enthält. Das Bonusmaterial ist jedoch bei allen Editionen gleich. Zusätzlich erscheint noch die „Saw Definitive Collection“, die alle sieben „Saw“-Teile und „Jigsaw“in einer Box enthält.
Gemessen an dem Umstand, das mit weiteren Filmen zu rechnen ist, stellt sich jedoch die Frage, wie lange die Box noch die „definitive“Kollektion ist, bevor man sie wieder mit einzeln dazugekauften Blu-rays erweitern muss. Es gilt übrigens Vorsicht vor potenziellen Fehlkäufen bei „Jigsaw“: Es gibt eine fast gleichnamige Billigproduktion von 2010, die ein sehr ähnliches Cover hat. Der Titel wird bei jenem Film aber in zwei Worten geschrieben.