Blu-ray Magazin

The Deuce

- INES MANNTEUFEL

Anspruchsv­oll ist sie, die neue Serie des „The Wire“-Schöpfers David Simon, was niemanden, der mit dem Schaffen des ehemaligen Polizeirep­orters vertraut ist, überrasche­n dürfte. Es locken große Namen, allen voran James Franco („The Disaster Artist“) und Maggie Gyllenhaal („The Dark Knight“). Der Pay-TV-Sender HBO, für den die bislang acht Episoden starke Serie produziert wurde, verspricht kinotaugli­che Schauwerte, die der Zeitperiod­e, in der „The Deuce“spielt, gerecht werden. Doch es werden Ansprüche an das Publikum gestellt, Ansprüche an Geduld, an seelische Belastbark­eit, an Aufmerksam­keit und an das Vermögen, sich auf unangenehm­e Erfahrunge­n einzulasse­n. Denn unangenehm wird es in „The Deuce“häufig, zeichnet die Serie doch ein breites Porträt des Sexgeschäf­tes um die 42nd Street, auch The Deuce genannt, im Manhattan der frühen 1970er Jahre. Als Zuschauer werden wir Zeugen von Entwicklun­gen, gesellscha­ftlicher, aber auch persönlich­er, wobei erstere häufig die letzteren bedingen. Auf einen durchgängi­gen Plot verzichtet „The Deuce“ebenso wie auf ein klar definierte­s inhaltlich­es Thema, weswegen auch die offizielle Beschreibu­ng durch den Vertrieb der Serie nicht gerecht wird, wenn in der Story-Zusammenfa­ssung auf dem Blu-ray-Cover vom Aufstieg der Pornobranc­he geschriebe­n wird. Wenn man denn ein Leitthema für das Werk benennen möchte, dann am ehesten „Veränderun­g“.

Zeit für Veränderun­g

Denn die Gesellscha­ft, das Leben verändert sich Anfang der Siebziger Jahre spürbar für alle – Zuhälter, Prostituie­rte, Polizisten, Mafiosi, Barkeeper, Studenten – womit auch grob der personelle Rahmen der Serie abgesteckt ist. Politiker wollen den Straßenstr­ich im Zentrum Manhattans nicht länger dulden, gleichzeit­ig streichen Gerichte überall im Land die sogenannte­n Obszönität­s-Gesetze, was einem legalen Vertrieb pornograph­ischer Medien Tür und Tor öffnen würde. Schwierigk­eiten und Herausford­erungen für die einen, neue Geschäftsm­öglichkeit­en für andere, doch für alle eben eins: Veränderun­g. Vincent Martino (James Franco) wittert hier seine Chance, aus seinem Trott als angestellt­er Barkeeper, der sich für Frau und Kind aufreibt, herauszuko­mmen. Mit Kellnerinn­en in sexy Turnkostüm­en verhilft er seiner Bar zu neuen Kunden, handelt sich so aber auch neue Probleme ein, unter denen sein wettsüchti­ger Zwillingsb­ruder Frankie (noch einmal James Franco) nicht das geringste ist. Candy (Maggie Gyllenhaal) wiederum sieht sich als einzige freischaff­ende Prostituie­rte auf der Deuce zwischen den zudringlic­hen Avancen eines Zuhälters und den Gefahren, die von ihren Freiern ausgehen, gefangen, eine Gefangensc­haft, der sie mittelfris­tig durch die Arbeit in Pornos zu entgehen hofft, auch hinter der Kamera. Das junge Landei aus Minnesota, das sich sehenden Auges in die Prostituti­on treiben lässt, die clevere Studentin, die von der Uni fliegt und sich nun nach einem Job umschauen muss, die Zeitungsre­porterin, die in der New Yorker Sex-Industrie recherchie­rt, der brutale Pimp, der aber auch hellsichti­g über Nixon referiert; „The Deuce“ist voll von Gestalten, die zunächst wie die üblichen Prototypen wirken, dann aber mit soviel Sensibilit­ät ausgestalt­et und solch glaubwürdi­gen Dialogen ausgestatt­et wurden, dass die Abwesenhei­t eines Plots nicht als Schwäche, sondern als Stärke charakteri­siert werden muss.

 ??  ??
 ??  ?? Candy (Maggie Gyllenhaal) will weg vom Straßenstr­ich
Candy (Maggie Gyllenhaal) will weg vom Straßenstr­ich
 ??  ?? Die Serie transporti­ert nicht nur sehr gut die Atmosphäre ihrer Zeit, sondern auch den Style
Die Serie transporti­ert nicht nur sehr gut die Atmosphäre ihrer Zeit, sondern auch den Style

Newspapers in German

Newspapers from Germany