FLATLINERS
Eine weitere Neuauflage eines gar nicht mal so alten Gruselklassikers – Das kann doch nur schlecht werden, oder? Nicht zwingend! „Flatliners“zeigt, dass nicht alles, was Altes auf Neu trimmt, ein Schuss in den Ofen sein muss.
Weshalb schaltet sich das Gehirn beim Tod nicht einfach ab, wie die anderen Organe? Warum berichten Patienten mit Nahtoderfahrungen von einem hellen Licht, davon zu schweben und einem Gefühl der Glückseligkeit? Diese Fragen stellt sich die Medizinstudentin Courtney (Ellen Page), die vor neun Jahren ihre kleine Schwester (Madison Brydges) bei einem selbstverschuldeten Autounfall verloren hat. Der einzige Weg, herauszufinden, was im Gehirn nach dem Tod passiert, ist die Aufzeichnung der Hirnströme mit einem Kernspintomographen. Deshalb kühlt Courtney unter Aufsicht einiger Freunde ihre Körpertemperatur herunter und bringt ihr Herz zum Stillstand, während der Tomograph läuft. Eine Minute später holt ihr Kollege Ray (Diego Luna) sie mit einem Defibrillator wieder zurück in die Welt der Lebenden. Danach ist Courtney extrem produktiv und erinnert sich an alles, was sie jemals gelernt hat. Aber sie fängt auch an zu fantasieren und schnell stellt sich heraus, dass sie etwas aus dem Jenseits mitgebracht hat – etwas sehr Finsteres. Allerdings haben sich auch schon andere ihrer Freunde für einige Minuten töten lassen. Und nun werden sie alle von ihren jeweiligen Sünden der Vergangenheit verfolgt.
Für Fans, nicht Kritiker
Die Neuauflage von „Flatliners“ist bei den Kritikern im großen Stil durchgefallen. Er sei „dämlich“, „billig“und „langweilig“, hieß es in amerikanischen Besprechungen. Das ist aber gar nicht wahr. Zugegeben, das Budget ist mit 20 Mio. Dollar recht gering, dafür sehen die visuellen Effekte besonders in der jenseitigen Welt aber beeindruckend gut aus. Ellen Page ist als Hauptdarstellerin – wie immer – hervorragend und auch Diego Luna, der im Gespräch ist für das seit Jahren geplante Remake von „Scarface“, liefert eine solide Performance. Kiefer Sutherland, der eine kleine Nebenrolle übernommen hat, ist noch dazu ein schöner Querverweis zum Originalfilm. In einer herausgeschnittenen Szene macht seine Figur eine Anspielung darauf, dass er sogar dieselbe Rolle spielt wie 1990, allerdings trägt die Figur einen anderen Namen, was diese Theorie zu untergraben scheint.
Der Rest der Besetzung ist vielleicht austauschbar, aber keineswegs schlecht. Und auch handwerklich ist „Flatliners“von Zuschauern und Kritikern unterschätzt worden: Die Schockmomente funktionieren tadellos, die Figuren sind im ausreichenden Maß ausgearbeitet und auch das Grundthema, die Frage, was nach dem Tod passiert, hat an Reiz nicht verloren.
Insgesamt ist „Flatliners“ein einfacher aber solider Horrorfilm, der mit Motiven wie Verantwortung, Schuld und Vergebung spielt. Nichts davon ist neu und eine cineastische Epiphanie ist „Flatliners“sicher auch nicht. Aber er ist unterhaltsam und durchaus fesselnd – was kann man von einer Geistergeschichte großartig mehr erwarten? Zugegeben, die Neuauflage hat einige fragwürdige Elemente, die sich in vielen schlechten und mittelschlechten Horrorfilmen finden, etwa ein pathetisches Voice-Over zum Ende hin, und in jedem denkbaren Moment geht unverhofft das Licht aus, um mit der Subtilität einer Dampfwalze auf die bevorstehende Spannung hinzuweisen, aber dennoch wird der Film nie unfreiwillig lächerlich. Und dass es im Vergleich zu 1990 sehr viel mehr Schockeffekte gibt, ist definitiv auch nicht von Nachteil.
Modernisierungsmaßnahmen
Ein Großteil der schlechten Meinungen zum Film kam vermutlich einerseits von Fans des Originals und andererseits von übersteigerten Erwartungen der Kritiker, das Remake müsse etwas fundamental besser machen oder die Grundidee revolutionieren. Aber die Idee funktioniert genau so,
wie sie 1990 schon war und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Drehbuchautor Ben Ripley die Orchestrierung der Figuren und ihre Konflikte im Grunde nicht verändert, sondern sich auf die Modernisierung der Geschichte konzentriert hat. So sind es jetzt nicht mehr vier Männer und eine Frau, die das Experiment durchführen, sondern zwei Männer und drei Frauen. Auch der im Original immer wieder angedeutete religiöse Aspekt wurde im Remake auf das dem Thema inhärente Minimum reduziert. Ganz ohne Religion und Gott kann man eine Geschichte über Tod und Wiedergeburt nicht erzählen, aber wo 1990 noch regelmäßig Begriffe wie „Gott“, „Sünde“, „Buße“und „Karma“aus dem Mund der Figuren rollten, werden diese expliziten Anspielungen heute fast gänzlich weggelassen.
Die Crux von Remakes
Seit einigen Jahren werden die genreaffinen Fans Zeugen davon, wie Neuauflagen von Horrorklassikern der 1980er Jahre deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben: „Poltergeist“, „Freitag der 13.“, „Ghostbusters“, „A Nightmare On Elm Street“– jedes dieser Remakes warf die Frage auf, warum Filme, die vor 30 Jahren großartig funktioniert haben, heute daneben gehen – manche nur ein bisschen, wie „Fright Night“, manche vollkommen, wie der inzwischen auch schon nicht mehr ganz neue „The Fog“.
Das Original von „Flatliners“war 1990 sogar für einen Oscar nominiert – wie auch ein paar andere der genannten Klassiker – und hat eine verblüffend große Fangemeinde. Das ist eigentlich sonderbar, denn objektiv betrachtet ist die erste Version von Joel Schumacher kein großer Wurf: Kurioserweise ist es andauernd dunkel, selbst an Orten, an denen es hell sein sollte und wenn man ein Spiel daraus macht, immer einen Schnaps zu trinken, wenn aus unerfindlichen Gründen Dampf zu sehen ist, verpasst man aufgrund des eigenen Hirntods den Abspann. Auch die intensiven Spielereien mit Farbfiltern, die irgendwann penetrant werden, sieht man dem Film nach. Und trotz einiger sehr sonderbarer Augenblicke (etwa wenn sich Kevin Bacon kommentarlos aus seinem Fenster abseilt, statt einfach die Treppe zu nehmen), hat die Originalversion etwas, das so viele Neuauflagen nicht zu haben scheinen: Charme. Und zusätzlich eine Besetzung, die inzwischen als hochkarätig gelten kann. Beide Faktoren aber werden erst im Laufe der Jahre in Filme hineinprojiziert. Der Neuauflage von Regisseur Niels Arden Oplev deshalb jetzt schon Minderwertigkeit zu diagnostizieren ist daher unfair, da der neue „Flatliners“im Gegensatz zu vielen anderen Remakes des Gruselgenres handwerklich nicht schlecht ist. Als Bonusmaterial gibt es einige geschnittene Szenen und ein paar kurze, nur bedingt informative PR-Fetzen von jeweils wenigen Minuten Umfang, deren deutsche Untertitel eine Reihe von Übersetzungs- und Rechtschreibfehlern enthalten. Eine schöne Funktion ist jedoch, dass das Bonusmaterial automatisch abgespielt wird, nachdem der Film vorbei ist. „Flatliners“erscheint am 30. März auch als Limited Steelbook Edition, die eine digitale Kopie via Ultraviolet bereitstellt. Das Original erscheint übrigens parallel noch einmal in einem neu gestalteten Steelbook.