HAPPY FAMILY
Sony Pictures hat mit seinen „Hotel Transsylvanien“-Animationsfilmen ein ziemlich heißes Eisen im Feuer. Kein Wunder also, dass Warner Bros. nun unter der Regie von Holger Tappe („Urmel aus dem Eis“) seine eigene Monster-Familie ins Rennen schickt.
Im Zentrum steht die Familie Wünschmann – sie lebt in New York. Mutter Emma ist irgendwie unglücklich. Der eigene Buchladen steht kurz vor dem Aus. Ihr Mann Frank ist nur mit der Arbeit beschäftigt – kein Wunder, denn sein Chef müllt ihn mit immer mehr Arbeit zu. Die Tochter Fee ist das, was man von einem pubertierenden Mädchen im Alter von ca. 15 erwartet: vorlaut, mies gelaunt und fühlt sich immer eine Spur unverstanden. Und auch der jüngste der Familie, Max, wird als Hochbegabter von seinen Mitschülern drangsaliert, wo es nur geht. Gleichzeitig ist das Verhältnis zwischen Fee und Max nicht gerade das Beste. Alles in allem lief es also schonmal besser für die Familie Wünschmann. Eines Tages kommen sie an eine Einladung zu einer Monsterparty im legendären Madison Square Garden. Für Emma erscheint dies als willkommene Abwechslung, weshalb sie zusagt. Die Vier verkleiden sich als Vampir, Frankensteins Monster, Werwolf und Mumie. Auf der Party angekommen, werden sie erst für eine Band gehalten. Als wäre das nicht schon genug Chaos, treffen sie dort die Hexe Baba Yaga. Die ist Familie Wünschmann nicht unbedingt wohlgesonnen und verwandelt sie allesamt in Monster bzw. Untote analog zu ihren Kostümen. Vater Frank wird zu einem unkontrolliert furzenden, zusammengestückelten und in gutturalen Lauten sprechenden Monster. Fee wird zu einer tausende Jahre alten Mumie mit magischen Kräften. Max ist von nun an eher ein kleiner Schoßhund als ernstzunehmender Werwolf und Emma wird zu einer heißen Vampirbraut. Dass die Familie Wünschmann mit ihrer Verwandlung nicht sehr glücklich ist, liegt auf der Hand. Deshalb kommt es zu einem Katzund-Maus-Spiel mit der Hexe, das die Vier quer durch die ganze Welt und von einem Chaos ins Nächste führt. Doch eigentlich ist Baba Yaga auch nur ein Spielball, denn hinter dem Ganzen steckt niemand anderes als der Fürst der Finsternis selbst: Dracula. Dieser hatte die alte Hexe über Jahrhunderte in seinem Schloss in Transsylvanien gefangen gehalten und verfolgt mit den Wünschmanns seine eigenen Ziele.
Herman trifft Frank
Wer sich bei „Happy Family“an die Munsters erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Die Figur des Frank ist eine perfekte Hommage an Herman Munster. Auch Emma und Max erinnern in gewisser Weise an die Pendants aus der legendären Schwarz-Weiß-Serie der Sechziger Jahre. Der Schein trügt hier nur zu einem gewissen Grad. „Happy Family“ist die Verfilmung des gleichnamigen Buches von David Safier. Der als Drehbuchautor für Serien wie „Nikola“oder „Mein Leben und ich“bekannt gewordene Schriftsteller schreibt seit 2007 auch Romane. Seine 2011 erschienene Geschichte über die Wünschmanns ist sowohl Satire, Philosophie und Fantasy in einem. Gleichzeitig bringt er legendäre (und vermutlich auch eigene) Favoriten von schaurigen Figuren zusammen. So sind es eben Serien und Filme wie die „Munsters“, „Dracula“oder auch „Die Mumie“die hier als Konglomerat funktionieren.
Wertvoll oder wert-voll?
Holger Tappe hat versucht, aus dem doch eher an ältere Jugendliche und Erwachsene gerichtetem Buch einen Kinderfilm zu machen – trotz großer Nähe zur literarischen Vorlage. So fehlt eine erotische Szene mit Dracula, die nur im Buch vorkommt. Jedoch fragt man sich an manchen Stellen, ob dem Film in der Tat nicht ein FSK 6 oder gar 12 gut getan hätte – oder fallen diverse sexuelle Anspielungen nur einem Erwachsenen auf? Auch ein durchweg von üblen Flatulenzen geplagter Frank ist jetzt nicht das, was man als besonders pädagogisch wertvoll ansehen müsste. Das etwas alternative Männerbild wurde auch von der FBW Jury thematisiert, die die Männer in diesem Film entweder als „debile Trottel“oder „größenwahnsinnige Egomanen“dargestellt sieht. Die positive Filmbotschaft „Schönheitsnormen zu überwinden und an sich selbst zu glauben“richte sich hauptsächlich an ein weibliches Publikum. Dennoch verlieh die Deutsche Film- und Medienbewertung dem Animationsstreifen aufgrund des Unterhaltungswertes das „Prädikat wertvoll“.
In jedem Fall ist „Happy Family“ein äußerst witziger und spritziger Film geworden, der sich deutlich an ein internationales Publikum richtet. Dies zeigt sich schon in der Besetzung der Synchronsprecher. In Deutschland konnte man als Zugpferde Hape Kerkeling (Dracula) und Oliver Kalkofe (Renfield) gewinnen. Die Familie wird von Ulrike Stürzbecher, Tobias Meister, Marie Christin Morgenstern sowie Maximilian Ehrenreich gesprochen. International hört man Jason Isaac („Star Trek: Discovery“, „Harry Potter“) als Dracula, Emily Watson („Everest“) als Emma und Nick Frost („Worlds End“) als Frank.
Kunterbunter Familienspaß
Auch die Machart an sich spricht eine deutlich internationale Sprache. Knallige Farben und Animationen im Stile von „Ich, einfach unverbesserlich“wählte das Hannoveraner CGI Studio Ambient. Das Bild ist hier absolut auf dem aktuellen technischen Stand und braucht sich vor großen amerikanischen Produktionen nicht zu verstecken. Für 3D Fans gibt es auch eine Bluray-3D-Edition. Auch tontechnisch gibt es nichts zu beanstanden. Die Dolby-Atmos-Abmischung macht wirklich Spaß.
Das Bonusmaterial fixiert sich sehr stark auf Hape Kerkeling und Oliver Kalkofe, deren Rollen zugegebener Maßen eher als Nebenrollen zu deklarieren sind. Es gibt kurze Featurettes, die beide bei ihren Aufnahmen zeigen sowie ein Making-of. Ein Einblick in die Animationswerkstatt wäre durchaus spannend gewesen.
Alles in allem ist „Happy Family“die gelungene Adaption einer lockeren Satire, die sich eher an größere Kinder richtet. Heranwachsende unter 6 Jahren dürften sich mit dem Thema eher schwer tun und können es nicht so recht einordnen.