NIGHTMARE SCHLAF NICHT EIN!
Schätzungen zufolge leiden rund acht Prozent aller Menschen unter einer Schlafparalyse. Betroffene berichten dabei häufig von albtraumhaften Erlebnissen. Der Horrorthriller „Nightmare – Schlaf nicht ein!“nimmt sich diesem medizinischen Phänomen an und mac
Das Mysterium der Schlaflähmung wurde schon im antiken Griechenland thematisiert und seitdem in fast allen Kulturen der Welt auf verschiedene Art interpretiert. Fast immer ist dabei die Rede von einem Wesen, das sich auf die Brust des Schlafenden setzt, ihn herunterdrückt und die Luft zum Atmen abschneidet. In Südamerika und Afrika sind es alte Hexen, in Asien die Geister von Verstorbenen und in Europa ist es häufig der sogenannte Nachtalb, der die Betroffenen heimsucht. Künstler wie Johann Heinrich Füssli oder der Autor Scott Fitzgerald nutzten das Phänomen auch gerne als Grundlage für Gemälde oder Romane. Filmisch wurde das Thema bisher selten aufgearbeitet – das prominenteste Beispiel ist da vielleicht Rodney Ashers pseudo-dokumentarischer Horrorfilm „The Nightmare“von 2015. Das (zumindest in Deutschland fast namensgleiche) Spielfilmdebüt des Regisseurs Jonathan Hopkins zeigt sich da schon deutlich genretreuer und macht den angsteinflößenden Wach-Traum-Zustand der Schlafparalyse zum Mittelpunkt einer klassisch inszenierten Gruselgeschichte, die auf effekthaschende Jumpscares größtenteils verzichtet und stattdessen eine über weite Strecken schneidend dichte Atmosphäre kreiert.
Eins, Zwei, die Nocnitsa kommt vorbei
Im Zentrum der Handlung steht die Forscherin Alice (Maggie Q), die in ihrer Klinik Menschen mit Schlafstörungen behandelt. Darunter sind auch die Morgans, die auf den ersten Blick ganz gewöhnliche Patienten zu sein scheinen. Nachdem ihr jüngstes Kind im Schlaf gestorben ist, leidet die komplette Familie unter Schlafwandel-Problemen und alle werden von schlimmen Albträumen geplagt – ganz besonders der junge Daniel (Lucas Bond). Die Ärztin geht davon aus, dass es sich hier um kurzfristige Symptome aufgrund des traumatischen Ereignisses handelt und behält die Morgans zur Beobachtung im Schlaflabor. In der Nacht wird Alice allerdings vom schlafwandelnden Vater Charlie (Sam Troughton) brutal attackiert. Während der dafür zunächst ins Gefängnis muss, durchlebt seine Frau Sarah (Kristen Bush) mit ihren Kindern immer schlimmere Albträume. Und als Alice ebenfalls zu Schlafwandeln beginnt und furchtbare Visionen erlebt, wird ihr bewusst, dass mehr dahinter stecken muss. Ihre Untersuchungen führen sie dabei auf die Spur eines alten Dämons namens Nocnitsa – die Nachthexe.
Gefährlicher Schlummer
Vor allem die erste Stunde des Films verströmt dabei hochspannende Gruselstimmung. Denn anders als es der an alte Freddy-Krüger-Streifen angelehnte Titel vermuten lässt, geht es in „Nightmare“nicht um blutige Grausamkeiten und ideenlose Schockeffekte, sondern um den psychologischen Horror der realen Schlafstörung. Vor allem die Traum-Sequenzen der Familie Morgan sind stellenweise echt verstörend: Wenn die Mutter in Trance mit der Hand langsam in den Mixer greift, während ihre Tochter mit einer Astschere auf ihren Vater zugeht, der wiederum ein imaginäres Baby im Arm schaukelt, dann ist das weitaus effektiver als der Millionste Jumpscare. Regisseur Jonathan Hopkins versteht es zudem auch ungemein gut, diese angespannte Atmosphäre aus ständigen Albträumen mit ruhigen Kamerafahrten und -zooms sowie geschickten Schnitten aufrecht zu erhalten und erinnert damit stellenweise an Filme des Horrorveteranen James Wan. Im letzten Drittel flacht die subtile Inszenierung etwas ab und es wird auf altbackene und günstig umgesetzte Horrorklischees zurück gegriffen, die man in anderen Gruselstreifen dieser Art schon einmal gesehen hat. Gerade der ungelenke CG-Dämon wäre sicher wirkungsvoller gewesen, wenn man ihn nur angedeutet hätte. Die schauspielerischen Leistungen sind dafür recht ordentlich. „Designated Survivor“-Star Maggie Q spielt die Rolle der pragmatischen Ärztin stets engagiert, muss sich aber am Ende den Darbietungen von Sam Troughton und Kristen Bush als Albtraumgeplagtes Elternpaar geschlagen geben. Auch die Kin- derdarsteller Honor Kneafsey und Lucas Bond machen eine gute Figur. Der einzige, der etwas aus dem Rahmen fällt, ist Sylvester McCoy. In der Rolle des Dämonen-Experten Amado agiert der siebte „Doctor Who“-Darsteller eher absurd-exaltiert statt mystisch und geheimnisvoll.
Stimmungsvolle Träume
Optisch bietet der Film da schon wieder mehr. Natürliche Farben bestimmen das Geschehen und in gut belichteten Szenen gibt es wirklich angenehme Kontraste. Wird es mal etwas dunkler, leiden aber die Details. Bei der Schärfe müssen dagegen nur kleinere Abstriche im unteren Bildbereich gemacht werden. Das gelegentliche Farb-Banding ist genauso zu verschmerzen wie die leichte Überschärfe der wenigen Drohnen-Aufnahmen. Beim Sound hält man sich dezent zurück und setzt passend zur spannenden Inszenierung auf unterschwelliges Grummeln, das zusammen mit dem im Hintergrund schwelenden Score immer dann richtig aufdreht, wenn es einen der wenigen Schreckmomente gibt. Die Soundeffekte werden ähnlich spärlich und effizient eingesetzt. Wenn sich die schlafwandelnde Ehefrau mit einer Gabel auf ihren Zähnen herum kratzt, stellen sich einem wirklich die Nackenhaare auf. Extras gibt es bis auf den Trailer und ein paar Programmtipps leider keine. Unterm Strich hat „Nightmare“aber eine bärenstarke erste Stunde, die enorm viel Atmosphäre erzeugt. Und selbst zusammen mit dem abflauenden Finale bleibt am Ende ein kleiner klassischer Genrefilm, der Horrorfans auch ganz ohne Nachthexe den Schlaf rauben kann.