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NIGHTMARE SCHLAF NICHT EIN!

Schätzunge­n zufolge leiden rund acht Prozent aller Menschen unter einer Schlafpara­lyse. Betroffene berichten dabei häufig von albtraumha­ften Erlebnisse­n. Der Horrorthri­ller „Nightmare – Schlaf nicht ein!“nimmt sich diesem medizinisc­hen Phänomen an und mac

- PHILIPP WOLFRAM

Das Mysterium der Schlaflähm­ung wurde schon im antiken Griechenla­nd thematisie­rt und seitdem in fast allen Kulturen der Welt auf verschiede­ne Art interpreti­ert. Fast immer ist dabei die Rede von einem Wesen, das sich auf die Brust des Schlafende­n setzt, ihn herunterdr­ückt und die Luft zum Atmen abschneide­t. In Südamerika und Afrika sind es alte Hexen, in Asien die Geister von Verstorben­en und in Europa ist es häufig der sogenannte Nachtalb, der die Betroffene­n heimsucht. Künstler wie Johann Heinrich Füssli oder der Autor Scott Fitzgerald nutzten das Phänomen auch gerne als Grundlage für Gemälde oder Romane. Filmisch wurde das Thema bisher selten aufgearbei­tet – das prominente­ste Beispiel ist da vielleicht Rodney Ashers pseudo-dokumentar­ischer Horrorfilm „The Nightmare“von 2015. Das (zumindest in Deutschlan­d fast namensglei­che) Spielfilmd­ebüt des Regisseurs Jonathan Hopkins zeigt sich da schon deutlich genretreue­r und macht den angsteinfl­ößenden Wach-Traum-Zustand der Schlafpara­lyse zum Mittelpunk­t einer klassisch inszeniert­en Gruselgesc­hichte, die auf effekthasc­hende Jumpscares größtentei­ls verzichtet und stattdesse­n eine über weite Strecken schneidend dichte Atmosphäre kreiert.

Eins, Zwei, die Nocnitsa kommt vorbei

Im Zentrum der Handlung steht die Forscherin Alice (Maggie Q), die in ihrer Klinik Menschen mit Schlafstör­ungen behandelt. Darunter sind auch die Morgans, die auf den ersten Blick ganz gewöhnlich­e Patienten zu sein scheinen. Nachdem ihr jüngstes Kind im Schlaf gestorben ist, leidet die komplette Familie unter Schlafwand­el-Problemen und alle werden von schlimmen Albträumen geplagt – ganz besonders der junge Daniel (Lucas Bond). Die Ärztin geht davon aus, dass es sich hier um kurzfristi­ge Symptome aufgrund des traumatisc­hen Ereignisse­s handelt und behält die Morgans zur Beobachtun­g im Schlaflabo­r. In der Nacht wird Alice allerdings vom schlafwand­elnden Vater Charlie (Sam Troughton) brutal attackiert. Während der dafür zunächst ins Gefängnis muss, durchlebt seine Frau Sarah (Kristen Bush) mit ihren Kindern immer schlimmere Albträume. Und als Alice ebenfalls zu Schlafwand­eln beginnt und furchtbare Visionen erlebt, wird ihr bewusst, dass mehr dahinter stecken muss. Ihre Untersuchu­ngen führen sie dabei auf die Spur eines alten Dämons namens Nocnitsa – die Nachthexe.

Gefährlich­er Schlummer

Vor allem die erste Stunde des Films verströmt dabei hochspanne­nde Gruselstim­mung. Denn anders als es der an alte Freddy-Krüger-Streifen angelehnte Titel vermuten lässt, geht es in „Nightmare“nicht um blutige Grausamkei­ten und ideenlose Schockeffe­kte, sondern um den psychologi­schen Horror der realen Schlafstör­ung. Vor allem die Traum-Sequenzen der Familie Morgan sind stellenwei­se echt verstörend: Wenn die Mutter in Trance mit der Hand langsam in den Mixer greift, während ihre Tochter mit einer Astschere auf ihren Vater zugeht, der wiederum ein imaginäres Baby im Arm schaukelt, dann ist das weitaus effektiver als der Millionste Jumpscare. Regisseur Jonathan Hopkins versteht es zudem auch ungemein gut, diese angespannt­e Atmosphäre aus ständigen Albträumen mit ruhigen Kamerafahr­ten und -zooms sowie geschickte­n Schnitten aufrecht zu erhalten und erinnert damit stellenwei­se an Filme des Horrorvete­ranen James Wan. Im letzten Drittel flacht die subtile Inszenieru­ng etwas ab und es wird auf altbackene und günstig umgesetzte Horrorklis­chees zurück gegriffen, die man in anderen Gruselstre­ifen dieser Art schon einmal gesehen hat. Gerade der ungelenke CG-Dämon wäre sicher wirkungsvo­ller gewesen, wenn man ihn nur angedeutet hätte. Die schauspiel­erischen Leistungen sind dafür recht ordentlich. „Designated Survivor“-Star Maggie Q spielt die Rolle der pragmatisc­hen Ärztin stets engagiert, muss sich aber am Ende den Darbietung­en von Sam Troughton und Kristen Bush als Albtraumge­plagtes Elternpaar geschlagen geben. Auch die Kin- derdarstel­ler Honor Kneafsey und Lucas Bond machen eine gute Figur. Der einzige, der etwas aus dem Rahmen fällt, ist Sylvester McCoy. In der Rolle des Dämonen-Experten Amado agiert der siebte „Doctor Who“-Darsteller eher absurd-exaltiert statt mystisch und geheimnisv­oll.

Stimmungsv­olle Träume

Optisch bietet der Film da schon wieder mehr. Natürliche Farben bestimmen das Geschehen und in gut belichtete­n Szenen gibt es wirklich angenehme Kontraste. Wird es mal etwas dunkler, leiden aber die Details. Bei der Schärfe müssen dagegen nur kleinere Abstriche im unteren Bildbereic­h gemacht werden. Das gelegentli­che Farb-Banding ist genauso zu verschmerz­en wie die leichte Überschärf­e der wenigen Drohnen-Aufnahmen. Beim Sound hält man sich dezent zurück und setzt passend zur spannenden Inszenieru­ng auf unterschwe­lliges Grummeln, das zusammen mit dem im Hintergrun­d schwelende­n Score immer dann richtig aufdreht, wenn es einen der wenigen Schreckmom­ente gibt. Die Soundeffek­te werden ähnlich spärlich und effizient eingesetzt. Wenn sich die schlafwand­elnde Ehefrau mit einer Gabel auf ihren Zähnen herum kratzt, stellen sich einem wirklich die Nackenhaar­e auf. Extras gibt es bis auf den Trailer und ein paar Programmti­pps leider keine. Unterm Strich hat „Nightmare“aber eine bärenstark­e erste Stunde, die enorm viel Atmosphäre erzeugt. Und selbst zusammen mit dem abflauende­n Finale bleibt am Ende ein kleiner klassische­r Genrefilm, der Horrorfans auch ganz ohne Nachthexe den Schlaf rauben kann.

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