Blu-ray Magazin

Ingrid Goes West

- PHILIPP WOLFRAM

Likes, Follower und Retweets sind in unserem Social-Media-Zeitalter die neuen Statussymb­ole und bilden für sogenannte Influencer wie Kylie Jenner oder Gigi Hadid sogar die Lebensgrun­dlage. Ihre Person ist die Marke, ihr Leben wird zur Verkaufsfl­äche für alles, was sie anziehen, kaufen oder essen. Der Filmemache­r Matt Spicer nimmt diese meist oberflächl­iche Subkultur in seinem tiefschwar­zen Debüt „Ingrid Goes West“beißend satirisch unter die Lupe – und dabei auch intelligen­t auseinande­r. Mit einer fantastisc­hen Aubrey Plaza in der Hauptrolle zeigt der Film spielerisc­h und angsteinfl­ößend zugleich, welche Macht Hashtags und Emojis über Menschen haben können, die versuchen, online ein perfektes Leben vorzutäusc­hen, während die Wahrheit oft weit davon entfernt ist. Zwar reißen Filme wie „Personal Shopper“oder „The Bling Ring“ähnliche Thematiken an, aber nie zuvor wurden fanatische Heldenvere­hrung und fehlgeleit­ete Identitäts­krisen durch soziale Medien so düster-pointiert analysiert wie in dieser Tragikomöd­ie

#FalscheFre­unde

Die titelgeben­de Ingrid (Aubrey Plaza) ist ein Social-Media-Junkie. Sie liked fast jedes Posting ihrer Online-Freunde, während sie in Wirklichke­it ein Leben als instabile Außenseite­rin ohne echte soziale Kontakte führt. Als sie die Hochzeit eines ihrer Instagram-Idole crasht, wird sie in die Psychiatri­e eingewiese­n. Doch kurz nach ihrer Entlassung hat sie sich bereits die nächste Influencer­in als ihre potenziell­e neue, beste Freundin ausgesucht: Die erfolgreic­he Bloggerin Taylor Sloane (Elizabeth Olsen). Um ihrem Vorbild nahe zu sein, lässt sich Ingrid das Erbe ihrer toten Mutter auszahlen und zieht nach L.A., wo sie sich im Haus des sympathisc­hen Dan (O’Shea Jackson Jr.) zur Untermiete einquartie­rt und fortan versucht, sich ins Leben von Taylor zu drängen. Durch einen perfiden Trick gelingt ihr das recht schnell, doch je tiefer sie in den inneren Zirkel der Bloggerin kommt, desto klarer wird auch, dass ihre neue Freundin gar nicht so perfekt ist, wie sie geglaubt hat. Aber auch Taylor und ihre Clique finden bald heraus, wer Ingrid wirklich ist.

#Gefährlich­eBesessenh­eit

„Ingrid Goes West“lebt dabei natürlich von der herausrage­nden Performanc­e von Aubrey Plaza. Das Comedy-Starlet schafft es, ihrer eigentlich bemitleide­nswerten Antiheldin immer noch eine Spur Wärme und Komik abzugewinn­en. Ingrid versucht verzweifel­t in einer Welt Fuß zu fassen, über die sie eigentlich nicht mehr weiß als das, was einige Postings ihr verraten haben. Während sie sich als gruselige Stalkerin durch zahlreiche Fremdschäm-Momente manövriert und sich dabei langsam in ihrem riesigen Lügengefle­cht verheddert, schreckt Matt Spicers Inszenieru­ng glückliche­rweise nicht davor zurück, die zwangsläuf­ig negativen Konsequenz­en daraus clever, ungeschönt und sozialkrit­isch zu kommentier­en, ohne auch nur einmal belehrend zu wirken.

Der Film setzt bei der Technik auf starke Farben und hohe Bilddetail­s. Nur in den dunkleren Szenen gibt es ein bemerkbare­s Rauschen. Der zeitgenöss­ische Pop-Soundtrack verleiht dem Film eine gute Dynamik. Ansonsten bestimmen aber eher klar abgemischt­e Dialoge und nuanciert platzierte Soundeffek­te – etwa das ständige „Click“von Ingrids Smartphone – die Tonspur. Das Bonusmater­ial ist weniger beeindruck­end. Ein paar (kommentier­te) entfallene Szenen sowie eine Trailersho­w, mehr gibt es nicht. Die Qualität schmälert das aber keineswegs. „Ingrid Goes West“ist eine Dramedy mit Herz, Hirn und wichtiger Thematik, die man so nicht alle Tage findet. Dafür gibt es ein ganz klares Like.

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 ??  ?? Ingrid (Aubrey Plaza) hat ein gutes Buch gewählt: Auch Joan Didion ist für pointierte Beschreibu­ngen bekannt
Ingrid (Aubrey Plaza) hat ein gutes Buch gewählt: Auch Joan Didion ist für pointierte Beschreibu­ngen bekannt
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Ingrids neuer Vermieter Dan Pinto (O’Shea Jackson Jr.) ermöglicht ihr eine Bleibe in L. A.
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