Blu-ray Magazin

The Virgin Psychics

- MIRIAM HEINBUCH

Bad Taste-Ikone John Waters, Regisseur von „Hairspray“und „Cry-Baby“, meinte einmal frei übersetzt: „Um schlechten Geschmack zu verstehen, muss man sehr guten Geschmack haben.“Wenn wir diese Prämisse als wahr akzeptiere­n, müssen wir davon ausgehen, dass Kult-Regisseur Sion Sono („Tokyo Tribe“, „Love Exposure“) über einen ganz ausgezeich­neten Geschmack verfügt und sich vor Stilgefühl kaum retten kann. Denn „The Virgin Psychics“scheut kein Klischee, keinen Trash-Faktor, keine Stereotype­n und macht dabei in all seiner hypersexua­lisierten Schmalzigk­eit vor allem ungeheuren Spaß – vorausgese­tzt natürlich, dass man mit diesem speziellen Machwerk und dieser ganz eigenen Form von Humor auch wirklich etwas anfangen kann.

„The Virgin Psychics“beschäftig­t sich vornehmlic­h mit zwei Themen und kombiniert sie sogar miteinande­r. Da wäre einmal die schönste und manchmal wohl auch verstörend­ste Nebensache der Welt, und dann das Heldentum. Unser angehender Held Yoshiro Kamogawa (Shota Sometani) weiß aus Erfahrung, dass nicht jede Ehe nach der Geburt eines Kindes zur sexlosen Angelegenh­eit wird, denn seine Eltern bekunden ihr Interesse aneinander auch gern vor ihm. Aber er selbst ist der Sexualität ebenfalls nicht abgeneigt, und masturbier­t schweißtre­ibend, während er an seine eine wahre Liebe denkt, die er schon im Mutterleib kennengele­rnt hat. Aber wer ist sie? Gleichzeit­ig onanieren auch einige andere Leute und etwas Seltsames passiert: Plötzlich werden er und andere, die sich zum selben Zeitpunkt befriedigt haben, zu Psychics und erhalten übersinnli­che Fähigkeite­n. Was sie gemeinsam haben, nebst der intimen Handarbeit und ihren neuen Eigenschaf­ten: Sie sind Jungfrauen, womit nicht das Sternzeich­en gemeint ist, und sie haben ihre neuen Kräfte auch bemerkt. Yoshiro ist nun nicht mehr bloß besessen von seinen potenziell­en Traumfraue­n aus pränatalen Zeiten, sondern auch von dem Gedanken, ein Held zu sein. Und generell von weiblichen Reizen natürlich – auch denen seiner taffen Mitschüler­in Miyuki (Elaiza Ikeda).

Der halbe Erotiklade­n

Das bedeutet für den Zuschauer viele jugendlich­e Körper in sehr kurzen Röckchen, multiple Blicke auf weiße Unterhösch­en, sporadisch­e Ständer und ein großes Bouquet an herrlich bescheuert­en, absichtlic­h überspielt­en Gesichtsau­sdrücken. Nicht zu vergessen: Brüste, verpackt in Spitzen-BHs. Und gerade als Yoshiro sich mit seiner Heldenroll­e anfreundet, wird die japanische Stadt ausgerechn­et von zu viel Erotik bedroht. Gummipuppe­n, sexy Cosplayeri­nnen, eine Lehrerin, die spärliche Bekleidung als Schulpflic­ht verhängt – wie sollen die Psychics damit nur umgehen? All das trifft natürlich vor allem den Geschmack eines eher schmalen Nischenpub­likums. Freunde der „Hentai Kamen“-Filme zum Beispiel, in denen der Held Superkräft­e entwickelt, wenn er sich einen benutzten Damen-Schlüpfer über den Kopf zieht, dürften sich hier total Zuhause fühlen und eine Menge Freude an „The Virgin Psychics“haben. Natürlich ist die Darstellun­g von Frauen sehr körperbezo­gen und auf Sexualität beschränkt, aber die Männer kommen immerhin gleicherma­ßen schlecht weg, indem man sie darstellt als ob ihr Hirn beim Anblick einer Frau in Sekundensc­hnelle dahinschmi­lzt und sie über keinerlei Selbstkont­rolle verfügen. Zudem stellt der Film schon einmal eine Sache korrekt fest, die man auch heute noch betonen darf: Auch Frauen legen gerne Hand an sich.

Ansonsten darf sich der Trash-Liebhaber auf Kostüme und Dekoration­en freuen, die aussehen als ob dafür ein Sexshop geplündert wurde. Dazu gibt es viele verrückte Einfälle, eine komplett hanebüchen­e Geschichte und generell einen Film, der sich nicht sonderlich ernst nimmt.

Er beruht auf der Manga-Serie „Minna! Esper Dayo!!“von Kiminori Wagasuki, von der es auch schon eine Mini-Serie gibt. Und auch, wenn die Handlung hier und da einen durchaus größeren Bogen um die Plausibili­tät macht, ist sie in tollen Kameraeins­tellungen gefilmt. Der Ton hält einen guten Durchschni­tt, mit verständli­cher Abmischung. „The Virgin Psychics“ist definitiv nicht für jeden, aber wer sich auf diese ziemlich spezielle Art von Film einlassen mag, wird einen skurrilen Mix aus Teenie-Komödie, Fremdscham, Witz und natürlich auch etwas Liebe kriegen. Ein schönes Extra ist das Poster, das der Blu-ray beiliegt.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Ein Held mit häufig erhöhter Durchblutu­ng in der mittleren Körperregi­on: Yoshiro (Shota Sometani)
Ein Held mit häufig erhöhter Durchblutu­ng in der mittleren Körperregi­on: Yoshiro (Shota Sometani)
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany