The Virgin Psychics
Bad Taste-Ikone John Waters, Regisseur von „Hairspray“und „Cry-Baby“, meinte einmal frei übersetzt: „Um schlechten Geschmack zu verstehen, muss man sehr guten Geschmack haben.“Wenn wir diese Prämisse als wahr akzeptieren, müssen wir davon ausgehen, dass Kult-Regisseur Sion Sono („Tokyo Tribe“, „Love Exposure“) über einen ganz ausgezeichneten Geschmack verfügt und sich vor Stilgefühl kaum retten kann. Denn „The Virgin Psychics“scheut kein Klischee, keinen Trash-Faktor, keine Stereotypen und macht dabei in all seiner hypersexualisierten Schmalzigkeit vor allem ungeheuren Spaß – vorausgesetzt natürlich, dass man mit diesem speziellen Machwerk und dieser ganz eigenen Form von Humor auch wirklich etwas anfangen kann.
„The Virgin Psychics“beschäftigt sich vornehmlich mit zwei Themen und kombiniert sie sogar miteinander. Da wäre einmal die schönste und manchmal wohl auch verstörendste Nebensache der Welt, und dann das Heldentum. Unser angehender Held Yoshiro Kamogawa (Shota Sometani) weiß aus Erfahrung, dass nicht jede Ehe nach der Geburt eines Kindes zur sexlosen Angelegenheit wird, denn seine Eltern bekunden ihr Interesse aneinander auch gern vor ihm. Aber er selbst ist der Sexualität ebenfalls nicht abgeneigt, und masturbiert schweißtreibend, während er an seine eine wahre Liebe denkt, die er schon im Mutterleib kennengelernt hat. Aber wer ist sie? Gleichzeitig onanieren auch einige andere Leute und etwas Seltsames passiert: Plötzlich werden er und andere, die sich zum selben Zeitpunkt befriedigt haben, zu Psychics und erhalten übersinnliche Fähigkeiten. Was sie gemeinsam haben, nebst der intimen Handarbeit und ihren neuen Eigenschaften: Sie sind Jungfrauen, womit nicht das Sternzeichen gemeint ist, und sie haben ihre neuen Kräfte auch bemerkt. Yoshiro ist nun nicht mehr bloß besessen von seinen potenziellen Traumfrauen aus pränatalen Zeiten, sondern auch von dem Gedanken, ein Held zu sein. Und generell von weiblichen Reizen natürlich – auch denen seiner taffen Mitschülerin Miyuki (Elaiza Ikeda).
Der halbe Erotikladen
Das bedeutet für den Zuschauer viele jugendliche Körper in sehr kurzen Röckchen, multiple Blicke auf weiße Unterhöschen, sporadische Ständer und ein großes Bouquet an herrlich bescheuerten, absichtlich überspielten Gesichtsausdrücken. Nicht zu vergessen: Brüste, verpackt in Spitzen-BHs. Und gerade als Yoshiro sich mit seiner Heldenrolle anfreundet, wird die japanische Stadt ausgerechnet von zu viel Erotik bedroht. Gummipuppen, sexy Cosplayerinnen, eine Lehrerin, die spärliche Bekleidung als Schulpflicht verhängt – wie sollen die Psychics damit nur umgehen? All das trifft natürlich vor allem den Geschmack eines eher schmalen Nischenpublikums. Freunde der „Hentai Kamen“-Filme zum Beispiel, in denen der Held Superkräfte entwickelt, wenn er sich einen benutzten Damen-Schlüpfer über den Kopf zieht, dürften sich hier total Zuhause fühlen und eine Menge Freude an „The Virgin Psychics“haben. Natürlich ist die Darstellung von Frauen sehr körperbezogen und auf Sexualität beschränkt, aber die Männer kommen immerhin gleichermaßen schlecht weg, indem man sie darstellt als ob ihr Hirn beim Anblick einer Frau in Sekundenschnelle dahinschmilzt und sie über keinerlei Selbstkontrolle verfügen. Zudem stellt der Film schon einmal eine Sache korrekt fest, die man auch heute noch betonen darf: Auch Frauen legen gerne Hand an sich.
Ansonsten darf sich der Trash-Liebhaber auf Kostüme und Dekorationen freuen, die aussehen als ob dafür ein Sexshop geplündert wurde. Dazu gibt es viele verrückte Einfälle, eine komplett hanebüchene Geschichte und generell einen Film, der sich nicht sonderlich ernst nimmt.
Er beruht auf der Manga-Serie „Minna! Esper Dayo!!“von Kiminori Wagasuki, von der es auch schon eine Mini-Serie gibt. Und auch, wenn die Handlung hier und da einen durchaus größeren Bogen um die Plausibilität macht, ist sie in tollen Kameraeinstellungen gefilmt. Der Ton hält einen guten Durchschnitt, mit verständlicher Abmischung. „The Virgin Psychics“ist definitiv nicht für jeden, aber wer sich auf diese ziemlich spezielle Art von Film einlassen mag, wird einen skurrilen Mix aus Teenie-Komödie, Fremdscham, Witz und natürlich auch etwas Liebe kriegen. Ein schönes Extra ist das Poster, das der Blu-ray beiliegt.