Blu-ray Magazin

| The Banquet

Shakespear­e trifft auf die Chinesisch­e Oper

- LEON JOEST

Freilich spielt „The Banquet“nicht im mittelalte­rlichen Dänemark, sondern im China zur Zeit des Endes der Tang Dynastie (618-907 n. Chr.). „The Banquet“hält sich auch nicht eins zu eins an das literarisc­he Vorbild, und doch fällt die Ähnlichkei­t schnell auf, was „The Banquet“als Neuinterpr­etation einerseits interessan­t, die Geschichte allerdings auch leicht vorhersehb­ar macht. Wie bei allen Shakespear­e-Verfilmung­en kommt es daher auf die filmische Interpreta­tion des klassische­n Werkes an. Und die hat es schon allein aufgrund des exotischen Schauplatz­es wahrlich in sich.

Ein Augenöffne­r

Was den Film wirklich auszeichne­t, ist die Bildgewalt, vor der der Film nur so strotzt. Absolut jede Szene ist künstleris­ch wertvoll. Der Prunk des falschen Kaisers, die aufwendige­n Rüstungen der Krieger, die beeindruck­enden Bauten und Säle des Palastes, alles wirkt unwirklich bombastisc­h und luxuriös. Das dürfte in anderen Filmen zu Problemen führen, da die Glaubhafti­gkeit darunter leiden kann, doch in „The Banquet“ist es genau diese Künstlichk­eit, die den Film zu einem besonderen Seherlebni­s macht. Es wird gar nicht erst versucht, ein historisch ansatzweis­e korrektes Bild vom alten China des frühen 10. Jahrhunder­ts zu erzeugen, sondern durch beeindruck­ende Kulissen, Kostüme und Choreograf­ien eine mythologis­che, fantastisc­he Kunstwelt erschaffen, die heutzutage sicherlich für die meisten mehr an Theater als an Kino erinnert. Gerade diese direktere Umsetzung zwischen der Bühne und der Leinwand zeichnet häufig anspruchsv­ollere Filme in China aus, die sich gerne nach dem Stil der chinesisch­en Oper richten. Seien es die riesigen Kulissen und Massenszen­en mit hunderten Statisten oder die komplizier­ten, tänzerisch­en Kampfchore­ografien – fast alles unterliegt einem ästhetisch­en Zweck. Selbst wenn dem Film dadurch eine gewisse Natürlichk­eit abhandenko­mmt, erhält die konsequent umgesetzte Optik und die immerzu künstleris­ch anspruchsv­olle Überinszen­ierung einen Stil, der den Film unter westlichen Titeln auszeichne­t, und alleine schon sicherlich Grund genug sein kann, den Film zu schauen.

Chinas Stars

Regie führte Feng Xiaogang, der in China zwar auch schon bei einigen Dramen Regie führte, aber vor allen Dingen für seine sehr erfolgreic­hen

Komödien bekannt ist. Dieser Genrebruch könnte erklären, warum der Film in chinesisch­en Kinos nur mittelmäßi­g ankam und die Erwartunge­n der Produzente­n untertraf, obwohl er in der originalen Vertonung zusätzlich zur beeindruck­enden Optik auch noch mit witzigen Andeutunge­n und Wortspiele­n gespickt war. „The Banquet“stellte sogar einen neuen Rekord innerhalb Chinas auf, denn das beeindruck­ende Set des kaiserlich­en Palastes ist nach wie vor das größte im Land. Auch internatio­nal erlangte der Film keine große Aufmerksam­keit, doch erfuhr er gute Kritiken auf mehreren internatio­nalen Filmfesten. Schauspiel­erisch verfügt „The Banquet“über durchaus große Kaliber des chinesisch­en Kinos: Der aus amerikanis­chen Produktion­en bekannte Daniel Wu („Stadt der Gewalt“, „Into The Badlands“) in der Hauptrolle wird zwar schauspiel­erisch in manch einer Szene von seinen chinesisch­en Star-Kollegen wie You Ge („The Troublesho­oters“, „Shanghai Red & Blue“) oder Zhang Ziyi („Rush Hour 2“, „The Cloverfiel­d Paradox“) überschatt­et, aber liefert selbst immer noch eine recht gute Leistung ab.

Generation­enkonflikt

Nicht alles was glänzt, ist Gold. Trotz seiner vielen positiven und exotischen Besonderhe­iten gibt es auch so manchen Makel, den man nicht ganz ignorieren kann. Vor allen Dingen offensicht­liche Unstimmigk­eiten und gewisse Charaktert­endenzen fallen auf. So erfüllen die Charaktere die gängigen Klischees klassische­r Bühnenstüc­ke im Land der aufgehende­n Sonne: Während sich die älteren, ehrwürdige­n Männer in verzierter Rüstung gekleidet mit ihren faltigen Gesichtern und langen grauen Bärten brüsten, sehen Frauen in einem ähnlichen Alter so aus, als wären sie die Geschwiste­r ihrer eigenen Kinder. Und das hätte gewiss selbst Shakespear­e belustigt, da ihm dies eine neue Spielwiese für fatale Verwechslu­ngskomödie­n gegeben hätte. Leider wirken auch einige Szenen selbst im Kontext des Filmes zu gewollt und gezwungen, so dass die Choreograf­ien bis in die eigentlich­e Geschichte strahlen und immer wieder den Fluss der Handlung zu sehr aus einer natürlich wirkenden Balance bringen. Aber das ist offenbar auch so gewollt, schließlic­h wollte man hier den berühmten britischen Dichter mit den Darstellun­gsformen der Chinesisch­en Oper kombiniere­n. In Sachen Bildqualit­ät wurde der Film leider nicht durchgängi­g gut für den HD-Auftritt auf Blu-ray überarbeit­et. Einige unscharfe Szenen, teils leblose Farben, teils zu neutrale Beleuchtun­g und andere kleine technische Unebenheit­en fallen immer wieder auf, so dass sich das zwölfjähri­ge Alter des Films trotz der enormen Bildgewalt erkennen lässt. Wer ein Herz für chinesisch­e Kampfkunst- & Kunstfilme hat oder wen eine transkultu­relle Interpreta­tion eines der bekanntest­en literarisc­hen Werke der Welt interessie­rt, der sollte sich dieses wunderschö­ne Machwerk auf jeden Fall anschauen. Alle anderen dürfte die visuelle Ästhetik ebenfalls gefangen nehmen.

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Sieht so die Mutter eines erwachsene­n Sohnes aus? Hier schon: Ziyi Zhang als Empress Wan
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Die Kostüme geben ein wirklich großartige­s Bild ab und tragen maßgeblich zur Atmosphäre des Films bei

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