The Florida Project
Von illegalen Immigranten in „Prince Of Broadway“bis hin zu schwarzen Transgender-Prostituierten in „Tangerine L.A“– der Regisseur Sean Baker hat ein Herz für die Geschichten über Menschen am Rande der Gesellschaft. Denn wo Branchenkollegen meist nur einen oberflächlichen Blick auf das Leben in prekären Milieus werfen, geht der Independent-Filmer mitten hinein ins Geschehen. Sein preisgekröntes Drama „The Florida Project“beleuchtet das Leben der Menschen in den Billigmotels an der Interstate 95, der Abfahrt zum weltberühmten Vergnügungspark „Disney World“. Doch die Zeiten, in denen man hier vom Tourismus des Unterhaltungskonzerns profitierte, sind lange vorbei. Heute leben in den temporären Unterkünften meist nur Familien ohne festen Wohnsitz. Baker porträtiert diesen Mikrokosmos aber nicht mit der erwartbaren Ästhetik des Miserabilismus, sondern zeigt sie stattdessen durch die unschuldigen Augen eines Kindes. Das Ergebnis ist ein fast dokumentarisches Filmerlebnis voll unbändiger Lebenslust und herzerwärmender Alltagspoesie auf der einen, und harschen Realitäten auf der anderen Seite.
Der glücklichste Ort der Welt
Zu den heimatlosen Motel-Gästen gehören auch Halley (Bria Vinaite) und ihre sechsjährige Tochter Moonee (Brooklynn Prince), die im ironisch betitelten „Magic Castle“ein Zimmer bewohnen. Während sich die junge Mutter ihren Lebensunterhalt mit Touristenbetrügereien, wie dem Verkauf gepanschter Parfums, oder auch als Gelegenheitsprostituierte verdient, ist der leuchtend lilafarbene Komplex und seine von Armut geprägte Umgebung für Moonee ein einziger Abenteuerspielplatz. Zusammen mit ihren Freunden macht das freche Mädchen regelmäßig die Nachbarschaft unsicher, schnorrt Essen, spuckt auf Autos und legt sogar Feuer in nahe gelegenen Abbruchhäusern – sehr zum Missfallen des Motel-Managers Bobby (Willem Dafoe), der für Halley und Moonee oft nicht nur der ruppige Hausmeister ist, sondern auch gerne mal die Rolle des gütigen Sozialarbeiters übernimmt.
Das Land begrenzter Möglichkeiten
Mithilfe vieler kleiner Vignetten aus Halleys und Moonees Alltag kreiert der Film ein erschütterndes, aber auch ungebrochen positives Bild von der Lebenswirklichkeit einer Kindheit am bzw. unter dem Existenzminimum. Baker zaubert ein farbenfrohes Wechselspiel der Gefühle auf die Leinwand und balanciert seine feinfühlige Milieustudie gekonnt zwischen Momenten wahrer Unbeschwertheit und niederschmetternder Verzweiflung.
Das hohe Maß an Authentizität erreicht „The Florida Project“aber nicht nur durch die virtuose Inszenierung, sondern auch durch sein ungewöhnlich besetztes Ensemble. Hollywoodstar Willem Dafoe sorgt für die notwendige Professionalität und liefert eine herausragende, zurecht Oscar-nominierte Darstellerleistung ab. Er wird aber von den beiden erfrischend ungekünstelten Debütantinnen Vinaite (Baker entdeckte sie auf Instagram) und Prince deutlich in den Schatten gestellt. In Sachen Technik bewegt sich die Blu-ray-Veröffentlichung ebenfalls auf hohem Niveau. Fast ausschließlich auf gutem, altem Zelluloid gedreht, hat das Bild eine wunderbar dichte Textur und begeistert mit seinen knalligen Bonbon-Farben sowie exzellenten Details. Die gut platzierten Umgebungsgeräusche und klar abgemischten Dialoge sind wiederum die Stärken des fehlerfreien 5.1-Soundtracks. Das Bonusmaterial bietet neben kurzen Interview-Schnipseln auch einen interessanten Blick hinter die Kulissen dieses herausragenden Independent-Dramas.