Die Farbe des Horizonts
Das Meer ist wunderschön. Aber es kann auch unerbittlich sein. Nach einem gewaltigen Sturm findet sich eine junge Frau alleine in einer stark in Mitleidenschaft gezogenen Yacht wieder. Sie war 27 Stunden lang bewusstlos aufgrund einer Kopfverletzung. Als sie zu sich kommt, beginnt sie, nach ihrem Verlobten Richard zu schreien und kämpft sich an Deck. Dort ist aber niemand mehr, und um sie herum ist weit ist breit nur das Meer.
„Die Farbe des Horizonts“beruht auf einer wahren Geschichte aus dem Jahr 1983. Tami Oldham (mittlerweile Oldham Ashcraft, gespielt von Shailene Woodley) gerät gerade einmal 23 Jahre alt mit ihrem Freund Richard Sharp (Sam Claflin) auf ihrem Weg von Tahiti nach San Diego in einen äußerst bedrohlichen Hurricane, obwohl die beiden erfahrenen Segler versucht haben, ihn zu umgehen. Der Film erzählt sowohl ihre Überlebensals auch ihre Liebesgeschichte. Tami trifft den Briten in Tahiti, nachdem die junge Frau einige Jahre durch die Welt gereist ist – man könnte sagen, sie betrieb „Work And Travel“bevor es zum Trend wurde. In einem enormen Kraftakt schafft es Tami, das Wasser aus dem Segelboot zu pumpen und ein neues Segel aufzuspannen. Dann hält sie weiter Ausschau nach ihrem Freund.
Shailene Woodley („Divergence“) ist mit ihrem sehr natürlichen Aussehen, das dem der echten Tami Oldham Ashcraft relativ nahe kommt, gut besetzt. Sie schafft es auch, die verschiedenen emotionalen Extreme, die ihre Figur auf dem Boot durchlebt, greifbar zu machen und ist der Kern der Handlung, die immer wieder durch Rückblenden unterbrochen wird. Alles, was ihr Richard über das Laben auf See erzählt hat wird wahr – Schlafmangel, Seekrankheit und Halluzinationen. Was Tami Hoffnung gibt, ist der allabendliche Blick auf den Horizont, den sie mit Richard betrachtet. Die Flashbacks beginnen einige Monate vorher mit dem Kennenlernen der beiden auf Tahiti. Dann beschreiben sie den Verlauf ihrer Beziehung und münden schließlich in dieser Nacht des 12. Oktobers, als Richard Tami unter Deck schickt, während er versucht, das Boot durch den Sturm zu bringen, sie von einer großen Welle getroffen werden und Tami ihn nur noch schreien hört, bevor sie das Bewusstsein verliert.
Kleine und größere Brüche
An sich ist diese Erzählweise, bei der die Vergangenheit Stück für Stück mit der Gegenwart der Geschichte aufschließt, durchaus sinnvoll. Allerdings wirkt die Art, wie Baltasar Kormákur die oft kitschigen Rückblenden benutzt, etwas grob. So wirkt der Film nicht ganz wie aus einem Guss, sondern wie zusammengefügte Fragmente. Dafür nutzt er einen weiteren Kniff, der besser glückt und hier nicht zu sehr gespoilert werden soll für diejenigen, die die wahre Geschichte nicht kennen: Zunächst erweckt er den Anschein, die Handlung in eine andere Richtung zu treiben als das, was Tami tatsächlich auf der Yacht erlebt hat. Später wird dieser Eindruck aber wieder korrigiert. Durch die ständigen Brüche wird es zwar teilweise schwierig, sich voll in die Handlung einzuleben, es gibt aber genug Augenblicke, die den Zuschauer zurück in die Geschichte holen – sei es, dass sie ihre eigene Wunde näht oder sich über auf dem Boot gefundene Erdnussbutter freut. Ihre Erfahrungen verarbeitete die echte Tami in einem Buch. Sie konnte übrigens jahrelang aufgrund ihrer Kopfverletzung selbst keines lesen. Die vermeintliche Änderung, die dem Spannungsbogen dient, wurde mit ihrer klaren Zustimmung eingebaut, denn sie arbeitete jahrelang mit den Drehbuchautoren zusammen. Optisch ist der Film (abgesehen von der Darstellung der Wunden) eine freundlichere Angelegenheit als handlungstechnisch. Auch wenn das Meer prinzipiell ja wunderschön ist, fühlt es sich möglicherweise nicht immer so schön an, wenn man havariert ist, wie es in „Die Farbe des Horizonts“aussieht. Schöne Farben, eine Detailschärfe, die die Darsteller ungeschönt mit Poren und Rötungen zeigt, und auch die ungenannte Hauptrolle, nämlich das Meer, machen daraus einen visuell sehr ansprechenden Film. Dafür ist er leider etwas leise auf die Disc gebannt und die Dialoge werden schnell von den Natur-Elementen übertönt. Wie es sich für einen auf wahren Begebenheiten beruhenden Film gehört, gibt es hintergründiges Bonusmaterial, auch wenn die einzelnen Featurettes neben dem Audiokommentar recht kurz sind und sich vieles wiederholt. Die echte Tami segelt übrigens immer noch.