Blockbuster
Sicario 2, Skyscraper, Meg
Dass „Sicario“(2015) eine Fortsetzung erhalten hat, ist dank guter Einspielergebnisse und wohlwollender Kritiken kaum verwunderlich. Jedoch fehlen mit Regisseur Denis Villeneuve, Kameramann Roger Deakins, Komponist Jóhann Jóhannsson und Hauptdarstellerin Emily Blunt dieses mal einige wichtige Bestandteile der Erfolgsrezeptur. Bleibt die Frage offen, ob „Sicario 2“diese Lücken wieder füllen kann.
Für Teil zwei übernahm Stefano Sollima, bekannt aus der viel gelobten, italienischen Mafia-Serie „Gomorrha“, den Regiestuhl. Dariusz Wolski („Alien: Covenant“, „Alles Geld der Welt“) löste den bisher 14 mal für den Oscar nominierten Roger Deakins an der Kamera ab. Und die isländische Musikerin und Komponistin Hildur Guðnadóttir sprang für ihren im Februar 2018 verstorbenen Landsmann, Kollegen und Freund Jóhann Jóhannsson ein, der neben „Sicario“u. a. den Score zu „Arrival“und „Mother!“beisteuerte. Konstanten bleiben hingegen Hauptdarsteller Benicio del Toro als der von Rache getriebene Ex-Anwalt Alejandro Gillick und Josh Brolin als der abgebrühte CIA-Berufssoldat Matt Graver. Auch Drehbuchautor Taylor Sheridan hält wieder die Handlungsfäden in der Hand und erzählt eine vom Vorgänger weitestgehend unabhängige Geschichte.
Jüngste terroristische Anschläge gegen die Bevölkerung im texanischen Grenzgebiet zu Mexiko legen die Vermutung nahe, dass mexikanische Drogenkartelle die Attentäter über geheime Grenztunnel in die USA geschleust haben. Die Regierung beauftragt CIA-Ofiizier Graver, sich der Sache anzunehmen. Der schlägt vor, über eine verschleierte Entführung der 16-jährigen Isabel Reyes (Isabela Moner), Tochter des Drogenbarons Carlos Reyes, einen Krieg zwischen den Kartellen anzuzetteln und den illegalen Grenzverkehr so ins Chaos zu stürzen. Dazu holt er sich erneut den „freischaffenden“Söldner Alejandro Gillick (Del Toro) ins Boot. Dass eine Mission, die für eine brutale Eskalation der Gewalt sorgen soll, schließlich selbst unaufhaltsam in diese mündet, wird dabei ebenso billigend in Kauf genommen wie die von vornherein eingeplante Missachtung der amerikanischen Gesetzgebung und deren ethisch-moralischer Grundsätze. Somit trägt letztlich jeder nur seinen eigenen Prinzipien Rechnung neben einer Regierung, die sich aufgrund der illegalen Rahmenbedingungen und der daraus resultierenden Geheimhaltungspolitik jeglicher öffentlicher Verantwortung entzieht. Auch die Gegenseite der Kartelle wird diesmal genauer beleuchtet in Form des noch minderjährigen Miguels (Elijah Rodriguez), den die Aussicht auf das große Geld lockt und der sich daher von seinem älteren Cousin für den Menschenschmuggel an der Grenze anwerben lässt, ohne zu ahnen, in welche gefährlichen Abhängigkeiten er sich damit begibt.
Ein anknüpfender Kurswechsel
Die Welt von „Sicario“setzt erneut das Szenario eines prinzipienlosen Faustrechts in Gang, dessen Durchbrechung nicht vorgesehen ist. So verteilen sich auch die Gewaltspitzen von Anfang an gleichmäßig über die Filmhandlung und offenbaren mehr noch als im ersten Teil eine systeminhärente Normalität. War die Grundstimmung des Vorgängers vor allem noch gleichsam alptraumhaft wie trostlos, gibt es nun gar niemanden mehr, der in dieser völlig fraglos hingenommenen Mord- und Folterspirale als gebrochener und gewaltsam ernüchterter Statist aufwachen könnte. Hier macht sich das Fehlen von Emily Blunt und ihrer Figur als FBI-Agentin Kate Ma-
cer aus Teil eins bemerkbar, hatte sie doch eine wichtige Funktion als vermittelndes Bindeglied zwischen den Ereignissen, moralischer Anker und als Avatar für die Zuschauerperspektive. Ihre ersatzlos gestrichene Rolle hinterlässt eine Lücke und nimmt den anderen beiden Hauptcharakteren Gillick und Graver zum Teil ihre bedrückende Wucht. Deren fadenscheinige Moral, die zuvor noch als zweckheiligende oder noch schlimmer, als zwecklose und systemisch verankerte Farce entlarvt wurde, wird im zweiten Teil zur Charakterentwicklung und zum einzigen Lichtblick im Terror erhoben. Man kann sich darüber streiten, ob das nicht schon die ersten Fallstricke hin zu einem action-orientierten Outlaw- und Heldenmythos sind, die von Villeneuve und Co. 2015 noch gekonnt vermieden wurden. So wirkt der rote Faden der Handlung im Vergleich ein wenig dünner und blasser.
Von vielem mehr und manchem weniger
Auch die Kameraarbeit und der Soundtrack kommen nicht ganz an die ästhetische Qualität des Vorgängers heran. Das ist erneut Meckern auf hohem Niveau, da Regisseur Sollima, Kameramann Wolski und Komponistin Guðnadóttir es auch in Teil zwei geschafft haben, eine packende und beklemmend düstere Atmosphäre zu erzeugen, die aber auch gleichförmiger und damit ärmer an bild- und klangmächtigen Höhepunkten ist. Das betrifft sowohl die sich deutlich häufende Inszenierung brutaler Gewalteskalation als auch den weniger originellen Kameraeinsatz sowie das verzerrt abschwellende, tief knarzige Dröhnen des Soundtracks, das sich in seiner stetig wiederkehrenden Struktur als funktionales Stilmittel der musikalischen Dramaturgie aufdrängt. Das Zusammenwirken von Villeneuve, Deakins und Jóhannsson im ersten „Sicario“lässt sich in seiner ästhetischen Wucht und filmischen Vision nur schwer übertreffen. Die „2“im Filmtitel entpuppt sich für Sollima und sein Team daher als größter Makel. Stellt man die künstlerische Integrität und Autonomie des Werkes einmal vor die wirtschaftlichen und publikumsorientierten Parameter, bleibt hier ernsthaft die Frage bestehen, ob die Weiterführung als Fortsetzungsreihe eine gute Entscheidung war. Und dabei ist „Sicario 2“keinesfalls ein schlechter Film, ganz im Gegenteil. Spannend bleibt es bis zum Schluss und die schauspielerische Leistung aller Beteiligten greift wunderbar ineinander. Beide Filme überzeugen gerade als Einzelwerk am meisten. Aufgrund einiger Schwächen im Detail ist „Sicario 2“aber noch fester an sein eigenes Szenario gebunden. Wer Einblicke in die grausamen Kriegszustände zwischen den Drogenkartellen und der Regierung und vor allem in die damit eng verbundene paramilitärische Söldnermentalität erwartet, die diesen Krieg rücksichtslos am Leben erhält, wird auch „Sicario 2“viel abgewinnen können. Jene Cineasten, die den Vorgänger aber vor allem wegen seines kunstvollen und feingliedrig verzahnten Zusammenspiels zwischen Inhalt und Ästhetik zu schätzen wussten, werden ihre Ansprüche für die Fortsetzung ein wenig herunter schrauben müssen.
Angriff auf die Sinne
Technisch hingegen bleibt der hohe Standard ungebrochen. Das kühle, von Sepia- und den darin fein eingeflochtenen Blautönen bestimmte Farbbild schneidet stilvoll ins Auge. Die Hell-Dunkel-Dynamik ist grandios austariert, besonders wenn sich gleißend helles Scheinwerferlicht in harten Kontrasten vor die pechschwarze Nacht legt. Der hohe Schärfe- und Detailgrad verstärkt diese elegant gebrochene Harmonie noch zusätzlich. Klangtechnisch überzeugt vor allem der wuchtige 7.1-Surround-Sound, der zwischen bassiger Tiefe und den bis ins kleinste Detail edel abgemischten Tönen und Geräuschen einmal sanft fließend und dann wieder eindringlich abrupt hin und her springt. Regelmäßig entsteht so ein tolles Raumgefühl, auch wenn am Lautstärkeregler vor dem Fernseher manchmal ein wenig nachjustieren nötig ist.