WHAT KEEPS YOU ALIVE
Liebesbeziehungen sind wunderbar: Man liebt sich, hat Sex, unternimmt gemeinsam tolle Dinge und irgendwann geht man sich dermaßen auf den Wecker, dass man sich nur noch gegenseitig zerstören möchte … Also zumindest im schlimmsten Fall.
Anlässlich ihres Jahrestages fahren Jackie (Hannah Emily Anderson) und Jules (Brittany Allen) in eine Berghütte mitten in die Wildnis, was, wie so viele Horror-Fans wissen, keine so schlaue Idee zu sein scheint. Doch Jackie teilt mit der Hütte Kindheitserinnerungen, weshalb es ihr wichtig ist, dass ihre Ehefrau diese kennen lernt. Als eines Abends eine alte Bekannte vor der Tür steht, die Jackie als Meghan anspricht, entwickeln sich erste Zweifel in Jules. Wie genau kennt sie eigentlich ihre Frau wirklich? Nach und nach findet sie Indizien, die auf eine düstere Vergangenheit hinweisen – Oder ist es doch nur Einbildung? Und was blüht ihr, wenn sich ihre Vermutung als Wahrheit entpuppt?
Der Feind in meinem Bett
Die Ehe ist schon ein seltsames Konstrukt, das zwei Menschen rechtlich dazu zwingt, auf Gedeih und Verderb zusammen zu bleiben. In der Natur gibt es daher kein anderes Beispiel als den Menschen, der sich dieser Form der juristisch abgesicherten Partnerschaft aussetzt, selbst wenn sich aus der anfänglichen Liebe im Laufe der Zeit etwas Zerstörerisches entwickelt. Meist ist es nur ein kleiner Auslöser wie der liegen gebliebene Abwasch. Doch nach Jahren der wiederholt vernachlässigten Hausarbeit baut sich ein Unmut auf, der die Partner in etwas hineinsteigern lässt, was einer Todsünde gleicht: „Das hast Du schon IMMER so gemacht!“
Beide fühlen sich ungerecht behandelt, sehen das missratene Leben durch den anderen verursacht und machen sich gegenseitig das Leben zur Hölle. Bei „What Keeps You Alive“sind die beiden Frauen gerade mal ein Jahr lang mit einander verheiratet, weshalb das oben genannte Muster nur zum Teil zutrifft. Stattdessen entsteht aus dem einsetzenden Misstrauen eine ganz ähnliche Situation, die sich hier wie bei der schwarzen Komödie „Catfight“(2016) zu einem offenen, tödlichen Duell zuspitzt. In höchster Konsequenz wollen sich die beiden Partnerinnen gegenseitig vernichten, als wäre ihr einziges Lebensziel womöglich nicht das eigene Glück, sondern des anderen Unglück.
Von Mystery zum Thriller
Die Ungewissheit über Jackies Rolle wird vom übergroßen Spannungsteil überschattet, nachdem die Karten relativ schnell auf dem Tisch liegen. Doch das ist kein großer Nachteil für die Handlung, denn aus dem Mystery-Thriller wird ein Horror-Film mit großen Suspense-Anteilen. Der Horror-Aspekt sorgt wie bei den üblichen Slasher-Streifen dafür, dass Täter- und Opfer-Rolle einen Großteil des Films über klar definiert sind, wobei die eine Hauptdarstellerin, Britanny Allen einfach das tut, was sie schon in früheren Filmen des Regisseurs und Drehbuchschreibers Colin Minihan („Grave Encounters“) getan hat: Sie spielt eine Frau in einer lebensbedrohlichen Ausnahme-Situation, die über sich hinaus wachsen muss, um überhaupt eine Chance zu haben. Ob sie in „Extraterrestrial“(2014) durch ein Alien-Raumschiff klettert, sich in „It Stains The Sands
Red“(2016) mit einem Zombie anfreundet oder wie in diesem Fall das „Jagen“lernt – sie spielt im Prinzip stets die gleiche Rolle und macht dies auch richtig gut. Nicht ohne Grund schrieb Minihan das Drehbuch mit ihr als Hauptrolle im Hinterkopf. Ursprünglich sollte Allens Charakter ein Ehemann gegenübergestellt werden, da als Inspirationsquelle Zeitungsartikel über Morde in der Ehe dienten, bei denen die männlichen Killer mit ihrer Tat davon kamen. Als die männliche Besetzung allerdings absprang, kam die Idee ins Spiel, auch den zweiten Part mit einer Frau zu besetzen und die Geschichte um ein lesbisches Ehepaar rotieren zu lassen. Als Besetzung für Jackie wählte man äußerst passend Hannah Emily Anderson, die zuvor in „Jigsaw“und der „The Purge“-Serie zu sehen war.
Süße Unwissenheit
Auch ihr ist die Rolle der „Täterin“wie auf den Leib geschrieben, da sie sowohl das liebevolle, warmherzige, als auch das skrupellose, kalte perfekt beherrscht. Ihr Gesicht ist wie eine Maske, unter deren Schönheit sich tiefe Abgründe verbergen könnten oder auch nicht. Und auch, wenn sich die Handlung hauptsächlich um zwei Frauen dreht, sorgen verschiedene Spielarten für durchgängige Spannung. Ein Beispiel hierfür ist die Hitchcock-artige Szene, in der ein am anderen Seeufer lebendes Paar zu Besuch kommt, um einem gemeinschaftlichen Abendessen beizuwohnen. Jeder am Tisch sitzende Gast und Gastgeber besitzt unterschiedliche Informationen über die Situation, sodass diese jederzeit wie Sprengstoff hochzugehen droht.
Der harte Überlebenskampf wird also nicht nur auf physische Weise ausgetragen, sondern auch psychisch. Daraus entsteht ein gnadenloser Wettlauf, um die bessere Strategie, den größeren Willen und letztendlich auch das längere Durchhaltevermögen. In diesem Sinne erscheint der Film tatsächlich wie eine extreme Parabel über die Zerstörungswut innerhalb einer misslungenen Ehe, die zu schrecklichen Taten führen kann – Und wenn es nur das Versprechen ist, den Rest seines Lebens miteinander zu verbringen.