GHOST IN THE SHELL
Stand Alone Complex – The Laughing Man
Das „Ghost In The Shell“-Universum scheint größer und größer zu werden, was Neueinsteiger einigermaßen verwirren könnte. Gleich drei neue Blu-ray-Veröffentlichungen machen die Orientierung nicht eben leichter. Darum bringen wir doch ein wenig Licht ins Dunkel!
Es ist fürwahr ein stattlicher, sogar aufgeblähter Titel, der sich aber immerhin recht logisch aufschlüsseln lässt: „Ghost In The Shell: Stand Alone Complex – The Laughing Man“. Der erste Namensbestandteil erklärt sich vermutlich von selbst, wir haben es also mit einem weiteren Anime zu tun, der auf Masamune Shirows („Appleseed“) gleichnamigem Cyberpunk-Manga-Klassiker um die Spezialeinheit „Sektion 9“und Major Motoku Kusanagi basiert. „Ghost In The Shell: Stand Alone Complex“wiederum ist der Name der animierten TV-Serien-Adaption aus dem Jahr 2002. Deren erste Staffel ging über 26 Episoden, von denen 14 sogenannte „Stand Alone“-Folgen waren, also eine mehr oder weniger abgeschlossene Handlung erzählten, während sich in den anderen 12, den sogenannten „Complex“-Folgen ein größerer Plot um einen mysteriösen Hacker entwickelte, nämlich den „Laughing Man“, womit wir beim letzten Teil des überlangen Titels angelangt wären. Diese 12 Episoden wurden 2005 zu einer spielfilmlangen OVA (Original Video Animation) zusammengeschnitten, die nun auch auf Deutsch vorliegt. Wobei spielfilmlang etwas untertrieben ist, mit rund 160 Minuten gehört „The Laughing Man“zu den längsten Anime-Filmen überhaupt. Allerdings stellt sich natürlich die Frage, ob und für wen diese Veröffentlichung interessant sein könnte. Die „Stand Alone Complex“-Serie ist seit Jahren schon als deutsche Blu-ray-Box erhältlich, wer könnte also Bedarf an dem Zusammenschnitt haben?
Serie vs. OVA
Nun, zum Beispiel Leute, die eine spannende Geschichte lieber im Ganzen genießen wollen, nicht in zwanzigminütige Häppchen unterteilt, die dann auch noch jedes Mal von Vor- und Abspann und den albernen Tachikoma-Mini-Episödchen unterbrochen werden. Zudem entfaltet sich die Geschichte um den „Laughing Man“hier in deutlich strafferer Weise, da alle Folgen, die sich mit anderen Dingen beschäftigen, fehlen. Natürlich geht das zu Lasten der Charakterentwicklungen, da wir von den Beziehungen der Figuren untereinander deutlich weniger als in der Serie erfahren. Die „Laughing Man“-OVA ist ein fesselnder, vornehmlich plotgetriebener Ani- me-Spielfilm, der dramaturgisch prima funktioniert und seine zusammen montierte Herkunft kaum verrät. Ein vollwertiger Ersatz für die TV-Serie ist der Film natürlich nicht. Es ist also eher Geschmackssache, ob man TV-Serie oder OVA bevorzugt. Erwähnenswerte inhaltliche oder visuelle Neuerungen gibt es im Vergleich zur Serie übrigens nicht. Wer diese schon kennt, braucht die OVA nicht. Neueinsteiger können hingegen getrost zugreifen, sollten sie doch keinerlei Probleme haben, in die Handlung einzusteigen.
Exzellenter Cyber-Krimi
Natürlich stehen wieder Motoko Kusanagi und ihr Team von „Sektion 9“, allen voran Batou und Togusa, im Mittelpunkt, die im Jahr 2030 einem gefährlichen Hacker auf der Spur sind. Dieser hatte vor Jahren schon einmal sein Unwesen getrieben, konnte jedoch nie überführt werden. Nun schlägt er wieder zu, hackt die „Ghosts“(quasi die Seelen) unschuldiger Menschen und erpresst mächtige Großunternehmen und Regierungsvertreter.
Teils Cyber-Krimi, teils Verschwörungsthriller erzählt „Laughing Man“eine höchst mitreißende, originelle Science-Fiction-Geschichte, die mit großangelegten Action-Intermezzi aufwarten kann, welche die TV-Herkunft des Filmes Lügen strafen. Im Jahre 2002 sah „Stand Alone Complex“einfach umwerfend aus, und noch heute können sich Zeichnungen und Animationen absolut sehen lassen, auch wenn die ganz großen Bilder, wie man sie aus Mamoru Oshiis „Ghost In The Shell“-Kinofilmen kennt, fehlen.
Wer mit „Laughing Man“auf den „Ghost In The Shell“-Geschmack gekommen ist, den erwartet mit „Individual Eleven“ein Zusammenschnitt der zweiten „Stand Alone Complex“-Staffel von ganz ähnlicher Qualität. Und wem das immer noch nicht genügt, der bekommt zusätzlichen Nachschlag in Form von „Stand Alone Complex – Solid State Society“, einem spielfilmlangen TV-Special in Kinoqualität, das die Geschichte der Serie beziehungsweise der zwei OVAs zwei Jahre nach deren Ende fortsetzt.
„Laughing Man“und „Individual Eleven“wurden vom Publisher KSM übrigens eigens neu synchronisiert, wobei auf die aus den Kinofilmen, der Serie und „Ghost In The Shell: Arise“vertrauten Sprecher zurückgegriffen wurde. Die Blu-rays sind technisch einwandfrei und den bisherigen Staffelveröffentlichungen der Serie von Nipponart schon durch den Umstand überlegen, dass das gelegentliche leichte Ruckeln, das diese plagte, hier nicht vorhanden ist. Es wäre also begrüßenswert, wenn auch die komplette „Stand Alone Complex“-Serie in Zukunft noch einmal neu und fehlerfrei veröffentlicht würde. Ob man die neue „Solid State Society“-Blu-ray hingegen braucht, hängt ganz davon ab, ob man schon im Besitz der alten Veröffentlichung, ebenfalls von Nipponart, ist. An dieser gab es technisch nichts zu beanstanden, und da es auch beim Bonusmaterial nichts Neues gibt, kann man diese getrost behalten. Hier wurde die bisherige Synchro übernommen, auf die vertrauten Stimmen muss also leider verzichtet werden.