Im Gespräch mit James Wan
„Der ganze Streifen ist der reinste Animationsfilm“
Um uns ein genaueres Bild vom Film machen zu können, griffen wir zum Telefonhörer und sprachen mit dem 41jährigen „Aquaman“-Regisseur James Wan, der sich mit Filmen wie „Saw“(2004), „Insidious“(2010) und „Conjuring“(2013) im Horror-Bereich einen Namen machte und mit „Fast And Furious 7“(2015) bewies, dass er auch Action beherrscht. Mr. Wan, in Deutschland ist Aquaman einigermaßen unbekannt. Wie würden Sie jemandem, der Aquaman nicht oder nur vom albernen Cosplay-Auftritt von Raj in „The Big Bang Theory“kennt, den speziellen Reiz des Charakters und des Filmes erklären?
[Lacht] Ich würde wohl sagen, dass er jemand ist, der erschaffen wurde, um Held einer Unterwasserwelt zu sein. Er ist der Erbe des Throns von Atlantis. In meinem Film ist er Sohn eines Vaters vom Festland und einer Atlantischen Mutter, der Königin von Atlantis – halb Erden- und halb Unterwassermensch. Arthur Curry, oder Aquaman, ist also eine Art Brücke zwischen zwei Kulturen, von denen die eine Sauerstoff atmet, die andere Wasser. Wegen dieser gemischten Herkunft genießt er weder an Land noch in Atlantis volles Vertrauen, da die Bewohner des Unterwasserkönigreiches den Oberflächenbewohnern misstrauen. Unser Hauptcharakter trägt also einen inneren Kampf aus, während er seine Abenteuer in den Sieben Meeren erlebt.
Es handelt sich also um eine „Fish Out Of Water“-Geschichte (engl. für „fehl am Platz“)?
Ja, das ist ein extrem wichtiges Element. Wenn er zum ersten Mal in die Unterwasserwelt kommt, weiß er nichts von der dortigen Kultur. Und wenn er an die Oberfläche gelangt, hat er Mera dabei, die von Amber Heard gespielt wird und ebenfalls ein sehr beliebter Charakter aus den Comics ist. Sie ist zum ersten Mal auf dem Festland und weiß nicht, wie die Dinge hier laufen. Nun müssen die beiden als Team zusammen arbeiten, um etwas Übles zu verhindern.
Ihre filmischen Wurzeln liegen im Horrorgenre. Glauben Sie, Ihre Erfahrung in diesem Genre, in dem Stimmung und Atmosphäre so wichtig sind, könnte ein Vorteil für Regisseure von Spektakelfilmen sein, welche ja üblicherweise laut und oberflächlich sind? Könnte diese Erfahrung derartigen Filmen mehr Menschlichkeit und mehr Intensität verleihen?
Ja, ich glaube wirklich, dass Horror-Regisseure mehr Erfahrung damit haben, Gefühle und intensive Spannung zu erzeugen. Das ist es, was wir machen, und nun übertragen wir diese Herangehensweise auf große Actionszenen. Als ich „Fast And Furious 7“gedreht habe, war es meine Intention, die Sensibilität, mit der ich Spannungsszenen inszeniere, auf die Actionszenen anzuwenden. Das würde ein reiner Actionregisseur vielleicht anders machen.
Würden Sie also sagen, die Action ist emotional etwas geerdeter und nachvollziehbarer?
Durchaus. Wichtig ist, zu wissen, wann es groß und laut sein muss, aber auch, wann klein und leise. Dafür liebe ich Steven Spielberg, weil er es in vielen seiner klassischen Filme so macht.
„Aquaman“ist Ihr zweiter Film mit einem Mega-Budget. Er basiert auf einer amerikanischen Popkultur-Legende und ist Teil eines größeren Franchise. Wie viele Freiheiten hat ein Regisseur überhaupt in solch einer Produktion? Und sind die kreativen Restriktionen bei der Inszenierung solch eines teuren Filmes vielleicht sogar hilfreich?
Ich glaube, manchmal ist es ganz gut, Leute zu haben, die darauf aufpassen, dass man nicht den falschen Weg einschlägt. Auf der anderen
Seite bin ich als Filmemacher stolz auf meine Art, Geschichten zu erzählen, auf meine Charaktere und auch darauf, wie ich Actionszenen erschaffe. Meine Filmographie gab dem Studio die Zuversicht, mir vertrauen zu können, eine Geschichte zu erzählen, die Wert auf Charaktere und Menschlichkeit legt, aber auch das große Spektakel zu liefern, das von solch einem Film erwartet wird.
Eine Sache, die ich interessant finde, ist die Unterwasserwelt Atlantis selbst, die ja ein wichtiger Teil von „Aquaman“ist. Was war Ihr grundsätzlicher Ansatz bei der Gestaltung und Erschaffung von Atlantis? Wurde es eher als bloße exotisch aussehende Kulisse geplant, oder gab es eine Menge Weltenbau mit eigener Historie, Überlieferungen und all solchen Details?
Das Großartige daran, etwas wie „Aquaman“zu adaptieren, ist, dass es solch einen reichhaltigen Schatz an Geschichten und Designs gibt, der bis zu den 1950ern zurückreicht. Ich konnte auf eine riesige Auswahl an Informationen zurückgreifen, hab die Comics zur Inspiration gelesen, habe jedoch auch auf die Scherze und Anspielungen geachtet, die anderswo kursieren, wie eben Ihr Beispiel aus „The Big Bang Theory“, aber auch „Entourage“und andere. Ich hab das alles aufgesogen, und ich denke, das muss man bei einem Charakter wie Aquaman auch machen, der so seltsam und schräg, gleichzeitig aber auch so interessant ist. Man muss sich da richtig reinhängen und darf sich nicht davor fürchten, dass manche Leute es kitschig oder albern finden. Schließlich weiß ich nicht, ob ich jemals wieder die Gelegenheit bekomme, eine Lizenz zu verfilmen, die so einzigartig ist wie diese. Visuelle Inspirationen habe ich aus dem Ozean selbst gezogen, dem Meeresleben, der Tiefsee. Atlantis ist biologisch gewachsen, nicht konstruiert wie auf dem Land, und es sieht auch organisch aus..
In einem früheren Interview stand zu lesen, dass Sie den Film gegenüber den Schauspielern als eine Art Underwasser- „Star Wars“bezeichnet hätten. Das klingt faszinierend, aber was genau kann man sich darunter vorstellen? Verfügt der Film über eine Science Fiction-Komponente?
Oh, es ist ganz klar ein Science-Fiction-Fantasy-Film, genauso wie „Star Wars“ganz klar Fantasy ist, aber halt im Weltall angesiedelt. Ich wollte diese wirklich große Fantasy-Welt erschaffen, die sich jedoch nicht in einer anderen Dimension befindet, nicht in Mittelerde oder einem fernen Sternensystem, sondern direkt hier auf unserem Planeten. Die Tatsache, dass wir den Weltraum stärker erforschen als den Ozean, weil wir nicht tief genug vordringen können, ist für mich erstaunlich. Und die Idee, dass sich unter uns eine ganze Zivilisation verbergen könnte, fasziniert mich. Also hab ich meiner Fantasie freien Lauf gelassen.
Wie viele Szenen wurden denn tatsächlich unter Wasser gedreht und wie stark vertraut der Film auf CGI?
[lacht] Oh mein Gott, der ganze Streifen ist der reinste Animationsfilm. Ich würde nie auf irgendeine Weise schlecht über CGI reden. Ich denke, die Leute sollten „Aquaman“auf die gleiche Weise sehen, in der sie auch Filme wie „Ralph reichts“oder „Findet Nemo“betrachten. Es ist eine vollständig animierte Welt, das ist der einzige Weg, solch einen Film zu machen. Reale Schauspieler in einer computergenerierten Umgebung. Wir haben natürlich eine ganze Menge echter Sets gebaut und es gibt auch klassische Effektarbeit, aber die visuellen Effekte sind enorm wichtig bei der Erschaffung dieser Welt. Es gibt schon einen Grund, warum bis jetzt noch nie ein „Aquaman“-Film gemacht wurde.
Wie stark wird „Aquaman“eigentlich mit dem Rest des DCEU verknüpft sein?
Hm, ich wollte natürlich respektvoll mit der Herkunft des Charakters umgehen, damit, wie er in den anderen Filmen eingeführt wurde. Das Großartige an meiner Geschichte ist jedoch, dass sie in Welten vordringt, in welche die anderen Charaktere nicht gelangen. Es ist also wirklich ein für sich stehender Film über Aquaman und Mera und Meeresmonster. Ich habe so eine große, üppige Welt geschaffen, die ich nicht mit all den anderen Charakteren überladen wollte. Ihr werdet so viele Gelegenheiten haben, die anderen Superhelden in anderen Filmen zu sehen, lasst das hier einfach einen „Aquaman“-Film sein.
Vorwissen aus den früheren Filmen ist also nicht notwendig?
Nun, es ist schwer genug, diesen Helden einzuführen, das muss man nicht komplizierter machen, als es ist. Sie hatten schon erwähnt, dass das deutsche Publikum nicht richtig weiß, wer dieser Charakter ist. Also erzähle ich alles ganz von vorn und stelle ihn so dem ganzen Planeten vor.
Sie sind Australier, und „Aquaman“ist, so weit ich weiß, seit Ihrem Debütfilm Ihr erster in Australien gedrehter Film. War das eine bewusste Entscheidung, oder waren einfach die Örtlichkeiten und Konditionen günstig?
Tja, ich bin endlich an einem Punkt in meiner Karriere angelangt, an dem mir die Studios tatsächlich zuhören. Und wenn ich sage, dass ich den Film in Australien drehen möchte, kann ich das nun auch wirklich machen. Es gab Stimmen, die meinten, ich solle den Film in London drehen, aber ich wollte einen Film namens „Aquaman“nicht in den kalten Gewässern Londons machen. Es fühlt sich einfach falsch an. Ich möchte, dass sich der Film anfühlt wie die Kultur, in der ich aufgewachsen bin, also Sonnenschein, schöne Strände und all diese Sachen. Australien schien mir einfach der richtige Platz, um diesen Film zu produzieren.
Dann danke ich ganz herzlich für das Gespräch.