EIN GANZES UNIVERSUM
Wir schreiben das 23. Jahrhundert: Die Menschen haben damit begonnen, mithilfe der Technologie des Epstein Drives das Weltall als Lebensraum zu erschließen. Diese Entwicklung sowie zahlreiche Auseinandersetzungen haben oberflächlich gesehen drei Parteien geformt, die sich als unterschiedliche Völker sehen: Die Erdlinge, die Mars-fraktion und die Gürtler. Neben mehreren Raumstationen wurden beispielsweise Mond und Mars besiedelt, Rohstoffe werden u. a. aus dem Asteroiden-gürtel zwischen Mars und Jupiter gewonnen und Kriege werden inzwischen auch im Weltall ausgefochten.
Die Geschichte von „The Expanse“beginnt mit dem Erwachen von Julie Mao (Florence Faivre). Sie befindet sich in einem hermetisch abgeriegelten Raum des Transportfrachters Scopuli. Kampfgeräusche außerhalb ihres Gefängnisses signalisieren ihr, dass sie möglichst bald von hier verschwinden sollte. Eine heftige Erschütterung später gelangt sie in den düsteren Außenbereich. Anscheinend ist etwas an Bord, dass die gehäufte Anzahl von Leichen verursacht hat. Ein Blick in den Reaktor-raum zeigt Julie eine undefinierbare, blau leuchtende Masse, die von Leben erfüllt ist und die Zukunft der Menschheit maßgeblich verändern wird. Diese neue Gefahr sorgt für ein drohendes Kräfteungleichgewicht, das das ohnehin schon brodelnde Fass voller Unzufriedenheiten zum Überlaufen bringt.
Man könnte sagen, „The Expanse“ist eine Art „Game Of Thrones“im Weltall. Auf die anfängliche, unheilvolle Horror-sequenz, die dem ersten Treffen mit den „Weißen Wanderern“gleicht, folgt die Vorstellung der wichtigsten Parteien dieses Spiels um Macht und ums Überleben. Die Crew der Canterbury besteht aus Mitgliedern jeder der drei Haupt-fraktionen. Neben dem äußerst authentischen Zukunfts-setting ist auch neu, dass statt Streitigkeiten zwischen Adels-sprößlingen hier eher soziale Ungerechtigkeiten und geschürte Vorurteile zwischen den Völkern thematisiert werden. Auch wird hier mehr Wert auf die Darstellung moderner Technologien gelegt, die zum Zwecke der Authentizität gezeigt, aber meist erst später und nur in passenden Handlungs-kontexten (pseudo-)physikalisch erklärt werden. So wird dem Zuschauer beispielsweise zunächst präsentiert, wie Raumfahrer bevorzugt Sprachsteuerung statt Armaturen nutzen sowie eine ominöse Flüssigkeit injiziert bekommen, bevor sie die Flug-geschwindigkeit erhöhen. Erst später offenbart ein kleines Intermezzo mit dem Erfinder des Epstein-drives, welche
Schwierigkeiten einen Piloten erwarten, den die ihn zerquetschenden G-kräfte während eines Hochgeschwindigkeit-fluges davon abhalten, die rettende Armatur bzw. die „Bremse“zu erreichen. Es sind oftmals nur Kleinigkeiten oder Randnotizen, die das gesamte Konglomerat aus Science-fiction-technologien, soziokulturellen und politischen Einflüssen so wahnsinnig glaubhaft erscheinen lassen.
„The Expanse“ist multiperspektivisch erzählt, wobei sich der Kern der Protagonisten auf dem ehemaligen Mars-flotten-schiff „Rocinante“versammelt. Folglich könnte man annehmen, es gäbe die Helden, die alles richtig machen, und dann eben den ganzen Rest der Welt – doch der Schein trügt. So genial die Multikulti-besatzung auch ist, jedes Crew-mitglied hat dennoch einen eigenen Kopf, eine eigene Moral, misstraut, macht Fehler, die zu großen Desastern führen können, und folgt vorrangig den eigenen Interessen. Ob die Rocinante also am Ende des Tages die Welt rettet oder zu deren Vernichtung beiträgt, ist nie zu hundert Prozent klar. Fest steht, dass das Schiff in höchst brisante politische Verwicklungen gerät und dabei weder der Mars-, noch der Erd- oder Gürtler-fraktion zuzuordnen ist. Die Rocinante-crew wirkt wie ein Spielball zwischen den Supermächten, der durch ein mysteriöses Element für alle Parteien an Wichtigkeit gewinnt: Dem Auftauchen des sogenannten Protomoleküls. Das Protomolekül ist das große Mysterium der Serie, weshalb wir darauf nicht näher eingehen wollen. Wichtig ist an dieser Stelle nur, dass es die Machtverhältnisse der Weltpolitik gehörig durcheinanderwirbelt ähnlich wie die Entwicklung der Atombombe in den 1940ern. Die damit verbundenen Ereignisse führen erst dazu, dass sich die Crew der Rocinante bildet. Für den Zuschauer bedeutet dieses Element wiederum weitaus mehr als ein simpler Macguffin, dem hinterher gejagt wird. Stattdessen bringt das Protomolekül eine magische, übernatürliche Komponente ins Geschehen, die erforscht werden kann und neben reichlich Spannung auch für ein wenig Horror sorgt. Die Motivation der Hauptcharaktere ist dabei genauso unterschiedlich wie deren Gemütszustand.