X-men: Dark Phoenix
Die Geschichte von Jean Grey war schon immer eine sehr persönliche und charakterbezogene, selbst in den Comics. Ist sie nun ein Superheld oder ein Superbösewicht? Wer weiß, ob sich im X-men-kosmos überhaupt solch simple Klassifizierungen treffen lassen. Fakt ist, dass der letzte „X-men“-film, der nicht unter der Disney-flagge gedreht wurde, genau aus diesem Grund eben keine Materialschlacht ist, sondern die Entwicklungs-geschichte einer Mittzwanzigerin, die ihr Heim verlässt, um ihr wahres Selbst zu finden. Wo andere filmische Selbstfindungstripps einer Autofahrt durch verschiedene Stationen folgen, bedarf es bei Jean Grey (Sophie Turner) einer mysteriösen Sonnen-erruption, die ihrem Körper nahezu unendlich viel Macht verleiht, aber auch jene psychischen Barrieren zerstört, die Telepath Charles Xavier (James Mcavoy) seit ihrer Kindheit errichtet hatte. Dies tat er, um sie vor einem Unfall-trauma zu schützen. Nun brechen all die verdrängten Ängste, die Trauer, die Schuldzuweisungen und der angestaute Zorn hervor und machen Jean zu einer tickenden Zeitbombe, die sich wie ein unkontrollierbarer „Systemsprenger“verhält, mit dem einfach niemand klar kommt – was wiederum ihre Wut steigert, womit sie das gerade erst gewonnene Vertrauen der Menschen in die Superhelden vernichtet. Aus diesem Dilemma heraus entstehen zwei Fraktionen unter den X-men: Jene, die Jean töten wollen, und jene, die in ihr das zu rettende Familienmitglied sehen. Als dritte Partei gesellen sich noch Vertreter der außerirdischen Spezies D’bari hinzu, die die Menschheit unterwandern, indem die Formwandler wie bei „Die Invasion der Körperfresser“oder „Das Ding aus einer anderen Welt“menschliche Identitäten übernehmen. Diese begeben sich ebenfalls auf die Suche nach Jean, die sie als Machtquelle ansehen.
X-men-veteran & Regie-debütant
Drehbuchautor und Regisseur Simon Kinberg ist mit dem „X-men“-franchise bereits seit „X-men: Der letzte Widerstand“(2006) beschäftigt und schrieb die Skripte für „X-men: Zukunft ist Vergangenheit“und „X-men-apocalypse“, während er diese und die anderen Filme (darunter auch „Deadpool“, „Logan: The Wolverine“sowie die Serie „Legion“) mitproduzierte. Mit dem Stoff kennt er sich also bestens aus, während seine bisherige Erfahrung als Regisseur leider gegen Null tendiert. Dies merkt man auch „Dark Phoenix“an, dessen Schnitt einige Unübersichtlichkeiten und kleine Logik-lücken verursacht und der einfach zu selten Jeans Perspektive einnimmt, obwohl dies der Handlungsschwerpunkt sein sollte. Mit Hilfe von Hans Zimmers brachial pulsierendem, emotionsgeladenem Soundtrack saugt einen das Szenario und die ausnahmslos brillant inszenierte Actionchoreografie dermaßen ins Geschehen, dass man zumindest die kleineren Unwegsamkeiten gerne verzeiht. „Dark Phoenix“beinhaltet die wohl coolsten Magneto-action-momente des kompletten Franchise und setzt die Fähigkeiten der X-men gekonnt als trainierte Spezialeinheit in Szene. Das auf der Blu-ray enthaltene, alternative Ende vergleicht Jeans Selbstfindung passenderweise mit dem Faust‘schen Streben der Menschheit,
sich stetig weiterentwickeln zu wollen. Der philosophische Monolog des Epilogs erinnert an Jean-luc Picard und passt dermaßen gut, dass man die paar zusätzlichen Minuten auch noch locker in den 113minütigen Film hätte rein schneiden können. Auch wenn sich die Zahl der gezeigten Mutanten in Grenzen hält, so wurde bei den visuellen Effekten nicht gespart. Das Bild ist zu jeder Zeit enorm scharf und detailfreudig und demonstriert, wie filigran und authentisch aktuelle Cgi-effekte aussehen können. Obwohl es im Kino eine 3D-version zu sehen gab, erscheint der „X-men“-streifen ausschließlich als Standard- und als Uhd-blu-ray, jeweils auch in Steelbook-verpackung.