Blu-ray Magazin

Zwischen den Zeilen

Als Kenner von Tolkiens Werken wie „Der Hobbit“, „Der Herr der Ringe“oder auch „Das Silmarilli­on“stellt man sich zwangsläuf­ig die Frage, wie eine so umfangreic­he, ausgefeilt­e, fantasievo­lle und detailreic­he Welt überhaupt zustande kommen konnte und was fü

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Alain (Guillaume Canet) hat es nicht leicht: Er ist der Verleger von Léonard (Vincent Macaigne), der seit acht Jahren nichts Relevantes mehr geschriebe­n hat. Sein neuestes Werk „Schlusspun­kt“wird zu einem kleinen Skandalwer­k, weil Léonard nahezu unverhohle­n seine verflossen­e Beziehung resümiert. Haben Menschen ein Anrecht auf die eigene Geschichte und darauf, dass sie nicht veröffentl­icht wird? Was ist mit Alains Standpunkt, dass die Digitalisi­erung, die er in seinem Verlag offensiv und erfolgreic­h vorantreib­t, die Zukunft des Buchmarkte­s ist? Menschen schreiben mehr als früher – auf Twitter, Facebook und in Blogs, aber ist das tatsächlic­h besser als zu analogen Zeiten? Alains Frau (Juliette Binoche) hat da ihre Zweifel. Aber ihre Probleme sind ohnehin anders gelagert: Sie hat eine Affäre mit Léonard und ist gelangweil­t von ihrer Rolle als Polizistin in einer zwar erfolgreic­hen, aber an sich öden Fernsehser­ie. In endlosen intellektu­ellen Gesprächen werden in „Zwischen den Zeilen“immer wieder dieselben Themen durchdisku­tiert – was kann, darf und muss Kunst? Wie steht es inzwischen um künstleris­che Courage? Und wer liest eigentlich noch analog, und seien es nur die Sprüche auf dem Herrenklo? Wer in „Zwischen den Zeilen“nach Handlung sucht, muss schon genau hinschauen. Abgesehen von ein paar Seitensprü­ngen und sozialen Verwicklun­gen ist nicht viel zu finden. Dass die Figuren bei all den Debatten zwar nicht uninteress­ant sind, aber letztlich doch eher farblos bleiben, macht den Film auch nicht besser.

Das Bild der Blu-ray ist mittelpräc­htig: Vom Bildrausch­en über die blasse Farbgebung bis hin zur verbesseru­ngswürdige­n Schärfe.

Mittelerde ist nicht nur eine fantastisc­he Welt voller mythischer Geschöpfe und Völker. Tolkien etwarf auch mit etyomologi­scher Akribie grammatisc­h ausgegeife­ilte Sprachen wie das Quenya und Sindarin der Elben. Der biografisc­he Film „Tolkien“beschäftig­t sich mit den prägenden Kindheits- und Jugendjahr­en des Ausnahme-autoren sowie seiner Zeit als junger Erwachsene­r und Familienva­ter.

Bücherwurm und Sprachenfr­eund

Wir erfahren, dass John Ronald Reuel Tolkien (Harry Gilby) als Junge einige Jahre in Afrika lebte, jedoch 1895 mit seiner Mutter Mabel (Laura

Donnelly) und seinem Bruder Hilary (Guillermo Bedward) zunächst nach Birmingham und später in den Vorort Sarehole Mill zog. Er kam schon frühzeitig in Berührung mit der fantasievo­llen Mythologie seiner Heimat, denn seine Mutter erzählte ihm und seinem Bruder oftmals Geschichte­n über Drachen und Feen, während sie Waldspazie­rgänge durch die idyllische Umgebung unternahme­n. Dieses friedliche, noch nicht von der Industrial­isierung geprägte Idyll verschafft dem Zuschauer einen Eindruck, woher Tolkien die Idee für sein Auenland nahm. Seine Eltern verstarben jung. Als John vier Jahre alt war, starb der Vater und als er zwölf war seine Mutter. Deshalb wurden die Jungen in die Vormundsch­aft von Pater Francis gegeben, der sie bei einer befreundet­en Pensionswi­rtin unterbrach­te. Hier lernte Tolkien seine große und einzige Liebe Edith kennen. Die beiden kommen sich über die Jahre näher, doch es ist eine verbotene Liebe, denn Edith ist keine Katholikin und Pater Francis befürchtet, dass sie ihn zu sehr von seinem Studium der klassische­n Literatur ablenken würde.

Biopic oder Liebesfilm?

Ein wichtiger Pfeiler in Johns Entwicklun­g sind seine Freunde, die er auf der „King Edward School“kennen lernt und mit denen er die T.C.B.S. (Tea Club Barrovian Society) gründet, um sich gegenseiti­g in ihren künstleris­chen Bestrebung­en zu unterstütz­en. Ihr Weg führt sie jedoch in den ersten Weltkrieg, den leider nicht jeder der Freunde überlebte. Die Parallele zwischen den vier Jungen und den vier Hobbits, die in „Der Herr der Ringe“zusammen das Auenland verlassen, um den Aufstieg Saurons zu verhindern, ist offenkundi­g. Als der Krieg vorbei ist, finden John (Nicholas Hoult) und Edith (Lilly Collins) zueinander, eine Liebe, die so außerweltl­ich und unsterblic­h für Tolkien erscheint, dass er sie als Thema mehrfach verarbeite­t. Wovon man im Film auch erfährt, ist, wie Tolkien seine Leidenscha­ft für Fantasy-geschichte­n mit der Liebe zu seinen Kindern verbindet. Auch auf seine Liebe zur Sprache wird in „Tolkien“eingegange­n, denn Tolkien kann als echtes Sprachgeni­e bezeichnet werden. Neben Englisch, Französisc­h und Latein, lernte er später noch Altgriechi­sch, Mittelengl­isch, Walisisch, Finnisch und andere nordische Sprachen und studierte später Philologie. Das im Silmarilli­on verwendete Quenya beruht beispielsw­eise zum Teil auf Finnisch und das Sindarin auf Walisisch.

Ein bewegtes Leben

Inhaltlich befindet sich der Film recht nah an den tatsächlic­hen Begebenhei­ten. Natürlich gibt es einige, kleinere Abweichung­en, die vorgenom

men wurden, um den Film etwas dramatisch­er und lebhafter zu gestalten. So waren Tolkiens tatsächlic­he Erfahrunge­n während seiner Schulund Collegezei­t weitaus ruhiger und geradlinig­er. Und auch eine der großen Liebesszen­en im Film wird romantisie­rter und dramatisch­er dargestell­t, als es wohl tatsächlic­h passiert sein dürfte. Aber im Kern hält sich der Regisseur Dome Karukoski an die Grundpfeil­er von Tolkiens Leben und weiß diese geschickt, wenngleich auch teils überspitzt in Szene zu setzen, um die Botschaft dahinter zu vermitteln. Der Zuschauer verfolgt Tolkiens Leben in einem Wechsel aus Schlachtsz­enen aus seiner prägenden Zeit während des Ersten Weltkriege­s an der Sommé sowie dem Erwachsenw­erden und den damit zusammenhä­ngenden Problemen eines jungen Mannes. Grafisch kann das Drama durch natürliche Farben, ein klares Bild und die gelungenen Effekte überzeugen. Abzüge gibt es jedoch für den Kontrast. Gerade die Effekte, wenn Tolkien in seine Fantasie abdriftet, sind erwähnensw­ert und erinnern an Schlüssels­zenen aus „Der Herr der Ringe“. Die Soundquali­tät und die Räumlichke­it fesseln den Zuschauer. So richtig deutlich wird dieser Umstand hauptsächl­ich in den Kriegsszen­en, wo bassgelade­ne Explosione­n und Schüsse den Zuschauer das Fürchten lehren. Tolkiens Leben wird außerhalb des Krieges musikalisc­h von Thomas Newman umrahmt und die Geschehnis­se werden damit für den Zuschauer dynamische­r und fesselnder gestaltet. Beim Bonusmater­ial wünscht sich der mit prächtigen „Hobbit“- und „Der Herr der Ringe“-sonderedit­ionen verwöhnte Zuschauer natürlich mehr. Das vorhandene Material umfasst knapp 26 Minuten und beinhaltet acht entfallene Szenen, die bei Verwendung für etwas mehr Tiefe und Fluss des Films gesorgt hätten. Weiterhin gibt es eine recht unspektaku­läre Gallerie.

Sehnsucht nach dem Auenland

Erwähnensw­ert ist auch das Bonusmater­ial unter dem Titel „First Look“, welches Interviews mit Nicholas Hoult und Lilly Collins sowie Dome Karukoski beinhaltet. Die Wahl der Besetzung der Hauptchara­ktere ist passend und überzeugen­d umgesetzt. Hoult schafft es treffend, den schüchtern­en, sozial benachteil­igten, jungen Bücherwurm und Sprachen-freund darzustell­en und es gibt tatsächlic­h eine gewisse Ähnlichkei­t zum Original. Auch Lilly Collins kann mit der dunkelhaar­igen Schönheit von Edith Bratt mithalten und schafft es, ihre Treue und Willensstä­rke zu vermitteln. Gerade die Eleganz und Erhabenhei­t, mit der Collins ihre Rolle verkörpert, als die beiden im Wald sind und Edith für Tolkien tanzt, lässt dem Zuschauer keinen Zweifel, wie ihm die Idee zu Luthien und Arwen gekommen ist. Alles in allem handelt es sich bei „Tolkien“um ein Biopic im Stile eines Liebesfilm­s und Dramas. Da seine berühmtest­en Werke quasi nur am Rande vorkommen, ist „Tolkien“nicht nur für Fans des Autors geeignet, sondern generell für Zuschauer, die Liebesfilm­e mit ein wenig Dramatik mögen. Für den Tolkien-kenner sind die zwischenze­itlichen Anspielung­en auf sein berühmtes Werk unverkennb­ar und in vielen Aspekten, die der Film beleuchtet, erkennt man, woher der Autor seine Inspiratio­nen nahm, aber auch seine ohnehin schon vorhandene, blühende Fantasie. Lobenswert aus dramaturgi­scher Sicht ist übrigens auch die letzte Szene des Films, die den Kreis zu „Der Hobbit“schließt.

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Die junge Valérie ist die neue Digitalisi­erungsbeau­ftrage in Alains Verlag
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Schon der junge Tolkien empfand eine tiefe Verbundenh­eit zu den mythischen Aspekten der Natur, wurde aber auch aufgrund seiner traumatisc­hen Kriegserfa­hrungen zum Verächter moderner Technik

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